Da ich wenigstens seit
2 Posttagen bestimmt auf Briefe aus Berlin auf
sahe, so wartete
ich auch mit Absendung der nun beykommenden Anzeigen
und Stundenpläne der Volkserziehungsanstalt an
Dich, lieber Barop.
Zwar weiß ich nicht recht
welchen Gebrauch Du in
Berlin von dieser Anzei-
ge
machen kannst, weil man mich und das ächte Zeitbedürfniß in
Berlinschwer verstehen wird, dennoch sende ich Dir
25 Ex: Anzeigen und 8
Ex: Pläne.
Könnten oder vielmehr wollten
mich die Berliner verstehen und wäre es möglich,
ihnen mein
Streben nicht so wohl seinem Geiste nach als in seinen
Wirkungen
auf das Innere der Zöglinge, welche nothwendig daraus
hervorgehen müssen,
nahe und zur Anerkenntniß zu bringen, so
müßten sie einsehen daß dieß die
einzige Art der allseitig
begründenden Erzieh[ungs]anstalt sey welche sie für
ihre Knaben
und Söhne nach jeder Seite ihres künftigen Berufes hin
bedürfen,
und dieß vor allem oder vielmehr namentlich (:denn
warum soll ich durch be-
vorrechtete Heraushebung eines Berufes
die allseitige
Wirksam
Wichtigkeit
dieser Erzieh[ungs]weise schwächen?:) für die Knaben
welche sich dem Landbau später
widmen wollen. Doch Reden wird
nichts helfen also Punktum. Aber einiger
bedürfen wir zum Anfange
um die Ergebnisse zu zeigen; auf diese Einigen
nun aber soll und
wird nun aber auch der größte Fleiß und Sorgsamkeit
gewandt
werden um die Folgen, die Ergebnisse in ihrem Umfang wie in
ihrem
Wesen anerkennend zu machen darum liegt auch hier wie
überall der Seegen
auf dem Ersten dem Anfang, d.h. auf dem
Vertrauen, dem Zutrauen in
den Geist und das Wesen. Und so
Barop! sind auch hier wie überall die
Gesetze des
geistigen Wirkens d.i[.] des Wirkens, der Kraft sich
gleich.
Möchten wir dieß doch nie, nie im Leben, nie in unserem
Denken, wie in
unseren Entschlüssen und Vorsätzen und vor allem
in unserem Handeln vergessen, /
[1R]
wie ganz anders
würde es mit uns und im Leben stehen. Ja, das Reich der
Kraft,
das Reich des geistigen Wirkens ist <mir / nur> eine
einzige und einige große Ein-
heit; wie tritt mir dieß immer klar
in den Einzelnsten und Kleinsten der
Natur und des Lebens
entgegen wie kann wie sollte es auch anders seyn
ist Gott nicht
der Einzige und Einige durch und in dem alle Dinge leben.
Du
sieht, wie es mich drängt, Dich zu geleiten in das Reich der
Einigkeit
und Einheit; warum bleibst Du auch so gar lange; bleibe
ja nicht länger
als es nur eben Dein wieder begonnener Lauf und
das von neuem fest
gefaßte Ziel nöthig macht. Zurück zum
Nächsten.
Es ist höchst merkwürdig: wenn man die Sache von
Innen, vom Geiste aus
betrachtet, so tritt einem das Bedürfniß
überall entgegen, und man
glaubt nicht daß es allgemein und
besonders von denen nicht
gesehen
werden könne, die ihm am meisten unterliegen, sieht man
sich aber nach
Personen und Männern um, welche das Bedürfniß in
ihrem Kreise sehen,
erkennen und ihm abzuhelfen sich bemühen, so
findet man fast keine; jeder
ist dann mit den Leistungen seines
Kreises so zufrieden daß ihm gar nichts
besseres nahe zu bringen
ist. Du schreibst mir in dem jüngsten Brief
daß sich Luis jetzt
gut mache, auch das Schmids mehr freundlich sind
wäre denn durch
diese beyden Väter nun nicht anderer Väter - welche
ihre Söhne
besonders dem höheren Gewerbe oder dem Landbau widmen wollen
-
Interesse zu wecken?- Es könnte sich dann in Beziehung auf die
ersteren
der Plan so machen lassen daß die Knaben später von hier
in die Ber-
liner Gewerbe- oder politechnische Schule eintreten.
Nun kein Wort mehr.
Jeden Augenblick erwarte ich den
{Stiefsohn / Pflegesohn[}] der Frau
Majorin von
Arnim-Bülow aus Grunau bey Bayreuth
als künftigen Zögling /
[2]
und die Frau Majorin
selbst. Gestern hat mir die Frau Amtmannin Hoffmann
in Königsee
den Wiedereintritt
Gustav Schepß angezeigt.
Auch Constant
oder eigentlich
Robert
Dietrich jetzt Schüler in Bernburg hat mir vor wenigen
Tagen
einen zweyten Brief voll der innigsten Anhänglichkeit und des
stillen
rührenden Wunsches der einstigen Rückkehr in unsern Kreis
geschrieben;
wäre nur der Brief nicht gar zu lieb würde ich Dir
ihn mittheilen. In dem
vorigen Briefe schreibt er mir - und wenn
er nur im Putzhäuschen einen
Platz haben sollte so würde er wenn
es sonst die Verhältnisse erlaubten
gern nach Keilhau
zurückkehren. Ein solches Ergriffen- und Durchdrungen-
seyn von
inniger Liebe zu Keilhau und dem Keilhauerleben wie
dieser
beginnende Jüngling zeigt kann für die Zukunft nicht ohne
Folgen bleiben.
Ich bin erwartungsvoll sie einst zu sehen.- Aber
auch
Leopold Teskezeigt
jetzt die kindlichste Anhänglichkeit, und nicht allein Liebe
sondern
auch wahre Treue, er folgt mit gespannter Aufmerksamkeit
den inner-
sten Aufschlüssen vom Wesen der Dinge und des Lebens
an welchen er
mit
Middendorff und
Johann - angeknüpft an die Formen[-] und
Pflanzenbe-
trachtung - jetzt Antheil nimmt. Diesen Vormittag
haben wir in der
Stunde von 12/1 auf dem Kirschberge die
Potentilla vernalis betrachtet[.]
Ich hatte wohl
gewünscht daß Du Theilnehmer an dieser Betracht[un]g
gewesen
wärst. Eine fast merkwürdige Gleichgesetzigkeit der
Bild[un]g zeigte diese
Pflanze von ihrer Wurzel bis zur Blüthe
u.s.w. Ja
Barop die Einheit
in der Natur ist groß
wird immer einiger und inniger und da wo auf
den ersten Blick ein
Gewirr ist, lößt sich alles in dem schönsten Einklang auf[.]
Wie
thut mir jetzt jedes Wort leid was gesprochen wird ohne von
Dir
aufgenommen gepflegt und fortgebildet zu werden. Die
Betracht[un]gen jetzt
sind gleich dem Blühen und Knospen im
Frühling, ihre Frische und Kräftigkeit, ihr /
[2R]
Duft
und ihre Farbe erfreut besonders. Könnte ich doch nur in
Einig[un]g
mit Wenigen Vertrauenden und Vertrauten der Darlegung
und
Darlebung der großen Natur, und LebensEinheit leben!-
Daß für die nicht preußischen Staaten die Bekanntmach[un]g
unserer
HelbaerErziehanstalt, durch die Dorfzeitung
geschieht so weit als ihr
Kreis
reicht, geschiehet habe ich Dir wohl schon geschrieben. Aber
für
die verschiedenen preußischen Provinzen weiß ich - da
die
Dorfzeitung wie ich höre in ganz Preußen zu lesen verboten
ist - keine
Art der Bekanntmachung, welche wirksam seyn könnte.
Könntest
Du mir etwas darüber mittheilen so würde es mich freuen.
Sprichst oder
kennst Du wenigstens den Buchhändler
Ferdinand Dümmler - er
wohnte
sonst unter den Linden in der Nähe
der Sonne oder des
Hotel de Russie
-
wir sind uns gegenseitig bekannt, vielleicht könnte Dir dieser
Vorschläge
zur Bekanntmach[un]g in den Provinzen machen.
Wie steht es denn aber nun mit den Geldgelegenheiten? Mit dem
gestrigen
Posttage erwartete ich nach Deinem Briefe gewiß eine
Antwort, aber
auch er verging wie die nächstfrüheren. Sollte
gegen alles mein Ver-
muthen nach Ankunft dieses Briefes noch
keine Nachricht an mich von
irgend einer Seite her abgegangen
seyn, so schreibe mir doch ja mit der
umgehenden Post damit ich
doch wenigstens weiß wie es steht. Nicht-
wahr das
Mehr über die Rth. 1000 hat Schwierigkeiten
herbey geführt
welche Du selbst nicht vermuthetest?- Ich ahnte
wohl so etwas doch
Deine Zuversicht machte mich sicher. Hättest
Du doch in diesem Falle das Mehr
sinken lassen.
Bl[u]mberg hat doch meinen
Brief über Erfurt erhalten?-
Wäre es nöthig gewesen daß ich
selbst an die liebe gute Mutter geschrieben hätte
?- Dein Brief
schien mir es ganz unnöthig zu machen. Doch wozu alle
diese
Fragen, sie können nichts herbey führen. Schreibe mir bald.
Viel, so steht die Sache vor mir, hängt für mich von dem /
[2, Rand]
baldigsten
Empfang von Rth. 500 ab. Wenn nur diese schnell an mich abgehen
könnten[.] /
[1R, Rand]
Die kindlichsten und
hochachtendsten Grüße an die gute Mutter und liebe Tante übertrage
ich ganz Deinem Herzen
wie das vorige mal. Auch Bauern, Ernsten,
Georgen, Malchen meine Grüße.
Mit Liebe und Treue
Dein Fr.Fr. /
[1, Rand]
Christian Langethal
kann noch nicht von der Mannigfaltigkeit die ihn noch so sehr fesselt
zur Einheit die ihm noch nicht höchstes Bedürfniß ist zurückkehren,
darum hielt ich es für gut, wenn er noch ½ Jahr in Jena bleibt wie er
so sehr wünschte namentlich der Pflanzenkenntniß und Chemie halber.
Alles ist gesund und grüßt Dich.