Willisau am 6en
Novemb[e]r 1834.
Euch
allen Gottes Gruß zuvor.
Da nun endlich die
seit Jahr und Tag fast, begonnenen Entwickelungen unseres hiesigen
Lebens, wenigstens
nach einer Seite hin, mit klarer
Bestimmtheit gestaltet hervorgetreten sind: so komme ich hiermit Euch
dieselben
so wohl ihrem Wesen und Erscheinen, als auch ihren
Forderungen nach, zur Prüfung, als auch wenn Ihr
beydes unserm
Gesammtlebenszwecke angemessen finden solltet, zur bestimmten
Mitwirkung vor-
zulegen. Verflossenen Sonntag und Montag war ich
in Burgdorf und der Vertrag zur Übernahme
der Leit- und Führung
des Waisenhauses ist nun, wie Ihr ihn kennt, gegenseitig zwischen mir
und dem
Burgerrathe oder vielmehr durch denselben, mit der
Burgergemeinde, besonders nach meinem Wunsche
vorläufig auf ein
Jahr förmlich abgeschlossen worden. Dadurch, daß auf eine Entfernung
von 6 – 7 Stunden Fußweges
und einen Postenlauf von Burgdorf
nach Bern, von da nach Luzern und von da zurück nach Willisau
das, den Vertrag abschließende Schreiben verloren gegangen,
mindestens mir nicht zugekommen
ist (: welches Schreiben jedoch
am 21 7br schon an mich abgesandt seyn soll :) – dadurch hat sich die
Ent-
scheidung bis jetzt fast 6 Wochen hinaus geschoben, ohne daß
einer von beyden Theilen, weder
ich noch der Burgerrath sich
dieß gegenseitige Stillschweigen und die dadurch entstandene
Zögerung erklären konnten; so wenig wie wir uns beyde noch
erklären können was mit
dem Briefe Schreiben geworden und wohin
er es gekommen ist. Dieß hat ganz wesentlich, sowohl auf die innere
Entwickelung als die äußere Gestaltung des Ganzen eingewirkt,
was Ihr Euch leicht sagen könnet.
Ihr wißt zuerst, daß dort so
wohl für den Hausvater ein Gehülfe, als für die Hausmutter eine
Gehülfin so bestimmt als nöthig ist.
Durch die Unbestimmtheit
der Entwicklung, in welcher das Ganze mir und uns allen vorlag,
konnte ich in dieser Hinsicht keine
der angeknüpften
Verbindungen abschließen, mußte sie vielmehr ganz in den Hintergrund
treten lassen. Dagegen
gewann die hiesige Anstalt sehr an
innerer Ausbildung und Festigkeit, indem nicht nur
Langethal und ich, während
die-
ses Winters wenigstens, noch beyde hier zu bleiben schienen,
als auch dadurch, daß noch ein Lehrer - ein erfahrener
und
kenntnißreicher junger Mann, so erwarten wir - als Lehrer der
französischen Sprache, – (aus der Nähe Yverdons)
hier angestellt
wurde, welcher gegen Ende dieses Monats hier eintreten wird. Dadurch
hat man sich mehr und mehr,
und ich möchte sagen mehr noch als
bisher (: ohngeachtet einzelner trennender Erscheinungen) als ein
Ganzes finden fühlen und
achten lernen. Meine Frau ist wegen
ihrer häufigen Körperschwäche, aus der unmittelbaren Führung des
Hauses heraus-
getreten;
Frau
Langethal und
Luise
Frankenberg besorgen einzeln abwechselnd die Küche und das
äußere Hauswesen, und es
geht damit recht gut; die Luise
Frankenberg ist endlich körperlich und thätig also auch in Hinsicht
auf praktische Gesinnung
erstarkt, was wohl ohne eine so strenge
Schule, als sie hier durchgehen mußte, schwerlich geschehen seyn
würde. Freylich stehen
ihr sowohl meine Frau, als auch besonders
die Frau Langethal stützend an der Seite, was nicht übersehen werden
darf.
Unsere Übersiedelung <-> nach Burgdorf wird nach
den vorliegenden bestimmten Forderungen in der letzten
Hälfte
des kommenden Monats zwischen den 15 und letzten Decbr geschehen. –
Weil mir und uns, wegen der so eben
angegebenen Umstände, nun
nicht möglich wurde, zunächst die Verbindung mit einer Gehülfin der
Hausfrau abzuschließen, so hat sich mir
ganz unerwartet Frau
Langethal frey aus sich erklärt, daß sie mit meiner Frau als ihre
Gehülfin nach Burgdorf gehen
wolle. So unvorhergesehen und
ungeahnet mir diese Erklärung kam so konnte ich ihr doch meine
völlige Beystimmung
nicht versagen und kann es um so weniger, je
mehr und vollständiger sich das Ganze nach jeder Seite
entwik-
kelt. Denn umgekehrt könnte Luise Frankenberg diese
Stelle nicht einnehmen; einmal weil sie in ihrem Betragen noch
gar zu unbestimmt und doch gern bestimmend rc ist, also leicht
Blösen giebt; auch besonders in den weiblichen Arbeiten
(: als
eine frühe mutterlose Waise :) noch gar zu unerfahren, mindestens
ungewandt ist um Führerin von Mädchen bis
zu 15- 16 Jahren seyn
zu können, überdieß einer Anzahl von vielleicht 10 –12 (jetzt 8) von
verschiedenen Alter.
So sehr nun auch die Führung der zu
errichtenden Armenerziehungsanstalt in Bättwyl bey Burgdorf durch
Langethal wegen entgegengesetz-
ter und sich sehr bestimmt
entgegensetzender Ansicht in Unbestimmtheit für jetzt zurück tritt,
so halte ich es doch für wesentlich gut, wenn die
Frau Langethal
die sich jetzt darbiethende Gelegenheit benutzt, sich mit den
Landessitten Berns in Beziehung auf die Führung der
Hauswirth-
schaft bekannt zu machen, es auch überhaupt, bey den
schwankenden mindestens schwächlichen Gesundheitsumständen meiner
Frau wesentlich ist, daß
ihre Gehülfin im Stande ist, die
gesammten Hausmütterlichen Pflichten nicht nur zu übernehmen sondern
auch zu übernehmen erfüllen.
Was
alles durch die mir ganz unerwartete Erklärung der Frau Langethal
sich nun so leicht als bestimmt ergiebt.
Dazu kommt noch ein
ganz anderer, fast noch wichtigerer Punkt: - Wenn es überhaupt
möglich ist, daß zur Aus- und Durchführung meines
nun unseres
gemeinsamen erziehenden Strebens, uns
rein ein Verhältniß ein Punkt von
außen gegeben werden kann,
und nicht
am Ende von mir oder uns noch, unter günstigeren natürlichen und
menschheitlichen Lagen und Verhältnissen, ein
zweytes Keilhau
mit gesteigerten Eigenschaften, zu jener klaren und lebensvollen
Durchführung, gegründet werden muß,
oder, was gleich ist, unser
jetziges, altes Keilhau verjüngt aufersteht; wenn, sage ich, das
erste überhaupt möglich ist, so
ist die Übernahme der Leitung
und Führung des Burgdorfer Waisenhauses dazu die entsprechendste
Gelegenheit. Genug, um so mehr
und gewisser Langethals Leitung
einer Armenerziehungsanstalt im Bernschen, zumal in Verbindung mit
dem Waisenhause in /
[1R]
Burgdorf in Hintergrund treten
sollte, um so mehr muß große Sorgfalt auf die Erreichung des
Erziehungszweckes
in dem kleinen Punkte – Burgdorfer Waisenhaus
– gerichtet werden. - Nun ist auch in dieser Beziehung das
Zusammentreffen
der Lebensumstände wieder höchst merkwürdig. Ich
hatte mir viel Mühe gegeben, mir unter den meiner Leitung
anvertrauten
jungen Berner einige oder einen jungen Mann
herauszufinden, welcher mir in Burgdorf Gehülfe seyn könnte, weil ich
von
hieraus aus mehreren Gründen keinen Lehrenden wegnehmen
wollte. Nun aber hinderte mich die mir viel zu spät zu Gesicht
oder vielmehr zur Kenntniß gekommene Entscheidung des
Burgerrathes – mit diesen jungen Männern ein bestimmtes Verhältniß
abzuschließen sondern ich mußte sie vielmehr beym Wiederbeginne
der Winterschulen in ihre früheren Verhältnisse zurück
treten
lassen u.s.w. Dazu kommt jetzt daß
Langethals Übernahme einer Armenerziehungsanstalt
mindestens für jetzt sehr in den Hintergrund tritt. Wieder verlangen
die
mir von dem Kanton Bern anvertrauten und noch hier
gegenwärtigen 5 Schullehrer
Zöglinge nach Fortsetzung und
Beendigung des von mir begonnenen Unterrichtes. Die Sorgfalt für
diese 5 jungen Männer ist
aber für die Fortwirkung meiner und
unserer erziehenden {Wirksamkeit Bestrebungen} im Kanton Bern in
mehreren Beziehungen
wichtig, welches ich hier nicht einmal
andeuten, noch weniger ausführen kann. Genug man hält selbst von
Seite der Behörde einige dieser Männer namentlich einen
besonders urtheilsfähig. Und so wohl bey der Behörde als auch
bey der übrigen Collegenschaft der Schullehrer mag das Urtheil
dieser Männer und besonders
ihre das
Ergebniß ihrer einstigen
Prüfung besonders des einen von
Wichtigkeit seyn. Genug was meine
Pflicht
für ihre möglichste Ausbildung fordert, das fordert
auch die
Ein- und
Umsicht
in die bestehenden Verhältnisse, so wißt Ihr z.B. daß es bis jetzt
noch immer ein schwebender
Gedanke ist, daß künftiges Jahr
abermals ein Wiederholungskurs für schon angestellte Schullehrer in
Burgdorf statt
finden soll
worauf so gar auch schon in
meiner jetzigen Anstellung
Rücksicht genommen und darinn
bestimmt ist, daß, auf
den Fall meiner Wirksamkeit in einem
neuen Wieder-
holungscursus ich dann meine Stelle an dem
Waisenhaus
durch einen Lehrer von Keilhau oder Willisau aus
zu ersetzen verpflichtet sey u.s.w.
Alle diese Umstände und
Verhältnisse die Euch eigentlich sämmtlich schon hinlänglich bekannt
sind, die ich
Euch darum nur durch diese Andeutungen ins
Gedächtniß zurück
rufen wollte und die Euch entweder Barop oder
die Ihr Euch selbst aus
meinen bisherigen Briefen ausführen
(commentiren) könnet haben
mich und uns nun bestimmt dem
Gedanken von
Frau Langethal
nun weitere Ausbildung und Anwendung zu geben, so daß nun auch
bestimmt worden ist, daß auch Herr Langethal an der Stelle eines
Gehülfen mit mir
nach Burgdorf gehe oder vielmehr dort in
Burgdorf so lange meine Stelle vertrete bis ich meine Verpflichtung
gegen die hier anwesenden Schullehrerzöglinge erfüllt habe, und
weiter dann wenn die abermalige Aus-
führung eines
Wiederholungscursus in Burgdorf meine Thätigkeit ganz in Anspruch
nehmen sollte. Hierdurch ist
jedoch noch nicht Alles angedeutet
worden – kann auch keinesweges hier schriftlich alles auch nur
angedeutet werden
was auch Langethals unmittelbares persönliches
Mitwirken in Burgdorf fordert. –
Ferdinands Selbstvertrauen, Muth und Vorsatz, die
Führung der hiesigen Anstalt besonders in Hinsicht auf Unterricht und
Hauswesen nun in Verbindung mit
Franken-
berg zu übernehmen habe ich Euch schon
früh mitgetheilt und er hat diesen seinen
Entschluß auch gestern
Abend noch als ich vorstehendes in Gegenwart von Langethal mit ihm
besprach festgehalten
und mit Bestimmtheit ausgesprochen; -
allein was die Besorgung der Küche und der engeren Hauswirthschaft
durch Fran-
kenbergs Schwester, durch
Luise Frankenberg
allein betrifft, so hegt er dagegen theils
der persönlichen Eigenschaften
Luisens halber, theils wegen der
persönlichen Häkeleyen in die sie sich durch unachtsame Redereyen
gebracht hat - die
bestimmtesten Zweifel; ja, er verneint ihre
Kraft und Fähigkeit dazu ganz und gar, und meynt daß sie
nicht
auch kurze Zeit im Stande seyn würde, die beyden Mägde in Ordnung zu
erhalten und zwar besonders auch
deßhalb, weil so wohl diese,
als selbst die Kinder im Hause durchfühlten, daß sie sich die
Frankenberg durch ihre keinesweges
bösgemeynte aber unberufene
und oberflächliche Rederey nach sehr vielen Seiten hin eine zwar
stille aber um so hartnäckigere Entgegnung zugezogen habe,
welche bey jeder Gelegenheit hervortrete.
Auf diese Erklärung
hin und in Betracht dieser Gesammtverhältnisse habe ich nun dem
Ferdinand einen Vorschlag gemacht
ihn aufgefordert denselben in
sich reiflich zu überlegen, und Euch ganz offen seine Ansicht darüber
auszusprechen.
Ich will Euch nun diesen Vorschlag auch
wiederholen, und ich bitte Euch, denselben erst ruhig zu Ende zu
hören und
dann über dessen Zulässigkeit zu entscheiden. –
Die Gesammtheit der Lebensverhältnisse haben mich nach mehreren
Seiten hin in Verhältnisse gesetzt, welche ich kurz
mit einem
Worte
Vaterverhältnisse nennen will.
Gefällt Euch dieß Wort nicht, wählt ein anderes, die
Sache
ist, bezeichnet sie wie Ihr sie
am angemessen[sten] haltet. Die Erkennung dieser Pflichten, die ich
eben so wohl auch
Bruder- als
Freundespflichten nennen kann, haben sehr
früh und allgemein mein Handeln bestimmt.*
[Rand*-*] *Man könnte diese Pflichten
darum auch erkannte
Menschheitpflichten
nennen [*]
Was auch die Gegenwart
die Meynung der Gegenwart
darüber sagen mag, die Zukunft wird einst entscheiden daß ich dieser
Pflicht, diesen Pflichten
treu nachlebte, und Ihr könnet wenn
Ihr anders wollt, dieß in Euern Leben ganz nachweisen, ja Ihr habt es
gethan
und thut es in all Euern Mittheilungen an mich. Die
Festhaltung dieser Pflichten bestimmten mich nun gleich von der
Be-
gründung Wartensees an, wie ich mich auf das bestimmteste
darüber aussprach: - Der Geschwisterndrey – Ferdinand – Wilhelm- und
Elise einen eigenen sicheren Wirkungskreis nach dem ergriffenen
erziehendlehrenden
Lebensberufe zu bereiten. Ihr kennt meine
schon deßhalb an Euch oft wiederholten Vorschläge. – Jede
Pflicht- und Berufserfüllung hat aber ihre bestimmte Zeit, das
Zufrüh und das Zuspät ist gleich nachtheilig. Auch
der
Eintritt in eine gewisse
Selbstbestimmung und
Selbstthätigkeit seiner Lebensverhältnisse und
seiner Lebens-
verhältnisse in die männlichste Selbstständigkeit
hat
ihre seine feste bestimmte Zeit,
welche wir nicht verab-
säumen dürfen; kurz – das Leben muß dazu
wohl erstarkt, aber noch nicht verhärtet seyn; alle neuen
Lebensverhältnisse gehen und
müssen
nothwendig
keit durch eine gewisse
Unvollkommenheit hindurch gehen –
der Mensch muß also in jede
neue Lebensepoche und Lebensverhältnisse noch mit einer gewissen
innern
und äußern Lebensgeschmeidigkeit treten, damit ihm nicht
jede Lebensunvollkomenheit ein ver-
steinertes und versteinerndes
Hinderniß zur Aus- und Durchführung seines Lebensberufes werde.
– Kurz – Ferdinand ist 27 Jahre gewesen – ich glaube die Zeit
wie die Verhältnisse sprechen und fordern
ihn zu der
Selbstständigkeit im Handeln u Wirken, zu welcher er längst entgegen
erzogen welche, aus-
zuführen ihm die hiesige Anstalt
mit begründet wurde. Mich dünkt, wir müssen dieß alles mit
Sorg-
falt erwägen. -
Wilhelm ist nicht mehr unter uns sichtbar; aber sein
nun klarerer festerer Geist
wird uns segnend u schützend
begleiten. – Und so komme ich zunächst ohne Umschweif wiederkehrend
zu
dem Vorschlage: - sendet dem Ferdinand zur häuslichen
Unterstützung und Führung der hiesigen Anstalt
seine Schwester
Elise. – Ehe Ihr den Vorschlag
vernichtet, hört mich. Beachtet alles wie es steht.
Auch ich
habe so weit es Menschen wenigstens mir möglich ist lange, lange das
ganze erwogen und
erst nach sehr reifer Überlegung spreche ich
diesen Vorschlag aus. – /
[2]
Gar manches Gute ist
schon von vereinigten Bruder und Schwester ausgeführt worden, auch
schon manches erziehendes we-
nigstens lehrendes Wirken und von
dem hiesigen Wirken kann man ja überdieß sagen, daß es schon bestehet
und in sich und außer
sich geordnet ist. Dazu kommt in unserm
Fall, daß unsere beyden Geschwister geistes- und körperkräftig und
gesund, und ihre Anlagen für
ihren Beruf demselben mit Sorgfalt
und Vielseitigkeit entgegengebildet sind. Nun will ich freylich ganz
unumwunden sagen daß
es in dieser Verknüpfung fast noch mehr auf
die Stellung von
Elisen als auf
die von
Ferdinand ankomme; denn
so Willens- und
Thatkräftig auch wohl Ferdinand überhaupt ist,
so kann es doch Zeiten geben, wo er eine Stütze, einen Schutz, eine
Waffnung
gegen äußere Einwirkungen und gegen Forderungen von
Außen bedarf. Ohne Ferdinand dadurch wehe zu thun, werdet
ihr mich ohne Zweifel alle verstehen; es kann Veranlassungen und
Zeiten geben, wo er sich zu leicht gehen läßt und die höheren
edleren gewählteren Lebensäußerungen nicht genug würdigt. In
diesen Zeiten und Veranlassungen wäre es besonders gut, wenn
der
edlere, zartere weibliche Sinn der Schwester ihn leise leitend zur
Seite stände und ihn auch von dieser Seite seine Stellung
als
Führer einer Erziehungsanstalt, im Spiegel
des klaren weiblichen Gemüthes sehen läßt, und dieß um so mehr als
hier
die Volksmeinung eine solche zarte und sorgliche Stellung
des Volkserziehers nicht zu fordern scheint; aber auch nur
nicht
zu fordern scheint; denn der rüstige und natürliche Menschenverstand
fühlt doch am Ende die Forderung des
Rechten durch, und was sich
zu ihnen
herab ziehen läßt, stoßen sie am
Ende zurück, indem sie sich mehr an dem Andern
empor ziehen
möchten; da kostet es freylich Kraft. In so fern fordere ich also
wirklich und erwarte aber auch von ihr
wirklich noch mehr, als
von Ferdinand, denn sie hat bey einem jungfräulichen Gemüthe, sie hat
mit einem weiblichen
Gemüthe schon ein erfahrungsreicheres Leben
durchlebt, als Ferdinand, und steht so auf weiblich menschlicher
Stufe
überwiegend ausgebildeter da, als Ferdinand. Ihr habt mir
Elisen, besonders einer unter Euch hat sie mir oft als
Vestalin
als die Bewahrerin Hüterin und Pflegerin des heiligen Feuers
hingestellt. Ja! als die Hüterin und Pflegerin
des göttlichen,
heiligen Feuers, welches ich wünsche, daß [es] alle Menschen
durchglühen ihrem Leben Bedeutung und Gestalt
geben möge, und zu
dessen Anerkennung und Pflege in sich wir den Menschen erziehen
möchten; Ja als solche Hüterin und
Pflegerin wünsche, und ich
sage es nochmals erwarte ich, daß sie da stehen werde. – Warum sollte
ich es aber nicht auch
erwarten? ist sie nicht die Tochter
dieser bestimmten Eltern? - ist sie nicht die Schwester von
Albertinen u Emilien? - Ist sie
nicht die Schwägerin von Barop u
Middendorff? - Und in der ebengenannten Beziehung ist es mir
keinesweges Spiel gewesen
was ich bey der Vorführung der Sage
von den DreySchwesternbrunnen aussprach; denn ich würde mit
Felsenfestigkeit an
die Wahrheit der Worte
Herders glauben und geglaubt
haben, welche er dem weiblichen Geschlechte zuruft: -
„Sinnt und erzieht, ihr könnt es allein, die
glückliche Nachwelt.“
auch wenn ich nie im Leben einen
Beweis für die Wahrheit dieser Worte erhalten haben würde; denn diese
Wahrheit
hat tieferen Grund als irgend äußere
Lebenserfahrungen.
Vielleicht sagen einige unter Euch: - wie
kann solchen Erwartungen die einfache Elise entsprechen; eben um so
einfacher
je mehr kann sie ihnen entsprechen. Ohne Jemandem
etwas Angenehmes sagen zu wollen, denn darauf kam es mir im Leben
nie an, und noch weniger in einer so hochwichtigen Sache, als
die ich hier jetzt behandle: - Emilien dem einfachen Gemüthe
habe ich auch viel zu tragen gegeben, sie hat es ertragen und
der Seegen wird ohne Ende seyn und - Elise ist Emiliens
Schwester. Was Überdieß was so
sehr vielen so sehr schwer ist und erscheint, ist doch sehr leicht,
mindestens hat
es der Mensch ganz in seiner Gewalt, denn es ruht
in – seiner eigenen Gesinnung, seinem eigenen
Gemüthe.
Ich will es auch keineswegs läugnen, ja ich will
es vielmehr mit Bestimmtheit zugeben, daß Elise durch das hier
vorgeschla-
gene Verhältniß in eine Feuerprobe gesetzt wird;
allein wir müssen einmal alle mit Feuer getauft oder durchs
Feuer geläutert werden, wollen wir unsere Bestimmung als
Menschen möglichst vollkommen erreichen und –entweder
müssen wir
jenen Vorsatz aufgeben, oder – bey Festhaltung des Vorsatzes, müssen
wir früher oder später durch jene
Feuerprobe, durch jene
Feuertaufe hindurch und wenn sie nicht früh kommt, trifft sie später;
allein je später sie
kommt, um so schwieriger ist sie zu
ertragen.
Nach all diesen Mittheilungen muß sich also allem
zuvor Elise in sich selbst, den Zustand ihres Gemüthes, ihre
Ansprüche
an das Leben ihre Forderungen, ihre Wünsche von dem
Leben, dann - ihr inneres Verhältniß zu mir prüfen; sie
muß sich
prüfen, ob sie mit vollem offenen Vertrauen zu mir, oder mit irgend
einem versteckten leisen Hinterhalt
und Zurückhalt in ihrem
Gemüthe hierher komme. Letzteres muß ich auf das höchste nachtheilig
finden, und ich muß dann
wünschen, ja erwarten, daß sie dann
lieber in den Antrag gar nicht eingehe; denn – statt in ihr eine
Stütze, einen
Fels des Ganzen zu finden – würde ich dann
genöthigt seyn, das Ganze gegen sie in
Schutz zu nehmen, gegen nachtheilige von
ihr ausgehende
Einwirkungen zu sichern, und jemehr ich da auf das unbestimmte,
ungewisse hin handeln müßte,
um so ernster, strenger und
bestimmter müßte ich dann in meinem Handeln und Forderungen seyn.
Allein ich habe in
all diesen Hinsichten Vertrauen zu Elisen,
hätte ich es nicht, so müßte ich die Forderungen des Ganzen in
Beziehung auf Elisen zu-
rückdrängen. Wohin soll es aber mit
unsern Vorsätzen für Menschenwohl, für Menschenerziehung zu wirken
kommen,
welche innere und äußere Wahrheit haben diese Vorsätze,
wenn wir uns scheuen ihren Forderungen zu genügen
sobald dieß,
wie es hier der Fall ist, durch Festhaltung unserer Gesinnung unseres
Willens möglich ist.
Zweytens wir Menschen müssen alle, eben
als Menschen einen bestimmten Punkt ein klares Verhältniß suchen, von
wo aus
wir nicht nur unsere Bestimmung erreichen, unsern Beruf
erfüllen können, sondern wo wir es auch in Sicherheit und
Klar-
heit und für steigende Vervollkommnung können. Wo sich uns
ein solcher Punkt zeigt, müssen wir ihn festhalten, auch wenn
es
mit augenblicklicher und persönlicher großer Aufopferung und Mühe, ja
Last, verbunden schiene; denn – wir sind
der Zukunft, den
künftigen Verhältnissen und Lebensentwickelungen Rechenschaft schuldig {für die wegen der
Benutzung }für die
wegen der Beachtung der Gegenwart, der
gegenwärtigen Verhältnisse und Lebensentwickelungen.
Mit dem
Kleinsten Unbedeutendsten beginnt das Größte und Bedeutungsvollste: -
In dem ersten Blick welchen
zwey Liebende wechseln, in der Art
dieses Blickes ist einst das Schicksal des Wesens bedingt und
gegeben, welches diesem
Blicke seyn Daseyn verdankt u.s.w.
Erlaßt mir diese Nachweisung, sie ist leicht. Ein Beyspiel will ich
Euch aus der alten Geschichte
geben: Der Blick, mit welchem
Abraham die drey reisenden Männer als Gäste begrüßte, war bestimmend
für das Schicksal mehr
als eines Menschen, mehr als eines
Geschlechtes u.s.w. -
[Rand
*-*] Nur allein von diesem Punkte, dieser Lebensansicht aus
ließen und lassen sich eine Menge meiner Lebenserscheinungen und der
mit mir Verknüpften erklären z.B. Verhältnisse welche äußerliche
Rücksichten – äußerliches Begehren knüpfte, wie schnell löseten sie
sich u.s.w. [*]
Ihr sehet aus alle diesen, daß ich nicht der
unbewußten, ungeprüften
sondern der geprüften, bewußten und
festgehaltenen reinen Gesinnung vertraue. – Ich vertraue aber auch
ebenso wenig
der nur äußeren Verbindung, gehe sie nur vom äußern
Verstande, von der Klugheit, oder gehe sie von äußeren Ansichten aus;
sondern
ich vertraue nur der innern Verbindung, welche in der
Gesinnung in der gleichen Lebensansicht, in der gleichen Ansicht von
der Bestimmung, dem Berufe des Menschen ist.
Noch eines
muß ich aussprechen und der ernsten Beachtung hingeben, es ist
freylich auch das Ergebniß einer ernsten und tiefen
Lebensbetrachtung, allein jede Zeit hat wie jeder Mensch und jedes
Geschlecht, jedes Alter seinen Charakter; ihn zu erfassen und
demselben gemäß
zu leben ist ja des Betreffenden Heil, und der
Charakter unserer Zeit und unseres Lebens ist nun einmal der Ernst. –
Was ich /
[2R]
zu sagen habe ist dieß: - Wie jeder
Gegenstand u.s.w. seinen bestimmten eigenthümlichen Charakter hat, so
hat auch jeder
Gegenstand, jede Person jedes Geschlecht, jedes
Volk und jede Zeit ihre ganz eigenthümliche Bestimmung und
eigenthümlichen Beruf, sich dafür
aus sich derselben entgegen zu
bilden dieß ist eines jeden derselben Pflicht, so wie später
derselben getreu zu handeln - dieß
nun: eigenthümlichen
(persönlichen) Charakter; davon abhängende Bestimmung in Verbindung
mit der Gesammtheit der umgebenden
Lebensverhältnisse, auch Zeit
genannt; die Ausbildung für diese Bestimmung und das derselben gemäße
Handeln – dieß alles
zusammen
nennt man auch das Geschick
oder Schicksal des Menschen. So wenig nun der Mensch sich selbst,
seinen Charakter
und dessen Folgen und Wirkungen entfliehen kann
eben so wenig kann der Mensch und so ganze Familien Geschlechter
und Völker ihrem Schicksale entfliehen, und wenn der Mensch zur
bestimmten Zeit seinem Geschick und dessen Forderungen
entgehen
möchte, so tritt dieses Geschick später mit seinen Forderungen immer
härter bestimmter und scheinbar unerbitt-
licher hervor, und doch
auch immer schwieriger und schwieriger wird es diese Forderungen zu
erfüllen welche doch am Ende
erfüllt werden müssen und sollte
selbst das persönliche Leben dabey auf das Spiel gesetzt werden. –
Seht so
muß ich
täglich aus den
vorliegenden Thatsachen meiner FamilienEntwickelung die Wahrheit
lesen: - daß schon an meinen Vater
die Forderung ergieng sich
als einen Erzieher seiner Zeit und in seiner Zeit und – seine Familie
als eine erziehende zu er-
kennen und zu erziehen. Mein und unser
Vater erkannte leider weder sich, seine Stellung in der Zeit, noch
seine Familie
und deren Bestimmung und in dieser Nichterkennung
nicht Erfassung unserer
Familienbestimmung – darinn ist das Ge-
sammtschicksal der ganzen
Familie meines Vater[s], das ganze Schicksal aller seiner Kinder und
weiter hin begründet.
Was hilft es uns, nicht unsere Augen zu
eröffnen, wir werden dann als muthwillig blinde vom Schicksal
ergriffen. – Könnte etwas uns von der Ergreifung und Erfüllung
unserer Bestimmung, unseres Schicksals erlösen? –
Ich wurde
Landwirt, Jäger, Förster,
Baumeister und – mußte Erzieher werden und als
Gruner in Frankfurt zu mir dem
nie an Schulmeisterey und Erziehung gedachthabende[n] sagte: -
Fröbel sie [sc.: Sie] müssen Schulmeister Erzieher
werden, da war es
mir wie der erste Liebesgruß oder Blick
der Geliebten: eine neue Erde u ein neues Leben gieng mir auf. Gott
sey
Dank daß ich die Einigung mit der Geliebten durch alle
Irrgänge des Lebens von nun an fest hielt. –
Christian mein Bruder {mein
vielseitiger vielseitig mein} Bruder wurde Weber, Färber, Fabrikant,
Haus- und Landwirth aber wo Erziehung ihn berührte
fiel es immer
wie Funken in Zunder – er konnte dem Schicksale, der Bestimmung
unserer
Familie so wenig als ich entgehen; wir, er und ich, die
beyden am aller wenigsten dazu Vorgebildeten waren
bestimmt den
Schicksals Schluß mit unserer Familie zu erfüllen; er und ich die
praktischsten Menschen, sollten
den Charakter, der Bestimmung,
den Beruf unserer Familie erfüllen und Erzieher werden – wir konnten
dem
Schicksale nicht entgehen, die Aufgabe, die Bestimmung den
Beruf unserer Familie zu erfüllen – Erzieher zu werden.
Seht
Geliebte des Lebens Schicksale, der Menschen Schicksale im Leben sind
weit tiefer gegründet als man glaubt: - Der
Bruder wie ich sind
fast unter der Last die Bestimmung den Beruf unserer Familie zu
erfüllen erlegen; wer erlösete
uns davon: “Der Gottheit
Rathschluß ändert der Sterbliche nie, auf nachtbedeckten Pfad regiert
sie unsern
Fuß, weiß an der Abgrund Rand die Strauchelnden zu
retten; raubt Kronen schenket sie und gibt und löset Ketten.“ -
Darum ergriff es den Bruder in dem
Innersten als ich ihn den Vorschlag that sich mit mir für
Menschenerziehung zu einen
und von Osterode nach Keilhau zu
ziehen
darum, weil es in Übereinstimmung
mit dem tiefen großen Schicksals Schluß lag
gieng alles so gut
von Statten; darum achte ich
Albertine und ihr Gemüthe, darum habe ich so viel
Zutrauen zu ihr und ihrer
Schwesterschaft weil sie zum Vater aus
der Tiefe ihres Gemüthes sagte als er Wilhelm u Ferdinand von mir
holen wollte: -
[„]Laß die Kinder noch beym
Oheim.“ – Dieses Nachgehen des Bruders den einfachen Äußerungen
der Gemüthe seiner Kinder ist der
Beweis daß seine ursprüngliche
Bestimmung und Beruf eine
Menschenerziehende war. Leider trat nun nach
der
Vereinigung in Keilhau wieder eine Täuschung ein und
trennte,
die: - daß nicht Erziehung - nicht
Menscherziehung –
nicht allgemeine Menschenerziehung – das klar
erkannte und lebenvolle Lebensband zwischen uns wurde, daß
sich
mein Bruder nicht so wie ich als {bestimmten ausschließenden}
Menschenerzieher erkannte nur er mehr nach der darstellenden
schaffenden; ich mehr nach der erkennenden, wissenden Seite. –
Seht Geliebte, es befreyet weder
mich noch meinen Bruder etwas
von der Erfüllung des Schicksals Schlusses – (: welchen ich, noch
weit tiefer als oben geschehen ist, nachweisen
und beweisen
könnte :) – wir beyde sollen und müssen ihn erfüllen ob es gleich uns
immer schwieriger
und schwieriger wird, wir werden beyde älter,
jede Stunde älter, sind beyde getrennt und sollen dennoch
leisten was früher das Schicksal wo wir jünger und geeinter
waren von uns forderte – geeint und gemein-
sam Menschenerzieher,
Erzieher der Menschheit zu werden. Erklärt einander das was ich sagen
will, zu sagen
habe, durch die Geschichte der sybillischen
Bücher: es wurden deren immer weniger und die Forderung blieb sich
immer
gleich also - wurden die Bücher immer köstlicher theurer.
– So meyne ich denn - wir werden
Elisen auch
nicht von ihrem Berufe, von der
Erfüllung des Schicksals Schlusses befreyen können:
Menschenerzieherin, Bildnerin
der aufkeimenden Menschheit und
zwar in einer gewissen Selbstständigkeit zu werden und je länger wir
willkührlich eingreifen um somehr erschweren
wir ihr die
Erfüllung ihrer Bestimmung, ihres Berufes. Sagt alle ganz
unpartheyisch – denn das Wort ist leer ohne
die ihm
entsprechende Sache, sagt: wenn man mich vor 1 ½ Jahre verstanden und
dort Elisen hätte mit mir und
uns ziehen lassen statt daß ich
nach Außen hin greifen und eine Fremde in unsern
Lebenskreis bringen mußte,
sagt
– hätten wir nicht alle – alle – hätte nicht die Erfüllung unserer
Bestimmung unseres Berufes an
Klarheit
Reinheit, Unschuld, Lebensfülle und allen Schönen und Guten und
edlen Tugenden gewonnen. Noch eins habe
ich zu sagen dann
schweige ich, und ich fühle ich werde für immer über diesen
Gegenstand schweigen, wenn ich auch
jetzt wieder nicht
verstanden werden und keine innere wahre Lebenseinheit erringen
sollte.
Was ich noch zu sagen habe ist, daß ich nach den vor
mir liegenden Thatsachen dieselbe Ansicht von der
Midden-
dorffschen, und später der BaropMiddendorffschen Familie,
wie von unserer Familie hegen muß. Auch
diese Familie ist (von
Middendorff dem Vater ausgehend) eine Erziehende, aber eine
erziehende durch That
und Beyspiel dieß geht mir hervor aus dem
Betragen und den Gesinnungen der Middendorffin (der Mutter) gegen
ihren
Sohn (Wilhelm Dietrich) ganz besonders aus den Gesinnungen
und dem Betragen von dessen Schwester Maria Catharina.
Sagt
mir etwa nicht; allein warum verliehrt der Oheim so viele Worte;
jetzt sind die Umstände anders, jetzt
kann es wohl geschehen daß
Elise hinkomme, also warum der vielen Worte. Seht Ihr Theuern! an dem
Herkommen Elisens liegt mir nun eben
nicht so gar viel, denn irgend ein
Herkommen
ließe sich nun wohl bewerkstelligen
und wenn mir nur an dem
Herkommen der Elise etwas läge, so könnte
vielleicht die Zeit eintreten, daß ich
ebenso sehr das
Nichtgekommen wünschen müßte, allein mir
liegt ganz vor allem an den
Gesinnungen, den
Lebensansichten, den
Vorsätzen und
Entschließungen, den
Lebenserwartungen mit welchen Elise hierher
kommt. – Ein zweyfaches bleibt Euch jedoch noch übrig einmal: - Meynt
Ihr daß es besser sey wenn Elise mit mir nach Burgdorf gehe? – /
[3]
- Oder meyntet Ihr daß es für das Große Gesammtganze es angemessen
sey wenn Barop mit Emilie
hierher komme? - Das Zusammenleben der
beyden Knaben Wilhelm und Johannes scheint mir viel zu wichtig, wie
es sich nun einmal eingelebt hat, als es so leicht trennen zu
können und ich weiß dem Johannes hier nichts für
seinen Wilhelm
u.s.w. zu bieten. Anders wäre es wenn das Hierherkommen der
Durchgangspunkt zu einer
größeren und innigeren
Wiedervereinigung aller wäre; die Möglichkeit dazu ist nun zwar
keinesweges
benommen, allein diese etwaige Möglichkeit neigt
sich noch keinesweges zu einer einstigen und baldigen Wirklichkeit.
Jetzt handelt es sich also nun noch anzugeben wie ist der von
mir gemachte Vorschlag auszuführen? – Mich
dünkt leicht: - Der
Vater hat schon längst seinen Sohn Ferdinand einmal besuchen wollen;
- früher war
theils wegen der <Ernde> Ernte theils wegen
der Bestellung es nicht möglich nun aber ist beydes beendigt, was
noch in der Wirth-
schaft zu besorgen ist kann
Adolph Schepß unter der
Oberaufsicht von Middendorff oder Barop besorgen. – Also der Vater
besucht den Sohn was er längst wünschte, was aber nicht früher
geschehen konnte; die Tochter begleitet ihn um sich auch
ein
Wiedersehen des Bruders zu bereiten.
Vater und
Tochter kommen hierher zum Besuch. Der Vater richtet sich so ein
daß er einige Wochen hier bleiben kann. Er unterrichtet sich
selbst von allen; ja er ist für Sohn und Tochter bey Begründung
eines selbstständigen Wirkens Berather, Stütze, prüfendes Auge.
– Fände der Vater wider Vermuthen beyde
Ferdinand und
Elise könnten das gemeinsame Werk nicht ausführen,
so wäre der erste Verlust der geringste und Elise reisete mit dem
Vater zurück, oder was ich schon oben erwähnte es würde ein
Tausch gemacht: Elise gieng mit mir nach Burgdorf und
Langethal
mit seiner Frau träten hier wieder ein. Schon das Schauen des
hiesigen Lebens und Wirkens halte ich für sehr
wichtig, denn die
großen Unvollkommenheiten des hiesigen Lebens machen gewiß geschickt
die kleineren des Keilhau-
er Lebens dann um so leichter zu
ertragen. -
Was nun eigentlich die Ersetzung von Elisens
Wirksamkeit in der Erziehungsanstalt in Keilhau betrifft, so habe ich
schon
in meinem vorigen Briefe Euch den Vorschlag gemacht einen
Lehrer der französischen Sprache anzunehmen welchem die-
selbe
Muttersprache ist; ich habe Euch dort schon einen jungen Mann dazu
vorgeschlagen; sollte jener Euch nicht
zusagen so haben wir seit
jener Zeit durch mehrseitige Empfehlung die Bekanntschaft eines
andern jungen Mannes gemacht (aus der
Gegend des Bieler Sees)
welcher einige Jahre älter ist und auch wohl noch mehr Kenntnisse als
der früher ange-
tragene besitzt und doch von Seite seines
Charakters seiner Sitten fast noch mehr empfohlen wurde als jener
auch wohl schon mehr Lehrererfahrung besitzt.
Doch noch
einen Vorschlag habe ich Euch zum Ersatz für Elisen zu machen: Ich
meyne, Euch mit der Schwester
von Schäfer aus Goslar in
Verbindung zu setzen, der Freundin der Luise Frankenberg. Hierher
könnte ich sie – ein
unverheirathetes, in sich noch kein
Lebensband geschlossenes, hier ganz allein stehendes junges Mädchen
nicht nehmen.
Elise hat den Bruder der ihr als kräftige Stütze
zur Seite stehen wird. Ich aber will Euch wenigstens mittheilen was
jetzt im Bereiche meiner Lebensverknüpfungen liegt. Vielleicht
wäre es nicht ganz unangemessen wenn die Schäfer
nach Keilhau
käme, im Fall man einmal noch anderweitige weibliche Hülfe bedarf.
Wenn ich wider Ver-
muthen von Keilhau aus keine weibliche
Unterstützung für Willisau oder Burgdorf bekommen könnte so möchte
ich
wohl wünschen daß Barop nach Goslar reisete und die Schäfer
selbst sähe; mich dünkt so schwierig dieß auch auszu-
führen seyn
möchte, so wäre es doch um des Ganzen willen sehr wichtig. -
Nach dem bis jetzt Euch mitgetheilten habe ich Euch nun auch noch
auszusprechen wie ich die Stellung Ferdinands in Zukunft zu der
hiesigen
Anstalt ansehe, wenn sich dieselbe immer mehr
befestigen sollte. Künftiges Jahr, vielleicht im Herbste kann er eine
Reise nach Deutschland machen; zur größeren Freymachung seines
Geistes und zu ungestöhrter Sammlung in sich mag er eine
Reise
den Rhein hinab machen – was er schon längst gern wünscht er kann die
ihm noch unbekannten Verwandten der Graf-
schaft Mark die
verschiedenen Glieder der Döllstädter Verwandten besuchen und für
einige Zeit zurückgekehrt in den Schoß seiner Familie, den weiteren
Entwickelungen seines Lebens
mit Selbstbestimmung entgegen
gehen, er kann sich über dieselben – Euch
sämmtlich dann durch
seine Lebenserfahrungen für sein Alter ebenbürtig – dann mit Euch
berathen und verständigen.*
[Rand
*-*] * Ich zweifle dann keinesweges daß Ihr sämmtlich dann es
Euch zur Pflicht machen werdet, ihm die höhere Lebensansicht und das
innere Lebensgewebe und Lebensganze, anerkennend zu machen, denn es
ist und kein Dagegensperren vernichtet es, darum rächt es sich im
Leben hart, wenn wir es in höhern Lebensverknüpfungen nicht
anerkennen. [*]
Es bleibt mir nun nur noch auszusprechen übrig
wie ich mir denke daß die Reise zu bewerkstelligen möglich sey. –
Ich meyne kurz - und habe es auch dem Ferdinand ausgesprochen –
das ½ jährige Erziehungsgeld für
Carl
Clemens welches am 1
en Dezbr wieder
gefällig ist und welches von der
Fr. v.
Ahlefeld noch mit großem Rechte für denselben bezahlt
wird indem Karl gegenwärtig, namentlich in Beziehung auf das
Französische (griechische und lateinische ungerechnet) viel
Zeit
und Mittel für sich braucht – Dieß Erziehungsgeld betragend Rth 50
sächsisch kann zur Reise angewandt werden
und wird dazu
hinlänglich seyn. – Meine schriftlichen Mittheilungen von hieraus,
meine mündlichen an Barop,
alles muß
bey d. Berathung beachtet werden.
So liegt denn nun das Ganze
zur ruhigen und allseitigen Entscheidung Euch sämtlich vor; theilt
mir
und uns nun auch so bald als möglich das klare und bestimmte
Ergebniß davon mit. – - -
Wegen der Reise selbst habe ich wo
und wenn der Bruder reist nichts zu sagen. Nur bitte ich den Paß für
Elisen ist es möglich auf
ein Jahr ausstellen zu lassen, weil
man mit deutschen Pässen leicht nach Deutschland zurück reiset.
Jedes Vater und Tochter
muß einen besonderen
Paß haben, weil letztere hier ihren Paß niederlegen muß. Auch
der Bruder kann sich seinen Paß
auf ¼ Jahr ausstellen lassen. –
Von Koburg ließe sie vielleicht der Wirth Prediger billig nach
Bamberg fahren; von
Bamberg giebt es fast jeden Tag Gelegenheit
sehr billig nach Erlangen und Nürnberg zu fahren. An der bayrischen
Grenze
zwischen Koburg und Bamberg und in Bamberg darf ja nicht
versäumt werden die Pässe visiren zu lassen. –
---- In einem
Schriftchen: „Worte eines Menschen“ lese ich so eben folgendes:
“Das einzige und sichere Mittel gegen das moralische
Übel ist Erziehung, im weitesten Sinne des Wortes – Erziehung nach
den Bedingungen der Vernunft und der Natur.“ –
“Vernünftige
Erziehung bedarf keiner Masse von Gelehrsamkeit; - Natur und Vernunft
im Menschen entwickeln sich von selbst, sobald sie in Berührung
gebracht werden mit – Natur und Vernunft.“ –
„Einen großen
mächtigen Einfluß auf die Erziehung und mithin auf den Zustand des
Menschengeschlechtes bewirkt das weibliche Geschlecht.“
– „Das
weibliche Geschlecht vermag zu entscheiden über Freyheit und
Sklaventhum, über Rettung und Untergang einer emporblühenden
Generation.“
– „Das Kind empfängt die ersten Eindrücke des
Lebens die erste Grundlage der Erziehung von der
Mutter, wächst heran als Knabe (wie als
Mädchen) unter Leitung der Mutter und kaum gereift zum Jünglinge,
steht der Mensch aufs neue unter dem Einflusse des weiblichen
Geschlechts anheim gestellt durch die Gewalt der
Liebe.“ - (Und ich füge noch hinzu: welchen
Einfluß hat die Bildung der Schwester auf die des Bruders)
-
„Das Weib ist von der Natur ausgerüstet mit gleichen Anlagen und
Fähigkeiten zur sittlichen Selbstständigkeit wie der Mann.“
-
“Das Weib hat gleichen Anspruch auf sittliche Selbstständigkeit und
vernunftgemäße Freyheit wie der Mann, nach den Bedingungen der
Natur.“ /
[3R]
„Das eheliche Verhältniß übt einen
mächtigen Einfluß auf die künftige Generation aus.“
„So lange das
weibliche Geschlecht nicht seine Würde erkennt, wird die Menschheit
gefesselt bleiben im Sklaventhum wie bisher.“
„Die Entwickelung
des Menschengeschlechts würde mit Riesenschritten vorwärts
schreiten, sobald das Weib die Stellung in der menschlichen
Gesellschaft einnähme, welche ihm gebührt nach den Forderungen der
Natur und der Vernunft.“ *
„Die Menschheit kann nur aufgeklärt
werden und zur Humanität (ächter Menschlichkeit) gelangen, durch das
lebendige Beyspiel einzelner Völker, und ein Volk kann nur gerettet
werden durch Vereinigung und gemeinschaftliches Wirken der reinern,
edlern Menschen im Volke.“
“Es ist wohl eine Selbstfolge daß das
Elend der Menschheit nie vermindert wird, wenn die Menschen nicht
vernünftige Mittel dagegen anwenden und dem Elend abzuhelfen suchen.“
„Es ist die erste und heiligste Pflicht jedes einzelnen
Menschen, so viel in seinen Kräften steht, zur Rettung der Menschheit
zu wirken.“
*Schon vor 30 Jahren war es mir ein
Hauptgedanke meines Lebens - welcher mir ganz im
Gegensatz mit dem äußeren Welt-
treiben kam: daß ehe das
weibliche Geschlecht nicht in seiner Würde erkannt und anerkannt
worden, und ehe dasselbe dieser
seiner er- und anerkannten Würde
nicht getreu handeln würde, daß vorher auch nicht an eine gründliche
durch- und
umgreifende Erhebung und Veredlung des
Menschengeschlechtes gar nicht zu denken sey. Ich war dortmals noch
nicht
Erzieher als ich dieß dachte und aussprach und so weiß ich
noch, daß mir dort dieser Gedanke, dem großen Apparat von
Menschenverbesserungsmitteln z.B. Unterrichtsmethoden gegenüber
- selbst auffallend war. Später habe ich
oft an diesen Gedanken,
an das unvorbereitete gleichsam abgerissene Hervortreten desselben in
meinem Leben gedacht,
ihn wieder gedacht und immer tiefer und
tiefer begründet gefunden. – Was wäre über diesen Punkt mir viel
zu sagen möglich. –