Keilhau am 31sten Jenner
1826.
Den drey
lieben einigen Schwestern
Luisen, Augusten u Malchen
meinen
sehr lieben Nichten.
Ich will Euch allen
Dreyen zugleich schreiben, weil ich fast fürchten muß daß Ihr alle
drey auch gleich bös auf mich seyn werdet; denn seit dem wir uns das
letztere mal sahen ist das letzte Vierteljahr des alten und nun schon
wieder ein Monat des neuen Jahres verflossen, auch Malchen hat noch
überdieß freundlich mir geschrieben und noch immer habt Ihr keinen
Brief von mir bekommen. Wäret Ihr nun nicht gewohnt nur nach langen
Zwischenräumen Briefe von mir zu bekommen, so liefe ich wohl Gefahr
daß Ihr die Ursache meines jetzigen langen Stillschweigens in etwas
anderem als in meinem Beschäftigtseyn und in - meiner Bequemlichkeit
finden suchen würdet; doch hoffe ich
jetzt daß Ihr in Euch fest überzeugt seyd, ich habe mich Eurer stets
in Liebe erinnert und sey mit herzlichen Glückwünschen für Euch und
Euren lieben Vater aus dem alten in das neue Jahr übergetreten. /
[1R]
Ob ich gleich das beyliegende Buch mir erlaube Eurem
lieben Vater als Zeichen meines hochachtenden Andenkens zu
überschicken, so kann es doch auch nebenbey Euch ein Beweis seyn daß
ich in der letzteren Zeit wirklich angestrengt beschäftigt war. Es
hätte mich von der Überschickung des Buches wohl der Gedanke abhalten
sollen daß die Sprache in demselben nicht durchweg Eurem lieben Vater
zusagen möchte, doch will aber auch die Schrift indem sie zu Euch
wandert nichts anders als eine freundliche Gabe angesehen und
aufgenommen zu werden.
Auch die mitfolgende Wochenschrift: die
erziehenden Familien haben, indem sie sich an das Buch anschließen
keinen anderen Zweck und machen keine andere Anforderung; denn die
eigentliche unterhaltende Seite so wie eine leichte Sprache geht ihr
[ab] da ich beyde wenigstens nicht mit dem mir vorgesetzten Inhalt
vereinigen konnte. Doch sie kommt auch nur zu Euch um sich Euch von
Angesicht zu Angesicht zu zeigen, damit Ihr sie im Fall früher oder
später einmal zu Euch von ihr gesprochen werden sollte Ihr sie doch
kennt, Ihr auch überhaupt auch sehet in welchen Weltverkehr /
[2]
wir in Keilhau jetzt getreten sind.
Nun werdet
Ihr aber vor allem wohl gern wissen wollen wie es in Keilhau steht
und was sich daselbst zugetragen hat. Gott sey Dank ist im
wesentlichen noch so ziemlich alles beim Alten. Albertine wie es sich freylich ganz von selbst
versteht stickt feine Kragen näht die feinsten Vorhemdchen für ihren
Bräutigam[.] Ernestine näht zierlich[e]
Hemde[n] für den ihrigen. Albertine so wie Ernestine sind der
gewöhnlichen häuslichen Geschäfte entlassen d.h. Emilie führt nun
durchweg die Küche nur noch die Sonntage wechseln. An Ernestinens
Stelle ist schon eine gewisse Mamsell Mohnhaupt, eigentlich eine
Schwester aus Neudietendorf getreten welche seit einiger Zeit schon
im Hause der Gräfin v. Köstritz Wirtschafterin war. Diese Mohnhaupt
(Hannchen genannt) führt nun ohne Wechsel die Hauptwirtschaft. Sie
wohnt in Ernestines Stübchen und Ernestine ist einstweilen in die
grüne Stube nächst der blauen gezogen. Eine Köchin sie heißt Sophie
hat Eure Base nun auch mit der sie so ziemlich zufrieden ist, sie ist
eine Kaufmannstochter aus einem kleinen Städtchen und zwar noch ein
junges Blut aber sehr kräftig und rührig. /
[2R]
Die
Frau Hofmann nämlich welcher Du Dich Malchen vielleicht erinnerst ist
mit ihrer Tochter Caroline welcher vorher in der Küche war nach
Berlin zurück gekehrt; die zweyte Tochter Luise ist aber als
Stubenmädchen hier geblieben. So geht es Gott sey Dank der Base mit
der weiblichen Hilfe und Unterstützung wohl so gut als es ihr gehen
kann.
Herr
Barop ist aus Westphalen wegen seiner
Militärpflichtigkeit noch nicht zurückgekehrt.
Herr
Schönbein ist von hier nach
Epson
15 engl. Meilen hinter
London als Lehrer in eine
Erziehungsanstalt am 4
en Jenner abgegangen, seine
Stelle ist noch nicht wieder besetzt; doch ist ein Zeichenlehrer Herr
Durst ein junger geschickter Maler aus
Bayern seit Neujahr angestellt.
Unsere
musikalische Unterhaltungen am Sonntage auch am Mittwoch Abends gehen
mit zufälligen Unterbrechungen wie gewöhnlich fort.
Nun habe
ich gar nichts zu schreiben als Euern theuren Vater von mir meiner
Frau und Freunden recht herzlich [zu] grüßen; Auch Ihr werdet von
allem recht herzlich und freundlich gegrüßt. /
[3]
Wie
stark jetzt die Anzahl der Zöglinge ist und von wannen sie sind könnt
Ihr aus einer dritten Beylage welche ich anschließe ersehen.
So bald Ihr nach Gotha schreibt grüßt Euren Bruder auf das
herzlichste von mir.
Auch bey Ritters sagt meine und unser[e]
Grüße namentlich Lottchen nicht zu vergessen.
Weil ich weiß
daß Ihr drey lieben Schwestern drey so rüstige Briefschreiberinnen
als besonders aber auch Schreiberinnen niedlicher Briefe seyd so
erlaube ich mir für jede von Euch ein niedliches Kästchen buntigen
Siegellacks bey zulegen damit, damit Ihr eure [sc.: Eure] lieben,
B willkommenen Briefe eben so
niedlich zusiegeln könnt.
Nun lebt wohl behaltet uns lieb wie
wir Euch. Ich bin unverändert
Euer
aufrichtiger
Oheim
Friedrich W A Fröbel /
[3R]
Dem schönen schwesterlichen Kleeblatt
Luisen, Augusten und Malchen Müller
in
Döllstädt
[2R enthält noch einige nicht zum Brief
gehörende Wörter / Buchstaben]