Keilhau,
Freitags, am 15en Tage
im Monat des
still keimenden Lebens 1833.·.
Barop!
Gott zum Gruß allem zuvor!
Wie
Dir schon diese Überschrift zeigen wird, sind wir, meine Frau und ich
von Berlin und
Frau Langethal von einem Besuche bey ihrer
Schwester und Verwandten in Torgau gesund und,
die tiefen
Schmerzen der Trennung von heiß-Geliebten nicht gerechnet, wohl hier
in unserm
kleinen, stillen Keilhau eingetroffen, freylich um es
nach Deinen mir hier vorliegenden Briefen
besonders nach Deinem
jüngsten vom 6en und 7en
dieses M. und gestern Abends am 14en erhal-
tenen Briefe bald wieder zu verlassen.
In Gottes Namen,
in inniger Einigung mit dem in sich Einigen, wird also nun lieber
Barop
mit allem Ernste an unsere Übersiedelung nach der Schweiz
und Willisau und unsere Abrei-
se dahin gedacht und dafür
gearbeitet.
Dem uns in Deinem jüngsten Briefe Ausgesprochenen
und Mitgetheilten zu Folge, werden wir
hier nun noch den
nächsten Posttag aus der Schweiz, künftigen
Mondtag den 18
en d. hier
ab-
warten, wo wir hoffen daß die letzteren und unmittelbaren
Erklärungen vom
Vereine in
Willisau selbst, hier
eintreffen werden, dann wird
Dienstags
darauf den 19
en d.
Langgut von hier nach Veilsdorf abgehen um von
den Seinigen, nach einigen Tagen frohen Zusammen-
seyns mit
ihnen, Abschied zu nehmen und das letzte dort Nöthige für sich zu
besorgen.
Sonnabends darauf den 23
en wird
Herr
Gnüge von hier nach
Veilsdorf gehen, Sonntags
dort verweilen und beyde werden dann
Mondtags den 25
en von
Veilsdorf über Nürnberg
und Ulm nach
Wartensee
abgehen, damit sie noch
vor dem Feste bey Euch
eintreffen
um dort in friedlicher Eintracht das Fest der
Auferstehung still und sinnig als Weyhefest zum
zum [2x] Neujahr
unseres Lebens mit Euch feyern zu können. Ob ich nun gleich noch
nicht Zeit gehabt
habe um
Ferdinands großen Brief an mich ganz, sondern nur
Anfang und Ende, und dieß
selbst nur in der mir durch
Middendorffs reger Achtsamkeit in Berlin zugekommenen Abschrift
so will ich doch gleich hier meine klare bestimmte Erklärung an
Dich und besonders auch ihn abge-
ben, ganz mit denselben Worten
wie solches heute Morgens von mir an seine Eltern und
Ge-
schwister geschehen ist, damit, wenn er sonst die Bedingungen
in sich dazu fühlt, auch er in frohen
heiteren Gemüthe dieses
Fest als auch ihm ein neues
Lebensfest mit Euch feyern
könne. /
[1R]
Diese Erklärung ist nun, als reines und
nothwendiges Ergebniß aus dem Ganzen Folgende.
Erstlich wünsche ich wie bey jedem Menschen und
besonders strebenden Jünglinge, nicht nur dessen
möglichst
allseitige, sondern auch - in dem Maaße als dieß überhaupt nach dem
großen allge-
meinen und ganz durchgreifenden
Entwicklungsgesetze, worinn Beschränkung ein ganz wesent-
liches
Glied ist, dem sich bis jetzt auch die größten der Sterblichen und um
so mehr fügten, als
sie nicht allein wahrhaft groß, sondern auch
wahrhaft gut waren – dessen freythätige
Entwickelung und
Ausbildung.
Zweytens von
meiner Seite wird ihm willkührlich nicht
nur kein Hemmniß dazu in den
Weg gelegt werden – (: was ich
meiner Stellung und meiner Pflicht nach als Glied des hohen
Lebganzen aus erkannter und Selbstthätigkeit ausgeführter
Nothwendigkeit, und somit zwar
wohl mit innerer Freyheit und
Selbstbestimmung thun
muß, werde ich ebenso
wenig mir zur
Last legen, als es mich stöhren wird wenn
Ferdinand es mir zur Last legen
sollte :) - sondern
Drittens werde ich
nach meiner besten Einsicht und auch mir dafür wirklich zu Gebote
stehenden
Mitteln selbst als sein väterlicher Oheim dafür
wirken.
Viertens bleibt es dem
Ferdinand nun sonach gänzlich überlassen a) ob er als Mitlehrer an
der Willisauer Erziehungsanstalt bleiben oder b) lieber nach
Keilhau als mitwirkendes
Glied zurück kehren oder c) sich irgend
eine andere Wirksamkeit ganz abgesehen von
meinen Unternehmungen
zu verschaffen suchen will.
Fünftens.
In sofern ich nun besonders auch nach Middendorffs Ansicht annehme,
daß es ihm dem Ferdi-
nand das für sich Zusagendste und
Angemessenste erscheinen würde wenigstens zunächst
noch einige
Zeit als Mitlehrer in d. Willisauer Erziehungsanstalt zu wirken, so
müßten
dann zwischen ihm und mir dieselben Bedingungen
eintreten, welche selbst gewissermaßen
zwischen mir und der
Anstalt selbst statt finden. Also a) würde ihm ein dem gesammten
Stande nach ein angemessener Jahrgehalt bestimmt und festgesetzt
werden, und dieß lieber
um etwas kleiner damit es ihm nur immer
um so sicherer und bestimmter ausgezahlt werden
könne – b. Würde
sein Austritt aus der Anstalt immer nur nach Ablauf der Erziehungs-
und Lehrhalbjahre also zu Ostern und Michaelis statt finden
können und c) dieß nur nach
vorhergegangener Vierteljähriger
gegenseitiger Anzeige.
Sechstens
Versteht es sich von selbst was ich eben nur bey dem letzteren Punkte
aussprach, daß
alle diese Bedingungen gegenseitig sind sofern
sie es ihrem Wesen nach sein können und müssen.
So hoffe ich
kommt Klarheit und Bestimmtheit in das ganze Verhältnis[e] was dem
Ganzen zu
seinem so kräftigen als fröhlichen Gedeihen so
nothwendig ist. – /
[2]
Was nun
Ferdinands bisherige und fast
anderthalbjährige wohl treuer und thätiger Wirksam-
keit in
Wartensee, und die ihm dafür wohl nach gar mancher Ansicht zukommende
pecuniäre
oder wenigstens materielle Vergütigung betrif[f]t, so
liegen die Verhältnisse so offen vor ihm
und Euch als mir, doch
will ich mich, um ganz allseitiger Klarheit darüber willen, auch hier
noch bestimmt aussprechen. Wie ich mich im Dienste eines höheren
und höchsten geistigen Ganzen
und Lebens fühle und erkenne, so
fühle und erkenne ich auch daß Vieles und Alles was mir,
für
dieses geistige Ganze und Leben geschiehet, von diesem aus auch
ebenso durch Geist und Leben
den äußerlich und scheinbar nur mir
Gebenden, wieder gegeben wird. Weil nun aber dieses
Wiedergeben
durch Geist und Leben, vom geistigen und Lebens Ganzen aus, von nur
sehr Wenigen
gesehen und erkannt und von noch Wenigeren
anerkannt wird, darum hat so viele Klage
über mich und besonders
auch meine Undankbarkeit Grund; ich aber darf und kann
und soll
mich des Gutes was mir selbst durch höhere und höchste Hand gereicht
wird nicht
achtungslos entäußern. Darum meyne ich nun ganz
einfach in Beziehung auf
Ferdinand[s] thätiges Arbeiten in
Wartensee, daß zwar ich jetzt nicht sehe wie ich es ihm
pecuniär
oder materiell vergütigen kann, daß ich aber in mir die Überzeugung
trage, die
Vorsehung habe ihn durch einen Reichthum von höheren
Erfahrungs- Geistes- und Lebensgütern
dafür gelohnt, daß selbst
das reichste was ich dafür bezahlen könnte ein unbedeuten-
des
Nichts sey. - Sollte er übrigens zurück kehren wollen, so würde ich
ihm dieß durch eine Reise durch die Schweiz [empfehlen].
Und
somit glaube ich denn ganz klar und fest in mir daß Ferdinands
Verhältniß zu
mir und meinen Unternehmungen ein eben so reines
und klares als bestimmtes und festes
sey. Kannst Du mir nun
dagegen Barop! noch Ferdinands bestimmte Entscheidung schreiben, wird
es mich freuen.
Fragst Du oder er vielleicht warum dieß alles
hier in einem Brief an Dich Barop stehe
und ich es ihm nicht
selbst ausspreche, so ist der Grund davon, daß es sich mir, weil ich
kurz
vorher mich seinem Vater und den Seinigen darüber
mitgetheilt hatte, so gewaltig in die
Feder drängte, daß ich es
nicht zurück drängen konnte; auch gehört ja diese Mittheilung so
in das Ganze; und so mag den[n] Ferdinand, den ich außerdem noch
so freundlich als herzlich
Grüße dieß als eine einstweilen
genügende Beantwortung auf seinen Brief von mir hinnehmen.
Nun
zurück zu den Reiseangelegenheiten der hiesigen.
Zur Abreise für
mich, meine Frau und Ludowika sind nach den vorliegenden Umständen
jetzt die
nächsten Tage nach Ostern, also der 9
e oder 10
e April bestimmt; da wir
nun wohl 10 bis 11 Tage
werden reisen müssen, so wird also
unsere Ankunft dort vielleicht gegen den 21
en
statt finden.
Der Monat würde sich also sonach mehrseitig als
der Monat des prüfenden Wechsels mir bewähren
und ich würde so
vielleicht an einem und ebendemselben Tage mehrseitig in den Beginn
eines neuen
Jahres eintreten. Die Entscheidung wegen
Louise Hermann ist noch
nicht eingegangen, doch
scheint die jetzige Gesamtstellung der
Umstände für deren Mitkommen zu sprechen. -
Carl Clemens, wird bestimmt in
Willisau auf die Dauer von 2 Jahren als Zögling für das
hiesige
Erziehungsgeld von 100 Rth prCt cca 250 Schweizerfrk eintreten.
Vielleicht kommt er
gleich mit mir. Wegen Titus Mitkommen werde
ich noch das Bestimmte aussprechen. Wegen
Albert, welcher erst in einigen Tagen nach
Hause reiset, ist die Überkunft nach Willisau noch sehr
zweifelhaft.
Daß die Reisegelder für das Ganze wenn auch
natürlicher Weise nur Vorschuß-
weise von hier aus getragen
werden müssen, ist uns eine schwer zu lösende
Aufgabe indem nur
das Fuhrlohn allein Rth 80 - 100 betragen wird; denke!
der Weg
über Stuttgart wird höher angeschlagen als der über Frankfurt und
Basel, obgleich der letztere viel weiter ist, warum? - weil
dorthin der Weg
unebener. Ich denke gleich nach Willisau zu
fahren, was ich am billigsten
halte; werde Dich jedoch klar
vorher von allem unterrichten damit alles
vorbereitet sey. Ich
halte es auch für das Beste sogleich im Schlosse abzusteigen, man
findet sich doch gleich im
eigenen
Hause selbst bey einiger Unbequemlichkeit besser als bei
Bequemlichkeit in
einem fremden wo man schon im nächsten Tage
wieder umziehen
muß. - Was Du sonst andeutest wird nach
Möglichkeit besorgt werden. - Mit dem Abdrucke /
[2R]
der
Anzeige selbst in dem Rudolst. Wochenbl. halten wir am gerathensten
so lang zu warten
als auch das letzte Dokument als
Schlussstein, und zunächst sogleich wieder
erster
Bau-
und Eckstein des Ganzen
als
äußerer Aufbau hier eingetroffen seyn
wird.
Nun noch etwas was ich schon von Berlin aus Dir
aussprechen wollte.
Dieser
Briefkopf
ist nicht ohne wesentlichen Grund. Er soll Euch zur Wahl und mich
dünkt
auch zur Nachahmung zeigen, wie die Gebäude der Willisauer
Erziehungsanstalt über
die zu lithographirende Anzeige
aufzufassen und auszuführen seyen; dieß das erste.
Schön und gut
würde es seyn wenn sogleich ein Paar spielende Zöglinge
in
spe im Mittel-
grunde oder sonst angebracht würden. –
Sollte es die zusammengedrängte Anzeige
erlauben, daß dann
die Gebäude der Keilhau in seiner Ansicht vom
Dissau aus, nach
mehreren Zeichnungen
von Ferdinand, Wilhelm und
Unger
(welche Ihr in Wartensee be-
sitzt) - am
Schluß und so gleichsam zum Grundstein, als
Grundstein, in einer Zeichnung
in der Anzeige mit aufgenommen
werden könnte, so dünkt mich würde dieß
nicht nur schön, sondern
sogar zweckmäßig seyn. Überall bringt man jetzt Begriff
Wort,
mit Bild und Gestalt in Einigung und mich dünkt zum wesentlichen
Wohle
beyder. Dieß das eine.
Das zweyte mir nicht minder
wichtige ist: - sogleich bey meiner Ankunft
in Willis-
au eine Quantität Briefbogen mit lithographirten
Briefköpfen vorzufinden
um unmittelbar sogleich davon bey allen
meinen Briefen aus Willisau davon da-
von [2x] Gebrauch zu
machen. Um des Wechsels willen wenn z.B. mehrere Briefe
an einen
Ort hin giengen würde es sehr zweckmäßig seyn einigen Wechsel der
Briefköpfe zu haben darum lege ich einen Brief an Ludowika hier
bey, worinn
die Ansicht von Meisen
sehr schön als Briefkopf benutzt ist. Dieser Brief muß
aber wohl
verwahrt werden. – Der Briefkopf dieses Briefes könnte jedoch wenn
es nöthig wäre abgeschnitten werden.
Nun für heut genug.
Benutzt diese Andeutungen recht schön. Ein solcher Briefbogen
wie dieser hier, illuminirt kostet in Berlin 1 ½ Sgr.
Mehrere Briefe sind eingegangen von
Schwartz; dünkt mich nicht schwarz nicht weiß
von Elias – fährt, wie Elisa [sc: Elias] mit feurigem Wagen gen
Himmel sucht Roß u Mann zu
Vorspann von Keilhau u der Schweiz
von Fröbel u Barop, denke: laßt fahren dahin
laßt fahren!
Beyliegendes Blättchen aus einem Brief von
Kaufmann Koch in Jena
aus einem an Langethal kann
vielleicht bey Gebrüder Wechsler gelegentlich ein Fidibus
wer-
den.
Wir sind alle wohl lebt auch Ihr alle dort
wohl, Grüße an Alle, hier sind
sehr
wichtige Entwickelungen im Werke, davon möglichst bald doch jetzt
[ist] die Zeit
dazu zu kurz. –
Gott sey mit Euch und uns.
FriedrichFröbel
Louise Hermann wird nemlich
nicht als
Pflegetochter sondern als
Gehülfin der
Frau
mitkommen.