Willisau am 15en Tag
im Monat der Klarheit 1834.
Grüß Dich Gott Barop in Deiner glücklichen
Familie
Auch ich bin herzinnig glücklich
daß ich Dich wieder im Kreise der lieben Deinen weiß; wie ich nur
einen Augen-
blick des ruhigen Eigenlebens habe - was im Ganzen
genommen jetzt selten ist - freue ich mich dieses Glückes
und
danke seelenvoll Gott dafür. Es ist mir dadurch die größte Beruhigung
meines Lebens geworden; von nun
an kannst Du in innerer und
äußerer Lebenseinigung mit den lieben Deinen Euer Einiges Leben
bestimmen.
Genug ich kann gar nicht aussprechen wie heiter ich
mich fühle wie beglückt mein Geist ist daß ich an
meinem
Lebensbaume eine von Gott so geeinte Familie weiß. Jeden
Augenblick wäre ich nun im Stande mit Heiterkeit und Freudigkeit aus
dem Leben zu scheiden.-
--- So eben bekomme ich folgenden
Brief.- "Herrn Fröbel Vorsteher einer Erziehungsanstalt
in Willisau"
"Hochzuverehrender
Herr!"
"Sie haben mir voriges Jahr zu verstehen gegeben, daß
Ihnen eine Translocation nach dem reformirten
"Canton Bern
erwünscht seyn müßte. Zu Burgdorf wird im Laufe dieses Jahres ein
ganz neues Erziehungs-
"gebäude in bester Lage fertig.- Sein
Hauptzweck ist Verpflegung von 15-25 Waisen beyder
Geschlech-
"ter, neben welchen auch andere Zöglinge aufgenommen
werden könnten: Der Erzieher, wenn sich höhere
"Qualitäten in ihm
vorfänden, würde sehr günstige Bedingungen erhalten.
Schiene Ihnen der Inhalt dieser
"Zeilen berücksichtigens werth,
so wollen Sie zuerst durch Correspondenz mit mir, und allenfalls
durch
"persönliche Information in Burgdorf Ihre Ansichten
gefälligst äußern."
"Aus Auftrag"
"Hochachtend empfiehlt sich Ihnen."
G. F. Stähli;
Großrath"
"Mitglied des Erziehungs Departements."
"Bern,
während der Sitzung."
den 12en Febr 1834."
Es ist dieß
der
Lehrer Stähli, (Lehrer) in Burgdorff und
Herausgeber des Berner Volksfreundes
welchen wir auf unserer
Berner Reise besuchten. Du weißt ja daß er zu Ende vorigen Jahres
durch den
einhällig alles aufbiethenden Wunsch der Burgdorffer zu
diesen einflußreichen Stellen befördert worden ist.-
Du kennst
ihn persönlich, Du kennst das Urtheil seines entfernten Verwandten
des Herrn
Pfarrer Stähli
über
ihn; irre ich nicht so steht er politisch sehr eng mit dem
Reg: Statthalter K. Schnell
verbunden; Mit dem ViceReg:
Statthalter Fromm, welcher in
Burgdorff so viel vermag ist er gleichfalls persönlich
freundschaftlich u politisch gleich[-]
sinnig verbunden. Du weißt
er gehört zu den schneidensten Radikalen; und ist aus dieser und
mancher andern Rück-
sicht z:B[.] seines "losen Maules" wegen des
Her[r]n Pfarrer Stähli Mann nicht. Doch ich wiederhohle dieses
alles
nur um Dir seine Person, und die Burgdorfer Verhältnisse
ins Gedächtniß zurück zu rufen[.] Auf jeden
Fall ist Burgdorff
wie Du selbst weißt, auf das höchste zu beachten; es einigt
Kraft,
Streben,
Mittel.
pp.
Jetzt schreibe ich Dir dieß nur damit Du Zeit habest Dich
mit den Deinigen und in Lebenvoller Einigung
mit dem Ganzen
berathest ob?- wann?- und unter welchen Bedingungen?- Du wohl nach
der
Schweiz zurück kehren würdest.- Es wird mich freuen darüber
bald Deine
klare,
bestimmte
An-
sicht zu lesen. Da ich nun aber nicht voraussetzen, nicht
ahnen darf, daß Du mit Deinem ganzen Leben
so bald nach der
Schweiz zurück kehren möchtest, als es wohl die Verhältnisse fordern
könnten, so schrei-
be ich Dir dieß damit - wenn
Langethal anders in meinen
wiederkehrenden Vorschlag eingeht - ihr mit
Ernst daran denken
möcht, ihn in den Keilhauer Verhältnissen frey zu machen. Doch in
dieser Beziehung für
heute genug.- Morgen
Sonntags den 16
en werde ich
nach Münchenbuchsee reisen; dort hoffe ich den
RRath
Schneider zu finden.-
Ohne Zweifel - wenn es sonst möglich ist, da mich der Herr Pfarrer
Stähli begleiten
wird - werde ich dann sogleich nach
Bern reisen um mit
Stähli dem Großrath rc selbst zu
sprechen.
Ich betrachte und behandle meine Wirksamkeit in der
Schweiz und die sich mir jetzt wieder im Canton
Bern eröffnende -
wie Du weißt als einen
Focus zur Sammlung und Einigung
zerstreuter sittlicher
geistiger und edler schaffender
Thatkräfte, zur einstigen Verwirklichung eines reinen,
menschenwürdigen
Lebens sey es im kleinsten Punkte und an welchem
Orte es wolle.
Vielleicht mit meinem nächsten Briefe werdet
Ihr meine "Grundlinien zu einer Kantonal<Muster /
Normal>-
Armenerziehungsanstalt" erhalten; Ferdinand wird
heute beginnen sie abzustereotypisiren. Ich sage
<zu[m]>
Voraus daß ich dabey überhaupt die Darstellung, die
Ausführung eines
ächten erziehenden
FamilienLebens /
[1R]
im Auge hatte, wozu ich
zugleich die <Grundzüge> zeichnen wollte. Weniges in der Form
und
ein paar Ausdrücke u.s.w geändert, so enthält das Ganze die
Idee, das Ideal des Familienlebens
welches, wenn mich Gott so
lange Leben [sc.: leben] läßt irgendwo der
Schlußstein
meines Lebens seyn soll.
Doch scheide ich nun auch froh, wenn mir
es persönlich auch nicht möglich werden sollte es auszuführen, weil
es
doch meinem Geist jetzt schon vergönnt wurde es in sich und
außer sich wenn auch nur durch Wort aus[-]
zuprägen.
Nun
noch ein Wort über das was ich in meinen letzten Zeilen an
Middendorff und Langethal als
Neuesteserwähnte. Ich habe was die erste
Hälfte der Mittheilu[n]gen betrifft, Ferdinanden nicht recht in der
Eile
verstanden: ,Im Rösly äußerte man sich
nicht - wie ich dort anführe - unzufrieden über
die hiesige
Anstalt, sondern im
Gegentheil, alle -
Baumann war jedoch einzig nicht
gegenwärtig - waren
auffallend zuvorkommend gegen die Glieder der
Anstalt; deßhalb war dem Ferdinand Baumanns
Brief so auffallend,
welcher
seinen Mißmuth und üble Laune als
eine allgem[ein]e Unzufriedenheit hin-
zustellen mögte.- Genug es
scheint alles von Baumann ganz persönlich und seinen wirklich
ungezogenen
Kindern besonders dem Lorenz auszugehen, welche seine
Unarten in den Stunden damit zu bemanteln
sucht daß er sagt: -
"mein Vater ist doch mit mir zufrieden!" - oder "ich sage es meinem
Vater" - Ferdi-
nand wird morgen mit Baumann sprechen.-
Merkwürdig ist daß sich Baumann auf eine allgemeine
Stimmung
gegen die Anstalt beruft, die gar wie sich nun im Gegentheil kund
thut, gar nicht da ist.
Nicht nur kommt, wie ich schon im vorigen
Brief sagte - Xaver Walthert wieder; sondern sogar der
eigent-
liche Sohn des <Gem> Präsid.
Kronenberg - Du erinnerst Dich seines
Austrittes Grundes - soll künftige Ostern wieder
hier als
Halbzögling eintreten. Die Mutter wünschte zu wissen ob wir ihn
wieder aufnehmen würden
da ihr jemand von uns (:
Langguth:) dieß versicherte, so
sprach sie ihren bestimmten Willen aus daß der
Sohn wieder herauf
müsse. Dieß dünkt mich nun ein bey weitem sicherer Barometer
der
Stimmung des Publikums als Baumanns übelgelaunter Brief. Ich
meyne es ist etwas gekränkter
Ehrgeiz dabey im Spiele.
Aber heut doch wieder etwas Neues: Gestern Abends bat mich Herr
Gnüge ihm ein paar
Augenblicke
zu schenken; er erklärte mir nun daß ihm zwar das
hiesige Verhältniß sehr zusage, daß er aber dabey
sehr die
Orchesterführung vermisse, wenn ein kleines Orchester herzustellen
wäre, wenn es auch
nur einfach sey würde er sehr gern bleiben,
doch jetzt wolle er mich bitten bey meiner nächsten Reise
nach
Bern doch die Verhältnisse zu beachten ob sich ihm dort nicht eine
Anstellung als Director einer
Musik zeige. Natürlich versprach
ich ihm seinem Wunsche entgegen zu kommen was ich auch gerne
thun
werde, doch sagte ich ihm daß mein Verhältnisse ihn
[sc.: ihm] schwierig ein genügendes Ergebniß bringen würden
ich
that ihm dann zwey Vorschläg
he
entweder noch etwas die Entwickelung im Bernschen abzuwarten
oder
selbst in öffentlichen Blättern z.B. Schweizerboten eine Anstellung
zu suchen; er ergriff das
letztere und meynte das erste
bliebe ihn [sc.: ihm] ja noch immer.
Ich würde Herrn Gnüge
ungern gehen lassen wenn ich in ihm nur eine Spur von der Ahnung
des
Erziehenden, des rein Menschlichen der Musik in ihm fände, so
ist es aber nur das künstlerische
in
die Ohrenspeise, überhaupt nur die physische vielleicht auch die
{rationelle / mathematische} Seite der Musik wel-
che ihn an
dieselbe fesselt. Durch das nur äußerliche künstlerische Auffassen
der
Musik schadet er aber wirklich in einer Erziehungsanstalt
erziehend mehr als daß er
nutzt, obgleich er wirklich ein guter
d.h. schneller und leichter Lehrer der Musik als eines
Ton-
spiels - ist. Ich schreibe dieß damit sich Deine und Euere
Mittheilung daran anknüpfe.
Auch von dieser Seite wäre nun
Langethals Überkunft erwünscht.
Doch ich will ihn hier lieber möglichst
frey als gebunden -
ähnlich Deiner Stellung die Du hier hattest; deßhalb meyne ich wäre
es gut wenn
sich bey der
Fürstin
Mutter wieder eine Anfrage wegen des von ihr vorgeschlagenen
Musiklehrers, und
Zöglings der Fürstin von Bückeburg thun ließe;
Vielleicht ließe sich diese Frage thun wenn Du
sie [(]d[ie] Fürstin Mutter[)]
wie wir
besprachen jetzt persönlich besuchst. Einen angemessenen
Gehalt
wäre ihm ja ebenso gut als Gnügen zuzusichern. Auch könnte
er vielleicht in unsern Wirk-
samkeiten in Bern eine angemessene
Stellung erhalten.
Jetzt aufs eiligste die
innigste[n] Grüße an alle; küße Deinen Johannes von
FrFr.