Keilhau am 10ten Apr
1825.
Gott zum Gruß
theures Weib.
Durch das so unmittelbare
Beantworten meines vorletzteren Brie-
fes hast Du mir große
Freude gemacht, besonders durch den beglücken-
den Inhalt daß es
zu Deinem Erstarken zunächst nur der Ruhe bedarf.
Gott! wie wohl
ist mir nun, ohngeachtet aller sonstigen Sorgen, nun
da ich weiß,
daß nicht eine eigentliche schleichende Krankheit in
Deinem
Körper wohnt; ach! es war mir oft im Stillen recht
bang. Gebe der
gütige Vater im Himmel, daß die wenigen Wochen
der Ruhe Dir noch
zur Wiederherstellung Deiner Gesundheit recht
förderlich werden
mögen. Nun zu der Hauptsache warum ich
Dir jetzt schon wieder
schreibe es betrifft zunächst Deine liebe
Mutter. Du schreibst in
Deinem vorletzteren lieben Briefe "Es
"kann wohl auf
Erden für ein stark und tief bewegtes weibliches
"Gemüthe kein
bittereres Gefühl geben, als das, daß unser Leben für
"Niemand
mehr Werth habe, und daß wir noch lebend - bey denen
"schon
abgestorben und verdrängt sind, in deren Herzen wir hätten
"am
tiefsten eindringen und am längsten fortleben mögen. Ach
"das
wendet die ganze Natur in uns
pp und
durchzieht das Wesen
"mit einer Bitterkeit gegen die nichts
einzudringen vermag pp["]
Du schreibst dieß in Beziehung auf
unsere herzliebe Mutter
und in dieser Beziehung wiederhole ich es
hier und zwar
um Dich zu bitten in den, so Gott giebt, noch
wenigen Tagen
bis zu meiner Ankunft Deine, unsere theure
Mutter zu
überzeugen, daß
ich sie so wie die gute
Tante
innig und
herzlich liebe und daß es gewiß der sehnlichste
Wunsch
meines Herzens ist Ihnen beyderseits die Jahre die
Ihnen
Gott noch schenkt zu Jahren der Freude und der Ruhe
und
des sinnigen Lebensfriedens zu machen. Leider aber
kenne
ich zunächst nichts näher dahin führendes als daß sie
wo
möglich beyde in unserer Nähe wenigstens in
Rudolstadt
leben da können wir uns als treue, liebende, sorgende
und /
[32R]
pflegende Kinder zeigen und bethätigen; aber
Berlin das ist
für unsere Kraft und Zeit etwas zu
weit. Ich wünschte sehr
Deine und unsere liebe Mutter mögte dieß
einsehen; sollte ein
Mißtrauen in meine rein und treu kindlichen
Gesinnungen
sie davon abhalten so könntest Du sie vom Gegentheil
überzeugen
und diese Bitte an Dich mein treues Weib ist der Zweck
dieses
Briefes. Siehe so bald Deine liebe Mutter nur erlaubt
ganz
frey und unbefangen zu ihr reden zu dürfen so fühle ich
tief
daß es keine kindlicheren Gesinnungen als in meinem Herzen
leben
geben kann, und daß wohl das Herz eines treuen Sohnes
in
mir schlägt. Was ich in Beziehung auf unsere gute
Mutter
aussprach kann ich ganz auch in Beziehung auf die
Theure
Tante aussprechen.- Ob sie beyde Mutter und Tante
jetzt
begleiten oder
Johannis zu uns kommen dieß hat
beydes
Gutes und Nachtheiliges bey sich;
Gutes daß dann hier alles
mehr ruhig und in
Ordnung ist, daß
Du die liebe
Tochter
alles recht gut für sie anordnen kannst; aber
Nachtheiligesdaß mancherley dann noch
der Reise als Hinderniß zur
Ausführung in den Weg treten kann,
daß dann nicht
eine sorgsame pflegende Tochter sie begleitet.
Wegen des Festes das wir am Pfingstfest zu feyern ge-
denken
hätte ich nun wohl gern gesehen daß beyde Mutter
und Tante hier
gewesen wären, damit sie sich ein klares
Bild von unserm großen
Familienleben hätten machen können;
doch mag vielleicht dieß es
gerad seyn was sie davon ab-
schreckt, weil Ihnen doch mehrere
Personen und die inneren
Verhältnisse fremd sind. Zureden mag ich
darum nicht, es
könnten auch noch andere Beziehungen hinzukommen
die dieß
unstatthaft machten. Dir aber dem treuesten,
trauten
Weibe will ich
aussprechen was bis jetzt noch nicht aus
der
Tiefe meines Herzens hervorgekommen ist, aussprechen,
wie
ich das Pfingstfest zu einem
ge
bedeutungsvollen
Familienfeste zu machen gedenke. Unser lieber
treuer /
[33]
Middendorff und unser wackerer geprüfter
Langethal stehen
jetzt in
vollster Mannesreife da. Middendorff und
AlbertinesVerhältniß ist
mir auch in diesen Tagen als gegenseitig klar und
sicher
entgegengetreten. Albertinens Eltern mag es wohl Freude
seyn am
Tage ihrer silbernen Hochzeit, die Verlobung ihres Zeugen
erster
und treuer Liebe zu feyern - und so dachte ich mir
dießals einen wesentlichen Theil
und ich möchte sagen die Crone
dieses Festes die Verlobung von
Middendorff u Albertinen.
Die Hochzeit dachte ich mir könnte dann
bis ins künftige Jahr
sich verziehen. Weil aber Langethal u
Middendorff, Ernestine u
Albertine sich immer mehr verschwistert
betrachten und ihr
beyderseitiges Leben eine gewisse gleiche
Gemeinschaftlich-
keit hat weil auch die beyden letzteren nicht
weniger treu
waren als die ersteren so dachte ich mir ein
Gleiches von
Langethal u
Ernestinen. Doch weiß noch
Niemand nichts [sc.: etwas]
davon ob ich
wohl allen vieren den Gedanken der Feyer
der silbernen Hochzeit
ausgesprochen habe. Langethal jedoch
von sich selbst darüber
Gedanken geäußert so wie Alber-
tine Ahnungen davon gehabt
hatte.
Siehst Du mein trautes Weib dieß wollte ich Dir
nun
gern früher aussprechen als ich ankäme damit Du es
vor
meiner Ankunft still in Dir bearbeiten durchfühlen
und
durch denken mögtest. Hier habe ich bis jetzt
noch gegen keine
Seele auch nur die entfernteste Äu-
ßerung darüber gethan, bin
auch vor meiner Rückkehr
aus mehreren Gründen nicht Willens auch
nur den leise-
sten äußeren Schritt dafür zu thun. -
Unser
kleiner Wilhelm ist Gott sey Dank wieder ganz
gesund; aber so gut
es auch alle mit ihm meinen und so
treu besonders Ernestine ihm
pflegt, so fehlt ihm doch
die sorgsame Mutter. Ich habe in diesen
Tagen tief /
[33R]
gefühlt wie so sehr besonders Knaben
zu be-
dauern sind welche frühe ihre Mutter verliehren, ach
andere
die nicht Muttergefühl hatten können ihnen diesen
Ver-
lust doch nimmer ersetzen. Was wären meine armen
Knaben
ohne Dich edles Weib mit so treuen Mutter-
sinn und Muttergefühl.
Aber mein Herz schlägt
Dir dem geliebten Weibe der sorglichsten
liebenden
Mutter darum auch innig sehnend entgegen.- Bis auf
9
sind Alle nun wieder angekommen auch wieder ein
kleiner
10jähriger Ernst, ein lieblicher Junge.
Unserm Ernst in Cassel
geht es gut, er hat auch sehr
wackere Zeugnisse von seinem
Lehrherrn.
Die Fr. Herzog "empfiehlt sich Dir höflichst und
grüßt
Dich herzlichst" Ihre Figur verräth schon etwas von
dem
was Dein Brief Dir [sc.: mir] aussprach, doch ist hier noch
von
Niemand davon Erwähnung geschehen.
Auch ein fremder Herr
Frickmann aus Eisenach
welcher ein sehr
unterrichteter junger Mann ist zu
seyn scheint aber
jetzt in etwas gedrückter Lage ist, ist gestern
mit
Anton u Bernhard angekommen und wünscht als
Lehrer hier
angstellt zu werden, wenigstens als
helfender Gast einige Zeit
hier zu bleiben. Cornelis
Vater erwarte
ich jeden Tag.- Grüße aus
treuer Sohnes Brust der lieben Mutter u
Tante.
Ich grüße und umarme Dich Du mein trautes
geliebtes
Weib als Dein treuer Gatte
Friedrich.
[Nachschrift auf 32V/33R:]
Das Petschaft
[= Siegelstempel] habe ich
nicht eigenmächtig mitgenommen vielmehr sagte ich der lieben Mutter
sie würde es wohl <bedürfen>. Ich bringe es
mit[.]