Keilhau am 15en Novbr
1830.
Herrn Legationsrath J.Fr. Hennicke,
Redacteur
des allgemeinen Anzeigers
und der Nationalzeitung
der
Deutschen - in Gotha.
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Ew.
Wohlgeboren finden es wie es scheint für gut
von dem Ihnen unterm
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sten v[origen] Mon[ats]
übersandten
Aufsatz: "Die Menschenerziehung ein
gemeinsames
einigendes Werk aller Deutschen u.s.w." für
Ihre
Zeitschrift keinen Gebrauch zu machen. Ich für
meine
Person überlasse dieß ganz Ihrem Er-
messen und Ihrer
Überzeugung. Mein Lebenssatz
ist: thue deine Pflicht alles Andere
überlasse dem all-
weisen, liebenden, allwaltenden Gott! - und
als
meine Pflicht erkannte ich es den gedachten Aufsatz
Ihnen
zum Druck in Ihre Zeitschrift übersenden zu
müssen, durch deren
Erfüllung ich aber auch zu-
gleich aller Verantwortung für die
Zukunft ent-
bunden bin. Da nun in Beziehung auf den
erwähn-
ten Aufsatz wie es scheint die Frage oder viel- /
[5R]
mehr der Zweifel obwaltet: wie aus der
an-
gegebenen Erziehung wirklich die Lösung aller
der
Zeitaufgaben in der Zeit und zwar der mög-
lichst nächsten
bestimmt und mit Sicherheit, klar
hervorgehen? so erkenne ich es
weiter als Pflicht zur
Beantwortung dieser Frage und zur Hebung
jenes
Zweifels, wenn auch nur andeutungsweise,
aus-
zusprechen:
Keine Vorschläge, kein Unterricht, keine
Einrich-
tungen und Anordnungen keine Volksvertre-
tung keine
Öffentlichkeit selbst keine Verfassungs Urkunde rc, rc, rc,
kann
etwas gründlich und durchgreifend Genügendes
bleibend
nützen, alles ohne Ausnahme ist ein neuer Lappen
auf ein altes
Kleid, ist höchstens junger Wein Most in alte Schläuche und darum um
so gefährlicher wenn
1.,
erstlich die klare Erkenntniß und Einsicht
derselben
und dafür der Menge
mangelt
2., wenn zweytens die
reine moralische Gesammtkraft
zur
Ausführung dem Volke abgeht,
und
3., wenn endlich drittens
die Kenntniß, die Beherrschung u.
der
der sichere Gebrauch der dazu
nöthigen Mittel
und Wege dazu der
Mehrheit fehlt.
Zeit /
[6]
Die Wahrheit dieses
Satzes hat die Zeit durch Feuer,
durch Blut, mit der Hingabe der
höchsten Lebens-
güter, ja des Lebens selbst, wahrlich zur
Genüge
besiegelt.
[achtzeiliger, auf die Seite verteilter
Einschub:]
Wie soll auch die jetzt im ganz allgemeinen
herrschende
oberflächliche u zerstückte u vereinzelnde
Erziehungs[-] u Unter-
richtsweise, die dreien Lebensformen
pflegen würdigen u tragen können
die Gründlichkeit und einigende
Zusammenfassung ertragen
und geforderte öffentl. Gemeinsamkeit
ertragen. Im Gegentheil hat das Menschen-
geschlecht in der
Veral[l]gemeinerung einer menschenwürdigen
einigenden Erziehung
in der Zeit u durch alle Zeit die sichere Gewähr, daß ihr zu und in
jeder Zeit werden werde
was ihr an sich ihrer Bestimmung gemäß zu
leben, zu schaffen u. wirken <gütlich> ist.
Jenes
Dieses hochwichtige ja unerläßliche
Drey in Einem
aber giebt nun die in dem Aufsatze wenn auch nur
durch Bezeichnung dargelegte
Menschenerziehung für die in der
Zeit, und für
die Zeit möglichste Vollendung, daher die
Stärke
der Überzeugung die sich in jenem demselben Aufsatze
ausspricht,
welche aber keineswegs in irgend etwas
äußerlichem
und darum Vergänglichen seinen Grund hat,
sondern
nur in der reinen und tiefen Wahrheit an sich, erträgt
nun
aber die Zeit die Wahrheit noch nicht, noch Ihrem gänzlichen
Schweigen welches Ihre
Überzeugung zu seyn scheint, und rühmt
sie sich die Zeit dessen doch;
so
mag auch sie die Folgen davon treffen, wenn die
Wahrheit
unausgesprochen ungesagt bleibt, meinen
Geist treffen sie dann
nicht; weder gegen die Zeit noch
vor der Zeit wünsche ich etwas
hervorzurufen,
denn Eines weiß durch alle Zeit und Ewigkeit,
durch
allen Raum und in jeder Zeit:- die Wahrheit
wird mich, mein Volk, wird die Menschheit frey ma-
/
[6R]
chen: der Geist der Wahrheit den uns Gott selbst
durch seine
Auserwählten zu verschiedenen Zeiten
und an verschiedenen Orten
wiederholend als einen
göttlichen als Seinen Geist verheißen hat.
Amen!
Und darum will ich zur rechten
Zeit nicht schweigen
Und
Diese Zeit selbst aber kann ich Einzelner ruhig und still
abwar-
ten da ich ja die Gewißheit aller Gottesverheißung
in
der Offenbarung - in der Natur - in der Geschichte -
im
Leben des Menschen - im Innern wie im Äußern
schaue.
[vierzeiliger
Einschub:]
Die Wahrheit und die Nothwendigkeit, dringt
diese Sprache und die Wahl
dieses Sprechsaales gegen eigenes
Behagen ab, denn die Regierungen
hören ja nicht, und sind gegen
alle Wahrheit taub und der menschlich
Gesinnungslos
sie überlassen die Menschen wie Kraut u Kohlköpfe
dem Verderben
Würden Ew: Wohlgeboren von dem oftgedachten
Aufsatz
Gebrauch machen, so würde ich Sie ersuchen die
vorstehen-
de Andeutung zur Beantwortung einer vielleicht
allgemeinen Frage und <einstiger> Vieler desselben
und Antwort und die angedeute[te]
Lösung eines vielleicht verbreiteten Z[u]st[ands] als Nachschrift des
Schreibers jenes Aufsatzes bey und nach zu fügen, im
Gegen[-]
theil aber, wenn Sie von
demselben weil wir vielleicht
höchstens nur ein deutsches
Publikum aber noch keine
Deutsche als Gesammtheit, wenn auch
einzelne Deutsche,
und noch weniger ein deutsches Volk haben -
von demselben ohne alle Auslassung, indem derselbe weder etwas
persönliches noch weniger <rechtseitiges> enthält [-] keinen
Gebrauch
machen können, so erwarte ich das Manuskript
als
Product meines Geistes und als mein schwer er-
worbenes Eigenthum
mit nächster Post mit Bestimmtheit zurück.
[Unterschrift fehlt]