Meißen am 20
sten Apr:
Nachmittags 3 Uhr. Gestern hatten wir in Dresden Rasttag. Ich habe
aber an diesem langen Tag nicht
viel gethan da ich bey meiner
entfernten Wohnung viel Zeit verlaufen mußte. Um 7 Uhr hatten wir
Parole; bis um 11 Uhr
war ich mit Einigen auf der Bildergallerie
die aber sehr lückenvoll war, da ein großer Theil von
Tableaus
besonders aus der italiänischen Schule nach den
Königsteins geschafft worden sind; ich habe daher
keinen
besondern Vortheil von dem Besuch der Gallerie gehabt,
zumal da der H. Professor der uns herum führte
mich in dem was er
über die einzelnen Gemälde die er heraus hob nicht im Mindesten
befriedigte, denn
er zeichnete nur besonders die aus die aus der
holländischen Schule, die, die treue Copien oder Nachahmungen
der
Naturen waren und die, die sich durch Fleiß und Einzelnheit in der
Ausführung auszeichneten. Nur
ein einziges Stück hat sich in
meine Seele eingeprägt dieß ist ein Amor von Raphael gezeichnet; und
was
hob unser H. Herumführer besonders heraus, dieß war das zarte
Fleisch.- Mit wahrer Sehnsucht ging
ich
nun, um nach vielen Jahren wieder eine feyerliche Messe zu hören in
den
Dom. Sobald mir aber ge-
sagt wurde daß
Kastraten sängen - Menschen die ich verabscheue - so war ich so
gestört, daß ich biss auf
einige Momente den Dom unbefriegtigt
[sc.: unbefriedigt] verließ.- Nach Tisch besuchte ich zum 2
ten male den H. G.f: Sek:
Bürger der
mich Tags vorher freundlich empfing um mich demselben zu empfehlen
traf ihn aber dießmal nicht.- Nun machte ich einen Besuch auf
den
ich mich diesen ganzen Morgen sehr gefreut hatte und den Sie
sicher errathen
werden.- Die Fr: G.f: Räthin Richter mein ich,
die mich auf Ihre gütevolle Empfehlung äußerst artig Sonnabend
empfangen
hatte und in deren so
höchst anziehenden und geistvollen Unterhaltung ich den Abend
desselben
Tages zugebracht hatte, hatte mir einen Brief an i[hre
F]rau Mutter nach Leipzig versprochen den, ich nun /
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abzuholen ging, und den sie auch die Güte hatte mir zu
geben.- Für diese Empfehlung und Bekanntschaft bin ich
Ihnen
recht vielen Dank schuldig, denn ich habe in der Fr: G.f:
Räthin eine Frau von vielem Geiste gefunden und was
m[ich]
besonders von ihrer Vortrefflichkeit in sehr kurzer Zeit
überzeugte waren ihre lieben muntern Kinder
hauptsächlich die
drey Knaben, denn für mich giebt es keinen höhern Anblick als eine
Mutter im Kreise ihrer
sich frey und unbefangen äußernden Kinder
besonders Knaben, und es ist mir unmöglich einer solchen
Mutter
die höchste Hochachtung zu versagen.- Mich persönlich hat die Fr:
Geh: f: Räthin besonders durch ihre
aufrichtige Theilnahme an
unserm Corps
gef interessirt. Sie
bestätigte im Allgemeinen in ihrem Urtheile, dasjenige
was Ihnen
Ihr H. Bruder
Ih über dasselbe
geschrieben hat, sie wünschte recht herzlich daß es das werden
möchte, was
es unserem Wunsche nach werden sollte.