ENTWURF
zu
einer volksthümlichen
Erziehungsunternehmung,
geknüpft
an
das neue Waisenhaus
zu Burgdorf
im Kanton Bern in der Schweiz.
Eine
volksthümliche Erziehungsanstalt muß aus Einem Geiste hervorgehen; in
ihr
muß Ein - dem Ganzen und dem Einzelnen als Glied desselben
nothwendig gemein-
sam angehöriger, also - einender Grundgedanke
wirken - Dieser Grundgedanke
darf aber keinesweges ein, dem
Volke dessen Kinder und Glieder erzogen werden
sollen, fremder,
ein ihm gegebener seyn, nein! dieser Gedanke muß, wie ein /
[2R]
menschlicher, d.h. dem ganzen Menschengeschlechte eigener, so
wieder ganz besonders
ein volksthümlicher, d.h. diesem
bestimmten Volke, auf diese bestimmte
Weise eigenthümlich seyn;
wenn es sich dessen auch als Ganzes noch nicht klar bewußt
wäre,
sondern derselbe in ihm als Ganzes erst entwickelt und zum
Bewußt-
seyn gebracht werden müßte - müßte er doch schon in dem
Volke selbst, in diesem bestimmten
Volke auf diese bestimmte
Weise liegen. - Durch diesen
einen Geist und einenden
Grundgedanken muß in einer solchen Erzie-
hungsanstalt alles
-sowohl innerlich als äußerlich - als Ein Lebens-
ganzes auf das
innigste zusammenhangen; um dadurch das Ganze, wie jeden
Einzelnen als Glied desselben, so volksthümlich als
menschenwürdig zur Errei-
chung seiner Bestimmung zu leiten und
zu befähigen, zum selbstthätigen und
selbständigen, heilsamen
Gebrauche seiner gesammten Kräfte und Anlagen
seiner Mittel und
Verhältnisse - im Umfange seines Lebenskreises
zu erziehen.
Dieser eine, jedem Menschen und Volke als solchem ursprüngliche
Grund-
gedanke einer solchen Erziehungsanstalt muß darum seyn:
-Alle Dinge sind
aus Einem Seyn, einer Einheit, aus Einer
Lebensquelle, aus einem Einigen,
deshalb an sich nothwendig
freien Wesen - aus Gott hervorgegangen, tragen
darum auch alle,
wenn auch in den verschiedensten Abstufungen göttliches
Wesen
und göttliche Eigenschaften, göttlichen Geist und göttliches Leben,
göttliche Freiheit in sich; aber vor allem der
Mensch, welcher dieß zu
ahnen, zu
fühlen, es zu glauben und zu denken, es zu erkennen und
ein-
zusehen, ja danach zu handeln und zu leben fähig ist.
Deshalb entwickelt
auch der Mensch an der sinnigen Beachtung und
dem rechten Gebrauche
der ihn umgebenden Dinge und seiner
selbst, seine eigenen Lebens- seine höhern
Gemüths- und
Geistesanlagen, überhaupt seine gesammten Lebens- und
Seelenkräfte, deren steigend besseren freieren Gebrauch und die
immer
richtigere Einsicht in ihr Wesen und in ihren Zusammenhang
mit dem Urgrunde
alles Seyns alles Wesens und aller Freiheit. -
- Es steigt so der Mensch,
wenn auch in unmerklichen Stufen zur
bewußten Erringung, Ausübung und
Festhaltung seines eigenen
göttlichen Wesens, seiner ursprünglichen Freiheit,
sowohl an und
für sich allein, als in der mit ihm
zugleich und unmittelbar
gegebenen Gemeinsamheit,
der Familie, also zur Erringung, Ausübung
und
innerer klärerer Festhaltung ächt menschlicher
Gesellschaft herauf, und -
wo sich
diese, wenn auch, durch Land und Leben, äußere Umgebungen und
inneren Geist bedingt, in Eigenthümlichkeit, aber doch in
Vollkommenheit
kundthut - zur Erringung, Ausübung und
Festhaltung ächter, menschenwürdiger
Volksthümlichkeit empor: denn Menschen in
natürlich bedingter, menschlich /
[3]
vollkommen d.i. als
Glied eines höhern Ganzen in sich abgeschlossener
Gesellschaft,
welche darum den Grundgedanken: -"Gott ist der Urgrund
aller
Dinge; deshalb thut Göttliches sich auch in allen Dingen kund" –
auf eigenthümliche in ihrem Wesen und in der Gesammtheit ihrer
Verhält-
nisse gegründete Weise im Leben festhalten und Folge
leisten, werden
ein
Volk genannt. -
Aus jenem Grundgedanken entwickelt sich aber
auch der Gedanke,
welcher jedes Volkes würdig ist, der Gedanke ächter
Freiheit und
das Wesen derselben; denn - Gott ist die Freiheit, das
freie
Wesen an sich.
Darum nun muß Erkenntniß und Erringung,
Bewahren und Gebrauch
menschenwürdiger und volksthümlicher,
ursprünglicher Freiheit einer
solchen Erziehungsunternehmung
vorzüglich zugleich zu lösende Mitauf-
gabe seyn; ja die Lösung
dieser Aufgabe muß mit der ächten Lösung
ihrer Erziehungsaufgabe
in Eins zusammen fallen; denn diese Erziehungs-
weise und
Erziehungsunternehmung muß, gestützt auf jenen Grund-
gedanken,
ihre Glieder und Zöglinge so bilden, daß die stetige
Fortent-
wickelung des Einzelnen und des Ganzen für
Vollkommenheit bei jedem
auf seiner Lebensstufe und in seinem
Lebenskreise, nicht nur dadurch
möglich, sondern dadurch bedingt
nothwendig, - also völlig gesichert sey.
Diese ächte Menschen-
und Volkserziehung muß darum ihren Zögling be-
achten und pflegen
wie ein Samenkorn, wie eine Pflanze, welche durch
die
Gesammtheit und Eigenthümlichkeit gleichsam durch die Persönlichkeit
ihrer
innern Kraft und ihres eigenen Lebens zwar diese bestimmte
Pflanze
ist, deren Gedeihen und fröhliches Wachsthum aber
geknüpft ist an ein
bestimmtes Land, ein eigenthümliches
Erdreich, an ein gewisses CIima,
deßhalb an einen eigenen
Luftkreis und an einen ursprünglichen
Stand gegen die Sonne. Der
wahre Volkserzieher muß überdieß um
in diesem Bilde fortzureden,
die natürliche Geschichte, das ist die Ge-
schichte der
ursprünglichen und natürlichen Entwickelung studiren,
um als
Pfleger derselben, in seinen von ihm ausgehenden Bestimmungen,
nicht gegen die ursprüngliche Natur derselben zu handeln.
Bei jedem lebenden Gegenstande der Natur ist das frische und
fröhliche,
das gesunde Gedeihen desselben an
Arbeit nach Außen und an
Verarbei-
tung nach Innen geknüpft. -
Arbeit und Verarbeitung in ihrer mannig-
fachen Erscheinung recht
verstanden und richtig angewandt sind die /
[3R]
Grundbedingung der individuellen Freiheit. Auch der Mensch
ist hinsichtlich
seines frischen und fröhlichen gesunden und
persönlichen Gedeihens an
diese Grundbedingung des freien
Daseyns gebunden, nicht nur
empfangen
darf darum der Zögling aus einem freien Volke, der Zögling zum
einstigen
Schutze für Volksfreiheit, er muß auch das Empfangene
seiner Persönlich-
keit getreu und als innig einiges Glied eines
großen Lebganzen, seiner
Volksthümlichkeit gemäß in sich
verarbeiten; allein nicht nur dazu
muß
sich der Zögling befähigen, er muß sich auch dazu entwickeln und
aus-
bilden, das zu seinem Bestehen Erforderliche in
Übereinstimmung
und nach den Lebgesetzen des Ganzen durch
Selbstthätigkeit und
Selbstar-
beit
sich verschaffen zu können. Genug, der Zögling einer volksthümlichen
Erziehungsanstalt muß seinem eigenen Wesen und dem des Ganzen
getreu
denkend arbeitend und sinnig schaffend für freies Daseyn
erzogen werden.
So steigt dann wie die Bildung des Einzelnen, so
auch die Bildung seines
ganzen Volkes von einer Stufe zur
anderen naturgetreu und gesetzmäßig
zu immer höherer
menschenwürdiger Freiheit empor, und die Bildung des
Ganzen
wirkt wieder erhebend, innerlich und äußerlich freimachend auf
die Bildung des Einzelnen ein; wie denn überhaupt der Einzelne
erst wahrhaft frey ist, wenn
es das Ganze ist. Hierin ist der
Grund aller in Ewigkeit steigenden Fortentwickelung.
Darum
geht die Erziehung und der Unterricht einer
Volkserziehungs-
anstalt oder vielmehr die ächte Volkserziehung -
sich gründend auf das
unmittelbar persönliche Sich -selbst-
Wahrnehmen des Zöglings - überhaupt
und ganz allgemein
hervor
A. Aus der sinnigen Beachtung der
Natur, aus der denkenden Pflege und
solchem Gebrauche der
Naturgegenstände; also aus der, vom steten Nach-
denken
begleiteten Arbeit. Erziehung und
Unterricht knüpft sich so
a. an die denkende Bearbeitung des Grund und Bodens, besonders an
eine solche Pflege der Gewächse welche er
trägt;
b. an die sinnig denkende Bearbeitung der Naturstoffe in
Hinsicht
a. auf die Kenntniß des
Stoffes
b. auf den Ausdruck und Gebrauch des
Erzeugisses und
c. in Hinsicht auf die Rückwirkung
davon auf den Menschen.
B. Geht sie ferner aus des Zöglings
Kenntniß seiner selbst
und
seines Wesens
a. in Beziehung auf sich nach der Art und
Mannigfaltigkeit seiner
Triebe, Kräfte, Anlagen und
Fähigkeiten
b. in Beziehung auf seine Umgebung. /
[4]
C. Aus des Zöglings eigenen denkenden Beachtung seines eigenen
Entwicklungsganges,
des Entwicklungsganges seines Volkes und des
allseitigen des Menschengeschlech-
tes, also aus
Geschichte.
D. Aus der ursprünglichen
Ahnung, des darin ruhenden Glaubens und der sich daraus
immer
weiter entwickelnden Erkenntniß des Urgrundes aller Dinge und des
Wechselverhältnisses, Wechselbandes
zwischen Ihm Gott und allen
Geschöpfen
-zwischen Gott und Natur -zwischen
Gott und Menschen -und dadurch bedingt
zwischen Natur und Menschen, und Menschen und Menschen.
Dieß sind die vier ursprünglichen Glieder einer menschenwürdigen
und
naturgetreuen Erziehung und eines solchen Unterrichtes bei
Kindern eines
freien Volkes in deren Innern eben darum schon der
schlummernde Trieb ange-
nommen und gepflegt werden muß: „das was
man werden will in Überein-
stimmung und Einigung, im Bunde mit
dem großen Lebensganzen,
aus eigner Kraft zu seyn.“ -
Diese vier Glieder mit einfachen Worten bezeichnet sind:
Natur-
kunde, Selbst- und Menschenkunde,
Geschichte und Religion, und bilden
alle vier wechselseitig und vergleichend mit einander verknüpft
und
und auf das unmittelbare persönliche SeIbstwahrnehmen
gegründet das große
Lebensganze.
Hieraus gehen alle
Einzelnheiten hinsichtlich der Gegenstände der Er-
ziehung und
des Unterrichts, des Erziehungs- und Lehrganges (derselben der 4 Glieder) von
selbst
hervor.
Es mag in dieser Beziehung hier nur noch die Bemerkung
stehen, daß bei dem
Volksunterrichte, die AnzahI der
Unterrichtsgegenstände ihren Richtungen
nach nur die
wesentlichsten seyn müssen, und daß in Hinsicht auf den
Lehrgang, der Unterrichtsgegenstand aus dem Innersten des
Menschen
und aus dem Leben mit Nothwendigkeit hervorgehen müsse
und ihn der
Zögling unmittelbar wieder lebenvoll nach Innen auf
sich und nach Außen
auf seine Verhältnisse und seine Umgebungen
anwenden, förderlich
für dieselben gebrauchen können. Wenige,
aber gründliche und dem
Leben nahe liegende Kenntnisse, mit
Gewandtheit für allseitige
sichere Anwendung im Leben,
rückwirkend auf die Veredelung der Gesinnung als Mensch
und
Volksglied, und die Stärkung des Willens, dieselbe im eigenen
persönlichen und
häuslichen, wie im allgemeinen und öffentlichen
Leben gleich rein und treu kund zu
thun und die Befähigung, nach
dieser Gesinnung und diesen Willen kräftig zu handeln,
dieß ist
das wesentliche Erforderniß
und der erste Kreis des
Volksunterrichtes; daraus entwickelt sich dann
im Fortgange des
Unterrichtes, wo die innere Kraft dazu da ist auch
die größere
Mannigfaltigkeit der Kenntniß, der größere Umfang der /
[4R]
Anwendung und tiefere Einsicht in das Wesen der Dinge, das
ernste
Streben nach wahrem Wissen für immer höhere Klärung und
Sicherung
ächter Freiheit von selbst.
Mit diesen ganz
allgemeinen auf die vielfachste Weise von mir
an verschiedenen
andern Orten ausgesprochenen und mehr entwickelten
Menschen- und
Volkserziehungsgrundsätzen knüpfe ich nun an das neue
Waisenhaus
zu Burgdorf zur Erziehung von 20 - 25 Kindern beiderlei
Geschlechtes, und an den von Ihnen, Hochgeehrtester Herr
Großrath! im
Allgemeinen dafür entworfenen Plan, den Plan einer
in Burgdorfs
Nähe und Umgebung auszuführenden, in sich
zusammenhängenden,
volksthümlichen Erziehungsunternehmung, eines
organisch in sich
geschlossenen Erziehungsganzen.
I.Das
Waisenhaus zu Burgdorf wird Anknüpfungs- und Mittelpunkt
einer
in sich lebenvoll zusammenhängenden vorbildlichen
volksthüm-
lichen Erziehungsunternehmung.
Da aber Pflege-
und Lehre, Erziehung und Unterricht ein in sich ur-
sprünglich
einiges Ganzes sind, so wird das Waisenhaus nicht nur Pflege-
und Erziehungs-, sondern auch Lehr- und Unterrichtshaus.
Wegen des oben nachgewiesenen Grundsatzes, daß die Erziehung aus
dem Leben, der Unterricht und die Lehre aus dem Thun und
Selbstschaffen,
dem Arbeiten, besonders aus Bearbeitung des
Grund und Bodens wie
der natürlichen Stoffe hervorgehe, so
bedarf das Waisenhaus um diese
Doppelaufgabe für ihre Zöglinge
zu lösen und um zugleich auch vor-
bildlich nach Außen hin
dazustehen: -
Einmal das nöthige Land wenigstens zu Gärtchen
für die Zöglinge
zum Selbstbebauen und zum Garten für eigenen
unentbehrlich nöthigen
Hausbedarf.
Dann Raum zum Sammeln
und Bearbeiten besonders natür-
licher Stoffe und
Naturgegenstände.
Das Sammeln in höherer Beziehung liegt gewiß
ganz besonders
recht im Geiste und Zwecke einer
Waisenhausanstalt. Um das was
ich damit sagen will anzudeuten
möchte ich mir das Wortspiel erlauben,
der
Waise soll
weise
seyn: er soll sammeln: er soll viel zur
Kenntniß, zur Prüfung,
zur Zusammenstellung zur Verarbeitung
sammeln, also sowohl
Naturprodukte, als
Selbstprodukte. Daher /
[5]
dünkt
mich die Anlegung von
Naturalien und
Modellsammlungen,
so unbedeutend
vielleicht an sich, doch gar sehr im Geiste und lnteresse
einer
Waisenanstalt zu liegen. Die Wirkungen davon und daraus
hervorgehenden Verknüpfungen werden sich weiter unten im
Fort-
gange der Entwickelung des Ganzen zeigen.
Da ferner
Spiele, Bewegungsspiele und geordnete d.i. den ganzen
Menschen
in Anspruch nehmende Körperübungen (Turnen)
wesentliche Theile
und Mittel tüchtiger Erziehung für jeden Beruf, selbst
zur
vollkommneren Erfüllung der Bürgerpflichten besonders in
einem
Freistaate sind, so bedarf auch weiter noch die Waisenanstalt
den gehörigen Grund und Boden zu den dazu nöthigen Plätzen.
Zu diesen Zwecken: - Gärten und Spielhof nun würde alles Land
der Gärten hinter dem Waisenhause nöthig, aber auch zunächst
wenigstens
genug seyn, indem Burgdorf wie ich hörte, schon einen
öffentlichen Turn-
platz besitzt, an welchem auch die Zöglinge
der Waisenanstalt, wie mir
von Ihnen angedeutet wurde, mit
Antheil nehmen könnten. Dieß würde
günstige Veranlassung geben
eine mehrseitig verzweigte Turngemein-
de zu bilden; welcher
Gedanke weiter unten wieder aufgenommen
werden wird.
Sollten vielleicht durch die innere Erweiterung der Anstalt, die
inner-
halb des Gebäudes jetzt zu Handarbeiten bestimmten Zimmer
später
anderwärts nothwendig gebraucht werden, so würde dann auf
diesem
Spielhofe auch noch ein Gebäudchen besonders zu
Handarbeiten: Tischlern,
Drechseln u.s.w. anzulegen seyn.
Der Bildungskreis und das Unterrichtsziel für die Zöglinge des
Waisenhauses würde im Allgemeinen das einfache bürgerliche
Gewerbe und Leben seyn. Für die tüchtigsten, gewandtesten und
dabei zugleich sittenreinsten Zöglinge noch der Schullehrerberuf
-
bei Selbstbestimmung dafür, mit eingeschlossen. Dieß, so wie
überhaupt alles ins Einzelne gehende, bestimmt sich jedoch
leicht, nachdem
die eigentliche Stellung des Waisenhauses genau
festgesetzt seyn
wird; denn die Waisenanstalt, wie dieß auch
schon ausgesprochen
worden ist, läßt mehrseitige Verknüpfungen
zu. /
[5R]
Zunächst bietet sich zur Betrachtung
dar
II. Verknüpfung der Waisenanstalt nach der Stadt hin.
A.
Wenn die Entwickelung der Anstalt, die Erziehweise derselben
bei
Eltern der Stadt Anerkenntniß fände, so könnten im Fall es
die
bestehenden Schulgesetze der Stadt erlauben, in soweit als es die
Ausbildung der Unterrichtszweige, die Lehrkräfte, das erziehende
Leben und vor allem aber der häusliche Raum der Anstalt möglich
machen, auch noch einige Kinder aus der Stadt, gleichsam wie
Halb-
zöglinge an der Erziehung und dem Unterrichte in der
Waisenan-
stalt Antheil nehmen, wo sie denn hier vom Morgen bis
Abend
(-die Zeit wo sie des Essens halber zu Hause sein müßten,
abgerech-
net) - unter erziehender Aufsicht wären.
Meine
Überzeugung und Ansicht ist überhaupt die, daß zwar
alle Lehr-
besonders Erziehungsanstalten völlig geschlossen in sich, aber in
innerem Wechselverkehre mit dem Leben dastehen müssen; wenn
nämlich
allem zuvor die Erziehungsanstalten moralisch, geistig
und thatkräftig
so stark in sich dastehen, daß sie auch das
Leben mit sich empor zu heben im
Stande sind. [Im Brieforiginal
fehlt der folgende Satz: Dieses mit sich
Emporheben des
allgemeinen Volkslebens muß aber einer der Hauptzwecke
größerer
Volksunternehmen seyn.]
Die Waisenerziehung hat überdieß noch
darin große Wichtigkeit
in meinen Augen: - Waisen sind Kinder
des Staates oder der Gemeinde
(Commune). Ein Vater hat das Recht
von seinen Kindern zu fordern
daß sie tüchtig werden; dadurch
daß sie diese ursprüngliche, tiefgegründete
Forderung erfüllen,
werden sie eigentlich erst seine Kinder im höhern
Sinne; so hat
darum auch der Staat, die Gemeinde welche für die Erziehung
ihrer Waisen nach ihrer besten Überzeugung Sorge trägt; das
Recht von
diesen zu fordern, daß sie tüchtig werden. Dieses
Recht und der Gebrauch
dieses Rechtes, dünkt mich nun ist für
den Staat von ganz ungemeiner,
ich möchte mit dem größten
Bedachte sagen, von unberechenbarer
Wichtigkeit, ist aber bisher
in dem öffentlichen Erziehungswesen noch
gar nicht benutzt
worden. Die Waisen müssen darum menschlich
so tüchtig als
möglich erzogen werden, damit die andern Eltern
thatsächlich
sehen, wohin eigentlich eine den Menschen ganz angemessene
Erziehung führe, damit sie dadurch zur Nacheiferung gereizt
werden /
[6]
und sich am Ende sagen: - sollen die Waisen,
die Armen zweckmäßiger und
darum tüchtiger erzogen werden als
unsere eigenen Kindern ?! -
Dadurch dünkt mich nun und so könnte,
ich möchte fast sagen müßte die
Waisenanstalt wesentlich
vortheilhaft auf das Erziehungswesen der
Stadt einwirken.
B. Da in dieser Anstalt zur Hälfte Mädchen mit erzogen werden
sollen, da diese Mädchen doch später für längere Zeit in
Familien
in Dienste werden treten müssen, und da man doch jungen
Dienst-
mädchen sehr häufig die kleineren, noch nicht
schulfähigen Kinder der
Familien zur Aufsicht übergiebt; so
könnte zur Bildung der Mädchen
für diesen Beruf der
Kinderbeaufsichtigung und Beschäftigung und
zugleich zum Gewinn
für die Stadt, mit der Waisenerziehungsanstalt
eine
Kinder- Spiel- und Beschäftigungsanstalt
für solche Kinder,
welche schon ganz selbständig laufen können,
aber noch nicht schulfähig
sind, in Verbindung gebracht werden;
( wäre es auch wirklich
Anfangs nur während einiger Stunden des
Tages und für die
wenigen Familien, welche für ihre Kinder
dieses Alters Vertrau-
en dazu hätten. ) Dieß Mittel wäre
vielleicht noch ein- und durch-
greifender als das unter A.
erwähnte, weil es größere und
allgemeinere Theilnahme
gestattete, um frühe in die Jugend der
Stadt einen bessern Geist
der Kindererziehung zu bringen;
überhaupt um nach und nach in
immer größerer Ausdehnung dem
Gedanken Eingang zu verschaffen,
daß auch schon die Art der früheren
Erziehung für das einzelne
Familienleben sowohl, als auch für
das Allgemeine und
öffentliche von wesentlicher Wichtigkeit sey.
Dazu kommt daß die
Eltern die Kinder, sonderbar genug, gerade in dem Alter
wo in
ihrer Erziehung am meisten verdorben werden kann, ge-
wöhnlich am
liebsten von sich lassen, wenigstens von sich geben; diesen
Umstand dünkt mich müßte die öffentliche Erziehung bei weitem
mehr
benutzen als es noch bisher geschehen ist. Bei dieser
Gelegenheit bitte
ich zu beachten, wie das hier von Einem
Grundsatz und
Gedankendurchgeführte Erziehungsganze
sämtliche Bedürfnisse der öffent-
lichen und häuslichen Erziehung
ergreift, sie aber auch von diesem einen /
[6R]
Gedanken
aus entweder hebt, oder ihnen Befriedigung giebt.
Zur
Ausführung des vorstehenden Vorschlages ließe sich für den
Anfang vielleicht einer der disponibeln Plätze dem Waisenhause
gegenüber verwenden, wenn diese Plätze sonst in Folge der, wegen
des
Vorschlages zu treffenden Einrichtungen dazu zweckmäßig
wären.
III. Verknüpfung des
Waisenhauses, der Waisenanstalt mIt dem
Lande.
Wie die soeben angegebenen Verknüpfungen dieser
Anstalt, durch
ihr förderliches Eingreifen in das eigentliche
Erziehungswesen der
Stadt auch zum äußeren freudigen Bestehen
der Anstalt gewiß
wesentlich wirksam seyn würde, so würde diese
Verknüpfung der
Anstalt mit dem Lande, besonders für die innere
Ausbildung und
Vervollkommnung der Anstalt, für das eigentliche
erziehende Leben,
für die vorbildliche erziehende Wirksamkeit
derselben wichtig seyn.
Diese Verknüpfung der Waisenanstalt
würde durch die Ausführung
einer mit ihr in Verbindung stehenden
Armenerziehungsanstalt
geschehen.
Meine Grundsätze und Ansichten über die Begründung von
Armenerziehungsanstalten habe ich schon mehrfach bearbeitet
zur Prüfung nach dem Canton Bern mitgetheilt, so auch schon
bestimmte
Grundlinien zur Errichtung
einer Kantonal- Muster- Armen-
erziehungsanstalt an das Präsidium
des Commité für christliche
Volksbildung im Kanton Bern. Da nun
aber die Grundsätze
jeder Armenerziehungsanstalt immer dieselben
nothwendig
seyn müssen, nur ihre Ausdehnung bei den
verschiedenen Arten
derselben verschieden ist, so werde ich den
Plan zu einer Kantonal- Muster-
Armenerziehungsanstalt, die eben
erwähnten Grundlinien
hier
abschriftlich beilegen; woraus sich alles Einzelne auch für diesen
Zweck selbst ergeben wird.
Diese Armenerziehungsanstalt
nun, - welche zwar in Hinsicht ihres
Häuslichen und
Finanziellen, überhaupt rücksichtlich ihres besonderen Zweckes,
völlig selbständig in sich, jedoch in ihrem allgemein
volksthümlichen Erzieh-
ungszweck innig mit der Waisenanstalt
verbunden wäre, so daß sich beide
Anstalten zu größerer
Verbreitung gründlicher und lebenvoller Volksbildung /
[7]
wechselseitig die Hand reichten – könnte wohl leicht auf einem
von den meh-
reren der Commune Burgdorf zugehörigen Bauernhöfen
in mäßiger Ent-
fernung von der Stadt ausgeführt werden, wozu es
wohl bei dem im Kanton
sich regenden Eifer für Armenerziehung
nicht an nöthiger Unterstützung im
Bezirke Burgdorf fehlen
würde.
Diese Erziehungsanstalt habe nun zwar wie ihren
eigenthümlichen Zweck,
so ihr selbständiges Bestehen und
Hauswesen in sich und so auch ihren eigenen
Hausvater und Leiter
u.s.w. aber, wie schon vorhin ausgesprochen durch den
volksthümlichen Geist und allgemeinen Zweck durch den höhern
Grundgedan-
ken und die Erziehungsgrundsätze sey sie Tochter-
oder mindestens Schwester-
anstalt des Waisenhauses; damit auch
dadurch dem Gedanken im Volke Eingang
verschafft, er wenigstens
anschaubar erscheine und so endlich allgemeiner
geweckt werde:
-alles Erziehungsleben eines Freistaates ist, obgleich in
sehr
vergrößertem Maßstabe, dennoch ein einiges einträchtiges
Fami-
lienleben; wo aber Eintracht und Einigung ist, da ist Liebe
und wo ächte
Liebe ist da ist - Freiheit; daß man einsehe daß
durch solche Erzieh-
ung Eintracht und Einigkeit, die Stützen
jedes ächten Freistaates frühe
gelehrt und gegeben: in dem
häuslichen und Familienleben und so im
Volke einheimisch werden;
daß man durch die That und an ihren Früchten
erkenne: jede
echte, die ächte Volkserziehung ist nothwendig zugleich
ächte
christliche Volksbildung ist Erziehung und Bildung für Liebe und
Freiheit.
Der äußere Verkehr genannter beider Anstalten
bestehe hauptsächlich
darin, daß die Zöglinge des Waisenhauses
zum öfteren an den größeren
landwirtschaftlichen Arbeiten der
Armenerziehungsanstalt Antheil
nehme[n], damit sie so
Gelegenheit bekommen das ländlich freiere Leben
zum Gewinn für
ihren künftigen Lebensberuf zu benutzen, daß sie so
um-
fassendere Lebensgewandtheit und unmittelbare Erfahrungen für
ihren
einstigen Eintritt ins Leben erhalten überhaupt Geschäfte
kennen und
üben und mit den ihrigen in Zusammenhang bringen
lernen, wozu ihnen
das Waisenhaus nicht unmittelbar Gelegenheit
geben könnte.
Für die Armenzöglinge ginge daraus der Vortheil
hervor, daß sie von
manchen Unterrichtsgegenständen in der
Waisenanstalt weitere Ausbildung /
[7R]
und größeren
Zusammenhang sehen könnten, und könnte dadurch wohl unter
den
Armenzöglingen hin und da ein schlummerndes Talent geweckt werden,
welches dann zu seiner Fortbildung an den
Unterrichtsgegenständen der Waisenanstalt theil-
nehmen könnte,
welche in der Armenerziehungsanstalt nicht bis zu dieser
Stufe
der Ausbildung fortgeführt würden.
Der Zweck des
Wechselverkehres dieser Anstalten nach innen ist also:
eine
durch die andere immer mehr zu vervollkommnen, eine durch die
andere immer mehr zu heben; um dieses zu erreichen muß besonders
dahin
getrachtet werden, daß die beiden Erziehungsanstalten,
wenn auch ver-
schieden in Zweck und Ziel und in davon
abhängenden Einzelheiten doch in
Klarheit, Ordnung, besonders in
Sinnigkeit und Menschlichkeit des Lebens
u.s.w. sich gegenseitig
Muster seyen. Es muß wie bei befreundeten aber
getrennt lebenden
Familien für jede ein Fest seyn, wenn sie die andere
besucht und
von der andern besucht wird. Der Hauptgewinn dieses
Wechselverkehres nach außen hin aber bleibe immer der oben
angegebene
der einträchtige und rein menschliche freie
Lebensverkehr, zwischen zwei
sonst verschiedenen Lebenskreisen;
allein keinesweges wieder bloß
einzeln und für sich allein
dastehend, sondern überhaupt vorbildlich für die
ganze Umgegend;
denn wie die Kinder das Leben der Erwachsenen gern
im Spiele und
eigenen Leben nachahmen, so wirkt auch schon das Anschau[e]n
des
frischen frohen geselligen Lebens der Kinder und Jugend wieder
erfrischend, erheiternd und so gesundend auf das Leben der
Eltern,
der Erwachsenen. Wer hat nicht den Anspruch gehört:
"Unter der Jugend
wird man wieder jung," und was ist nicht alles
gewonnen wenn das Alter
wieder – wahrhaft jung wird, wenn auch
nur im Geiste und Gemüthe.
Überhaupt soll man auch dem
Menschen das menschliche und volksthümliche
Leben was er später
achten, üben und bewahren soll, früh schon kennen
lehren ihn
achten machen und ihn üben lassen. -
Man entgegne gegen dieß
Ganze nicht: es sey zu einem solchen Lebens-
verkehr, zur
Erreichung eines solchen Lebensaustausches unstatthaft, daß
die
Anstalten, wenn auch nur mäßig, doch überhaupt schon als getrennt
angenommen würden; wenn überhaupt ein solches Wechselleben
bezweckt
werde, so würde es weit besser seyn, wenn die Anstalten
ganz geeint /
[8]
wären; Zeit, Kraft und Aufwand
mannigfacher Art werde dadurch erspart.
Aber die Gesondertheit
innerhalb gewisser Grenzen und bei Einigung in
einer höheren
Beziehung erzeugt immer Neues und bringt so Wechsel,
und das
Leben soll sich innerhalb seines Lebenskreises immer aus und in
sich erneuern; darum liebt der Mensch überhaupt innerhalb
bestimmter
Grenzen den Wechsel; was er unter einer Form immer
hat und was sich nicht
gleichsam in sich selbst immer wieder
erneuert, achtet und benutzt er selten zu seiner
Bildung seiner
Erhebung, so auch die bleibende Nähe seiner Genossen nicht.
Im
Gegentheil sehen wir auf der Stufe der Erziehung [:] durch das zu
enge Zu-
sammendrängen verschiedener Anstalten entsteht nach
einer Seite hin Er-
schlaffung, nach der andern Seite hin
Reibung.
Erschlaffung, Spaltungen und Reibungen können
überhaupt in einem
größeren erziehenden Leben und Unternehmen
nur vermieden,
und dagegen stets reges, freies, strebendes Leben
nur dadurch unverkürzt erhal-
ten werden, daß man sich durchweg
bemühet im Einzelnen und Allgemeinen
für jede Erscheinung und
Verschiedenheit den nothwendigen inneren
Grund aufzusuchen und
erkennen zu machen; also in und bei der Erziehung
und dem
Unterrichte von des Lebens nothwendiger Einheit ausgeht, alles in
derselben
anschauet und darauf zurück bezieht, überhaupt im
Ganzen ein höherer einen-
der Geist lebe. Welches der
Grundcharakter des hier aufgestellten Erziehungs-
kreises ist.
Zur weiteren frühen Anbahnung eines späteren so einigen
als
freien Lebensverkehres müssen darum auch die Knaben der
Armener-
ziehungsanstalt wöchentlich wenigstens ein bis zweimal
an den Turn-
übungen auf dem allgemeinen Turnplatz Antheil
nehmen. So ließen
sich dann immer mehr im Geiste des ächten
Volkslebens größere Turnge-
meinden bilden, um so nach allen
Seiten hin frühe einen regen, frischen,
sich verstehenden und so
wahrhaft einträchtigen Lebensverband zu bewirken.
Würden sich
nun so die Grundsätze auf welchen diese Erziehungsunternehmung
beruht als wahrhaft menschwürdig, volksthümlich und den
Lebensforder-
ungen entsprechend im Leben selbst bewähren, so
ließe sich - wie die
beiden Anstalten schon an und für sich im
Allgemeinen Vorbildungsschulen
für den erziehenden Lehrerberuf
wären - mit denselben noch besonders
IV. Zur Verknüpfung
mit dem Schullehrerstande /
[8R]
eine Fortbildungsanstalt
für schon angestellte Schullehrer
verbinden, in welcher sie
während einiger Zeit im Jahre den dazu ge-
eigneten Unterricht
erhielten.
Das Schloßgebäude zu Burgdorf zeigte vielleicht
dazu eine günstige
Gelegenheit. Diese bloße Andeutung hierfür
mag genügen, da
die Sache ganz für sich sprechen würde, indem
hier der Wortunterricht der
Lehrer sogleich an den
Erziehungsanstalten durch Sach- und Lebensanschau-
ung erläutert
und bestätigt würde. An den allgemeinen Turnübungen
müßten diese
Schullehrer auch ganz namentlich nach Maaßgabe ihrer
Kör-
pergewandtheit noch Antheil nehmen. Während ihrer Gegenwart
in Burg-
dorf müßte wenigstens ein größeres Turnfest zugleich
durch größere
Übungsspiele und besonders durch allgemeinen
gebildeten Volksgesang
gehoben, gefeiert werden; damit endlich
wie bei den alten classischen
Völkern ein großer Lebensverband
sich über und durch das ganze Land
hinziehe.
Auch hat das
Turnen außer seiner äußerlichen Wirksamkeit auf Körper
und Geist
durch seine höhere geistige Bedeutung eine vielseitige
Wich-
tigkeit für das Leben; indem es des Menschen gesammte
Geisteskraft
in freier Körperthätigkeit allseitig entwickelt und
gleichsam anschaulich
darstellt. Das Bedürfniß nämlich, die
Lebensgesetze und ihre Wirk-
samkeit in der Lebensgestalt und
Lebensbewegung zu schauen, die höhere
innere Bedeutung des
äußeren Lebens, das Sinnbildliche ist mit dem Daseyn
des
Menschen zugleich gegeben, weil in ihm der Geist gestaltet erscheint;
deshalb muß auch in dem Leben der Jugend und des Volkes zunächst
in Spiel
und Körperübungen mehrfach wieder die innere geistige
Bedeutung
hervorgehoben werden um so das Leben der Volkstheile
und verschiedenen
Volksglieder durch das Anschaun und Wahrnehmen
Eines geistigen Lebens
in aller Mannigfaltigkeit der
Erscheinung, sich immer mehr zu einem
innig einigen kräftigen
Lebensganzen zu erheben; wie dieß das Leben
aller classischen
Staaten lehrt.
Hierin liegt der Grund warum für alle ächte und
volksthümliche Erzieh-
ung so ganz wesentlich die Beachtung des
Spieles und Turnens, die Ein-
räumung von besonderen Spiel- und
Turnplätzen für die Kinder- und Jugend- /
[9]
welt
gefordert wird. Sie fühlt am ersten und lebhaftesten [da]durch, was
sie zur Erringung ihres höheren freieren Lebensdaseyns bedarf;
wenn
sie es aber auch nicht mit Worten bezeichnen kann, so freut
sie sich innig,
wenn sie es hat; denn es ist nichts für sie so
sinnbildlich, d.h. höherer,
innerer Bedeutung fürs Leben voll -
eben wegen dem sich darin kund
thuenden Leben und Lebensgesetzen
- als Jugendspiele und hier ganz na-
mentlich das Turnen. Eine
höhere Lebensbedeutung der Spiele und des
Turnens könnte dieses
zeigen.
Aber unser eigenes Leben selbst muß überhaupt für uns
wieder höhere
innere Bedeutung bekommen, welche es für die
meisten Menschen ganz
verloren hat; diese Bedeutung aber würde
es erhalten, wenn man mehr
in dem Äußeren das Innere, in der
Gestalt das Wesen, in dem Leben
den Geist zu schauen und
darzustellen verstände; dadurch würde unser
Leben selbst
wissenschaftlicher, es würde kunstvoller würde sittlicher,
würde
wahrer und - religiöser; es würde mit einem Worte
freier werden.
Würden nun so immer weiter die
Grundsätze dieser Erziehungs-
und Lehrweise Jedem offenkundig
zur Prüfung im eigenen und im
Fremdleben vorliegen und würden
sie sich darin immer mehr so
volksthümlich wie wahr beurkunden
und dadurch eine weitergreifende
Theilnahme in der näheren und
ferneren Umgegend, vielleicht in
einem größeren Theile des
Kantons oder sogar über denselben in anderen
Theilen deutscher
Schweiz bewirkt werden, so ließe sich, wenn sich die
nöthigen
Fonds zur Begründung und Ausführung, zur
V. Verknüpfung mit
der ganzen Umgegend, mit dem ganzen Kanton und
selbst mit der
Schweiz
eine in ihrem Erziehungs- und Lehrzweck umfassende
allgemeine Erziehungsanstalt
unternehmen.
Auch von
dieser Anstalt aus wäre zugleich wieder eine nähere
und engere
Verknüpfung mit der nahen Stadt; indem sich für die
vor-
gebildeten Söhne der Bürger hier weitere Bildungsmittel
fänden,
denen gleich welche sonst nach der
Gewerbs- und Geschäftsseite hin in der /
[9R]
sogenannten
polytechnischen
Schule, nach der
wissenschaftlichen
Seite in den
Gymnasien und nach der
Kunstseite hin in den
Kunstschulen, nach den verschiedenen Richtungen
der Kunst gegeben werden.
Diese allgemeine Erziehungsanstalt,
darum Erziehungsanstalt im
weiteren Sinne und Umfange, hat zwar
ganz dieseIben vier be-
gründenden Elemente wie die Waisen- und
die Armenerziehung; nur
dem menschlichen Geiste durch
Nachdenken, Vergleichen und Urtheilen durch-
schaubarer und
einsichtiger, dem menschlichen Gemüthe fühl- und wahrnehm-
barer
und darum dem Leben eines vernehmenden und verstehenden
Wesens,
dem vernünftigen und verständigen Menschen näher ge-
bracht, zu
klärerer Erreichung und sicherer Festhaltung seiner Be-
stimmung
in sich und außer sich.
Aber keines der vier angegebenen
Elemente wird darum auch hier getrennt
voneinander und noch
weniger als fremd einander gegenüber betrachtet,
sondern sie
werden zur Erringung des vorgesteckten großen Zieles
auch als
Ein großes Lebensganzes aufgefaßt und dargestellt. So wird
hier
auch ganz besonders die Kenntniß der Natur, in welcher sich dieses
Lebganze so vollkommen ausspricht, deshalb erweitert; es wird
sich darum
bemühet die Natur in ihrem Zusammenhange, wie in
ihrer Glie-
derung, so in ihrem Wirken und Leben zu erfassen, in
ihren ewigen
Gesetzen zu erkennen; hier vor allem auch da, wo
sich alles Leben
in völliger Freiheit und doch in stiller
ruhiger Offenbarung der Be-
achtung kund thut, in dem Reiche der
Pflanzenwelt. Darum ist auch für
diese Anstalt die Pflege der
Gewächse zur Kenntniß ihres belehrenden
Lebens sowohl, als
besonders zur Erkenntniß ihres Zusammenhanges
unter sich,
vorzüglich wichtig. Und so gehört denn auch zu dieser Anstalt
ein Garten in welchem aber die Gewächse nicht sowohl um ihres
Nutzens, sondern zur Beachtung ihres Lebens, um ihrer sie
durchschau-
enden höhern Kenntniß willen gepflegt werden.
Die Naturkunde bezweckt hier die Einsicht in die ewigen Gesetze
der Natur und deren Anwendung aufs Leben besonders zur Klärung
desselben nach jeder Seite hin, zur Erringung höherer
Lebenswahrheit
und so ächter Lebensfreiheit. Darum ist die
Naturkunde hier /
[10]
nicht blos nur noch Kenntniß der
Einzelheiten und ihrer äußerlichen Zusammen-
stellung; sondern
sie wird hier in Beziehung auf das Hervorheben ihrer
inneren
durchgreifenden Gesetzmäßigkeit, und - da man Mathematik
die
Wissenschaft der Gesetzmäßigkeit nennen kann - geleitet durch
mathe-
matische Anschauungen betrachtet.
So nun, durch das
Leben der Erziehungsanstalten in der Natur und mit der
Natur,
ihrer Betrachtung und ihrer Kunde, zeigt sich sowohl von Seiten
des Waisenhauses, als der Armenerziehungsanstalt, als besonders
auch von Seiten dieser allgemeinen Erziehungsanstalt aus:
VI. eine so einende als lebenvolle Verknüpfung mit dem gesammten
Volke,
besonders mit den Erfahreneren und Gebildeten, aber noch
frischen Geistes
und regen Lebens Strebenden im Volke; eine
Verknüpfung für die
Erfassung und Einigung des Lebens für
Wahrheit und Freiheit im Leben: -
ein freier bildender,
erhebender Lebensverkehr.
Die ächte Kenntniß der Natur ist
eines der größten Freyungs- und
Veredlungs- deshalb auch
Einigungsmittel nicht bloß des Menschen in sich,
sondern ganz
besonders auch der Menschen unter sich, darum aber auch einer
der vorzüglichsten Gegenstände eines würdigen so sinnigen als
erhebenden
Lebensgenusses; denn Sprache, Mathematik, Geschichte
und alles Vortreff-
liche schließt sich daran an.
Diese
Eigenschaften der Naturkenntniß und Naturkunde sind aber
bisher
noch keinesweges für das Volk als ein Ganzes, durch seine
ein-
zelnen Glieder als Veredlungs- und Fortbildungs- besonders
als
Einigungsmittel, als Mittel des höheren geselligen und
erhebenden
menschlichen Verkehres und Austausches beachtet und
betrachtet worden;
und so als eines der ganz wesentlichen
Elemente der Erziehung eines
freien Volkes, der Kinder eines
freien Volkes, als wesentli-
ches Element zur Erziehung für ächte
Volksfreiheit.
Dieß aber zu thun dünkt mich vor allem in einem
Freistaate für
die Bürger derselben, deren größter Reichthum ja
eben ihre, in steter
Anwendung auf das Leben sich beurkundende
Geistesbildung und
das Allgemeine derselben ist, - wichtig.
Hochwichtig ist die Verbreitung
ächter Naturkunde und
lebenvoller Naturkenntniß vor allem in einem /
[10R]
Freistaate, wo dem freien Mann und Bürger, dem freien
Menschen
überhaupt erlaubt ist, ja wo er das Recht hat nach den
in der Natur er-
kannten
Lebensgesetzen
Gottes sich nicht nur entwickeln
und ausbilden,
sondern überdieß auch - leben zu dürfen, leben zu
können –
So kann einzig das Leben des Volkes wahrhaft in sich
und außer sich gehoben
werden, wozu, soweit mir bekannt ist, die
Republik, der Kanton Bern
jetzt die förderlichsten Bedingungen
in sich vereint.
An die Kenntniß der Natur knüpft sich, oder
vielmehr geht aus ihr hervor
die Kenntniß und Kunde der Technik
und Mechanik in ihren mannigfachen
und höheren Beziehungen; auch
von ihr läßt sich, wenn auch von einer etwas
andern, erst
vermittelten Seite der Betrachtung aus, Ähnliches wie von der
Natur sagen; doch gehört die Ausführung davon nicht weiter
hierher.
Es ist mir darum gar sehr erfreulich gewesen die
Ahnung von allem
diesem, die Andeutung dazu in der Anlage des
Burgdorfer Waisenhauses
zu finden: in den Räumen für
Naturaliensammlung, für Modelle
und Bücherei. Doch dürfen weder
die Natur noch des Zöglings eigene Hand-
erzeugnisse, noch die
Bücher dem Menschen nur todt in die Hände gegeben
werden. Zu
dieser Belebung durch Wort und Mittheilung die ich hierbei
im
Sinn habe ist nun, wie im Waisenhause und für den Winter der Saal
so für den Frühling und Sommer der Garten an der allgemeinen
höheren Erziehungsanstalt.
Ich meine nämlich so: - eine
Naturaliensammlung soll nicht als ein
Mosaik von Raritäten und
Curiosen aufgestellt und mannigmal
wie eingewundene und
balsamirte Mumien Schaulustigen gezeigt werden,
sondern alles
soll aus den Schränken und von den Gestellen herab und belebend
ins Leben steigen; nämlich während des Winters sollen
wöchentlich einige
Stunden z.B. am Sonntage Nachmittags bestimmt
werden um zuför-
derst Irden (: Mineralien, Steine :) in
Beziehung auf die darin ruhenden
besondern und allgemeinen
Gesetze und inneren Lebenszusammenhang
auch äußerlich so
zusammen zu stellen, so daß sich das in ihnen ruhende Leben
schon aus der äußeren Zusammenstellung, also durch die bloße
vergleichende
Anschauung ausspricht, doch soll dann dasjenige
was sich schon aus dieser verglei-
chenden Zusammenstellung
ergiebt, noch besonders durchs Wort belebt werden. -/
[11]
Der Zutritt zu solchen Mittheilungen stehe jedem aus dem
Volke, nach den aus
der Sache selbst hervorgehenden Bestimmungen
– so weit es natürlich der
Raum gestatten würde, - frei. Doch
auch diese Betrachtungen sollen schon als
Naturbetrachtungen,
noch weniger als äußerliche, sogenannte Naturgeschichte
allein
stehen; finden sich z.B. von den Naturgesetzen aus Analogien in den
menschlichen
Lebensgesetzen, so sollen diese aufgesucht und
letztere durch die ersteren geklärt d.h.
aufgeheitert werden, so
daß das Leben selbst in seiner Gesetzmäßigkeit und so
in seiner
Wahrheit wie in seiner Freiheit erkannt und gelebt werde, so endlich
erst im Kleinsten, Kleinen, dann im Großen und Größten des
Lebens Irren
und Wirren schwinden; erst im eigenen, dann im
häuslichen und endlich im
öffentlichen Leben damit auch die
menschlichen Lebensgesetze selbst werden was
sie sollen, der
Ausdruck göttlicher Natur- und Lebgesetze. -
In Ruhe und mit
Ruhe muß zwar alles beginnen aber keinesweges
darin beharren.
Der Frühling ruft in die freie Natur. Was im Winter
im Saale bei
der Betrachtung der Irden, bei deren Festgestalten begonnen,
soll im Frühling und Sommer im dafür geordneten Garten der
allgemeinen
Erziehungsanstalt seine Fortsetzung erhalten. Auch
hier soll wieder den
Erscheinungen der Lebgestalten durch das
erklärende Wort höhere Deutung
und Sprache gegeben werden. Der
Garten soll zwar Jeden, der Bildung
und Belehrung, oder auch nur
reinere Freuden durch Anschauung des klaren
Naturlebens sucht,
öfter offen stehen; aber an einem bestimmten Tage
in der Woche
sollen durchs Wort erläuterte Zusammenstellungen vorge-
führt
werden, welche sich an die Mittheilungen im Winter anschließen,
diese verallgemeinern und so im Leben weiter ihre höhere
Bedeutung
bekommen. Die Gegenstände der Natur, besonders die in
Ruhe und still-
lebigen sollen dem Menschen auf seinem oft
mühevollen Lebenswege
wieder als freundIiche Genien erhebend
stärkend u.s.w. zur Seite gehen.
Was hier im Allgemeinen von
der Naturbetrachtung ausgesprochen
wurde, soll für den
Gewerbsmann besonders durch das geschehen was die
Waisenanstalt
in ihrer Modellstube, die Armenerziehungsanstalt in
ihrem Zimmer
für Handfleiß aufstellt. So wenig und unbedeutend nun
beides an
sich auch immer sey, so soll der Mensch im Kleinen das Große und
wenigstens den Gebrauch und die Bedeutung, die Richtungen und
den Zusammen- /
[11R]
hang, die Gesetze und die
Bestimmung seiner schaffenden Kraft wahrnehmen.
Die durch
alles dieß nun geweckte Selbstwürdigung und Selbsthaltung im
Volke, im Einzelnen wie im Ganzen, die dadurch im Volke und im
Einzelnen
geweckte Achtung der Bildung an sich und der höheren
Bil-
dung insbesondere wird nun auch im Volke das Bedürfniß
dieser höheren
Bildung für sich und für die Einzelnen im Volke
wecken: - das Bedürfniß
einer Anstalt, einer Hochschule welche
dieselbe reicht. Sie wird aber
nicht allen das Bedürfniß
derselben wecken, sondern, wenn sie da ist, wird
diese im Volke
verbreitete Achtung höherer Bildung auch wesentlich für den,
an
den besten Früchten reichen Besuch durch strebende, dafür
vorgebildete
geistreiche Jünglinge aus dem Volke wirken.
So nun zuletzt dadurch
VII. Verknüpfung dieser Anstalten
mit der höhern Wissenschaft und Bildung
in welcher Lehre mit
Natur und Leben im Einklange erscheint, wo die
Wissenschaft
ihren wichtigsten Beruf erfüllt aber auch ihren höchsten
Triumph
feiert in der Freiung des Menschen, des Volkes,
der
Völker; denn wer frei ist, sey es Wissenschaft oder Mensch
oder
Volk, soll auch dafür wirken daß Andere und endlich Alle
frei werden;
überdieß werden wir selbst und jedes Einzelne wird
nur wahrhaft
frei, indem wir für Freimachung Aller arbeiten.
Zu dieser doppelten Freimachung soll ächte Volkserziehung, soll
die
Volkserziehung als Ganzes führen.
Wie nun aber ein so
und dafür erzogenes Volk die größte Freiheit
und die größte
Achtung sich in sich und unter sich erringen und bewahren wird,
so wird auch ein solches Volk sich Freiheit und Achtung nach
Außen hin zu er-
ringen und zu bewahren wissen.
Sie aber
wird ihm werden ohne viel Sorgen und Mühen, denn wer zur
Freiung
aller nicht nur Hand sondern Kopf und Herz bietet der wird
auch
in seiner Freiheit nicht nur von den Händen, sondern von dem Geiste
und Gemüthe aller geschützt werden. Es wird sie sich bewahren
diese Freiheit
und Achtung nach Außen, durch sein freies, innig
einiges, ewiges Ver-
bundenseyn in sich und unter sich. Aber! nur
Freyes kann Freyes
frei einigen, nur Ewiges kann Ewiges ewig
binden. - /
[12]
Nur der freie Gottesgeist in Natur,
Geschichte und Leben kann freie
göttliche Geister in ihrem
irdischen Erscheinen, kann Menschen, die als
solche ihn
mindestens in sich ahnen, auf Erden schon in Freiheit und
für
Freiheit ewig binden. –
*