Willisau am 20en May
1835.
Auf einen Aufsatz in No ... des schweizerischen Beobachters welchen ich
jetzt nicht zur Hand habe, den ich aber am Ende dieses [Briefes]
nachholen werde, Euch
daher bitte ihn zuerst zu lesen,
erschienen in No 40 des Berner Volksfreundes
(in Burgdorf
herauskommend) vom 17en May folgende
Artikel, also nicht
unter den Inseraten und
Anzeigen:
1. Der
schweizerische Beobachter vom 12en May 1835
enthält in einem
seiner Inserate einen Ausfall gegen die Wahl
des Herrn Fröbel zum Vorsteh-
er der neuen Waisenanstalt in
Burgdorf,- eine lieblose Verdächtigung
des Gewählten, einen
Tadel der Behörden die ihn wählten. Weder der eine
noch die
andere würden sich durch solche Anfechtungen so weit rühren lassen,
daß
sie dieselben in den öffentlichen Blättern wiederlegen
würden möchten; allein die
Waisen[-]
anstalt in Burgdorf soll die Wohlfahrt von Kindern
begründen, deren Anverwandte
vielleicht nicht alle so vernünftig
seyn dürften, um einen Unterschied machen zu können
zwischen
boshaften Mystifikationen und wohlgemeinten Räthen - diesen
lediglich diene hie[r]mit zu wissen, daß Herr Fröbel, ein Mann
der die Menschen[-]
bildung nicht als Spekulationssache treibt,
sondern sie zur Aufgabe seines Lebens
gemacht hat, hier nicht
angestellt ist, weil er eine Anstellung gesucht, sondern
berufen
wurde, weil das Urtheil anerkannter fachkundiger und
unbe[-]
fangener Ehrenmänner (nicht anonymer Lieferanten von
Zeitungsschreibern)
ihn als den Mann bezeichneten, der die
seltenen Eigenschaften in sich vereinige,
welche zum Gedeihen
einer solchen Anstalt erfordert werden; Eigenschaften welche
handwerksmäßiger Arbeit
Alltäglichkeit ebenso widerstreben, als speku[-]
lativer
Charlatanerie.
Daher, Ihr Anverwandte und Befreundete der
Kinder, welche in die Burg-
dorfische Waisenanstalt aufgenommen
zu werden das Glück haben, laßt
Euch nicht bethören durch
falsche Propheten, die sich nicht einmal nennen dürfen;
vertrauet den Maßnahmen der Behörden, deren Bestreben das Gute
zu
fördern, Euch ja nicht verborgen seyn kann, wenigstens auf so
lange un[-]
bedingt, bis Ihr Beweise habet vom Gegentheil dessen,
was Ihr schon jetzt
in der Saat beobachten könnt.
((:Unmittelbar auf diesen Artikel folgt der:))
2: Irgend ein pädagogischer Jesuit äußert im schweizerischen
Beobachter vom
12en May sein gleisnerisches
Bedauern über die Anstellung des Herrn Rechsteiner
als Vorsteher
der Armenunterrichtsanstalt in Bättwyl bey Burgdorf. Es soll,
nach seiner Anstalt Ansicht,
He. Rechsteiner zwar ein gemüthlicher Mann, dagegen aber ein
Mensch von verworrenem Judicium seyn, unzusammenhängend in
seinen Bestreb-
ungen, und un(zusammenhängend)beständig in seinen
Begeh[r]ungen, weshalb wenig
Erspriesliches von seinen
Leistungen zu erwarten sey.
Dieses perfide Urtheil stützt der
Jesuit auf den Kontrast, der bey der Anstel-
lung des Hrn R. in
dessen Benehmen und dem Benehmen des Herrn
Seminar
Directors Wehrli
bey Anlaß der Krüsischen Prüfungen bemerkbar gewesen.
Wir
möchten nun gern vernehmen und hoffen es zu vernehmen, ob Herr
Wehr[-]
li wirklich über die Anstellung
des Herrn R. so betroffen gewesen, ob er sich über
denselben so
geäußert, wie ihm der Jesuit in den Mund legt. Herr R.
wurde bey
der Anstalt angestellt auf günstige Berichte und Zeugnisse der
Herren Weishaupt, Pfarrer in Gais, Bernet, Pfarrer in St[.]
Gallen,
Emanuel
von
Fellenberg in Hofwyl, Burkhard, Obersthelfer in Basel, und
Tobler, Erzieher
in St. Gallen. Diese Zeugnisse werden nun wohl
Glauben verdienen und Herr
R. wird sie, wie wir zuversichtlich
hoffen nicht Lügen strafen.
Maimer aus Bern meynte dieß
Fellenbergsche Zeugniß würde ohne Zweifel
aus früherer Zeit
seyn, weil es unterzeichnet ist
von
Fellenberg, nach der
jüngsten Revolution in Bern wo Fellenberg
auch den Rock gewechselt, schreibt
sich Fellenberg nicht mehr
Emanuel
von Fellenbe[r]g, sondern Emanuel Fellenb[er]g.
Da nun zu Vermuthen ist daß das fragliche Inserat auch aus der
Fellen[-]
bergschen Fabrikstätte ist, so hat nun Fellenberg
seinem eigenen früheren
Zeugniß widersprochen nur um die neue
Unternehmu[n]g in Bättwyl
zu stürzen. Ich bin darum nun
erwartend wie Fellenberg sich aus dieser
Sache die für ihn immer
verwickelter wird, heraus ziehen kann.
Schlechter noch als die
Verdächtigung der Eigenschaften des Herrn R. ist, wo
möglich die
offenbare Absicht des Jesuiten, das Gedeihen der Anstalt selbst zu
untergraben, indem er aus seinem entlehnten, oder vielmehr
erlogenen
(denn dieß glauben wir, wenn
es nicht vom Herrn W. öffentlich bestätigt
wird) Urtheil über Herrn Rechsteiner den Schluß zieht, die
eingegangenen
oder noch eingehenden Liebessteuern werden übel
verwendet werden. /
[1R]
Nicht minder schlecht ist der
Seitenhieb gegen den achtungswürdigen
Hrn. Fröbel! Wer sagt dem
nichtswürdigen Jesuiten, daß die Bemühungen
dieses Mannes bey
dem Schullehrer-Kurs nicht die gewünschten Resultate
gehabt
haben? Ersonnen hat er seine heimtückischen Anspielungen, um dem
guten Fortgange der gemeinnützigsten Anstalten entgegen zu
arbeiten.
Ein anonymer Verläumder wird aber nur Thoren irre
leiten; trete
er offen hervor, der Mensch, wenn er es wagen
darf; sein Name allein
setzt vielleicht das Publikum in den
Stand, zu erkennen, welch trüber Quelle
seine apokryphischen
Ausrufungen entflossen sind.
Nachstehendes ist der oben
gedachte Aufsatz in No 12 57 des schweizerisch[en] Beobachter
No vom 12en
May 1835.
(welchen ich zuerst zu lesen bat)
(:Eingesandt)
Die Nachricht, daß der Schullehrer Rechsteiner von Gais, im Canton
Appenzell, zum Erzieher der Armenschule in Bättwyl ernannt
worden sey,
gelangte nach Gais, gerade zur Zeit des dortigen
Krüsischen Schullehrerexa-
mens, bey dem auch der vortreffliche
Seminardirector Wehrli von
Kreuz-
lingen sich befand. Die Eindrücke, die jene Nachricht auf
Herrn Rechstei[-]
ner und Herrn Wehrli hervorbrachte, stellten
einen merkwürdigen Kon-
trast dar. So groß die Freude der
[sc.: des] Erstern darüber war, so auffallend ist
auch die
Betroffenheit des Letztern gewesen, da er den Rechsteiner in Hofwyl
zwar als einen gemüthlichen, aber in seinen Urtheilen
verworrenen, und
in seinen Bestrebungen unzusammenhängenden und
in seinen Begehrungen
sehr unbeständigen Menschen kennen gelernt
hat, so daß für die Schulung
von Bättwyl wenig Ersprießliches
von ihm zu erwarten seyn kann. Es
ist sehr zu bedauern, daß nun
auch die zweckmäßige Anwendung der seit
einigen Jahren für die
christliche Volksbildung des Kantons Bern gesammel-
ten
Liebesgaben vermittelst einer mißlungenen Wahl des Führers der
hülfsbedürftigen Kinder in jener Anstalt gefährdet wird.- Und
noch
merkwürdiger ist es, daß man, trotz der mit Herrn Fröbel im
letz-
ten Schullehrerbildungskurs zu Burgdorf gemachten
Erfahrungen, ver[-]
nehmen muß, wie diesem Herrn die Oberaufsicht
über die Anstalt zu
Bättwyl und die Leitung des Burgdorfer =
Waisenhauses anvertraut
worden seyn soll.
----------x----------
In
N
o 61 des schweizerischen Beobachters hat nun He.
Eml: Fellenberg auf die Euch
Eingangs
dieses [Briefes]
ge
mitgetheilten 2 Aufsätze wieder geandwortet. Ich theile daraus nur
mit was
mich betrif[f]t.- "Hinsichtl. auf d. He.
Fröbel, den ich nur durch seine in der 10
n Nummer
des Mitthei-
"lungsblattes für die Freunde der Schulverbesserung
des Cantons Bern angeführten
"Schriften, aber keinesweges
persönlich kenne, halte ich mich durch die vorgekommenen
"Zeitungsartikel und durch die von vielen Schullehrern, die
seinen letztjährigen Normal[-]
"kurs besucht haben, eingegangenen
Nachrichten, als bernerischer Staatsbürger und
"Schulfreund
verpflichtet pflichteswegen für
verbunden, hier noch zu erklären, daß ich auch die
"leidenschaftliche Verblendung für sehr unheilbringend halten
muß, mit der
"man die Wirksamkeit eines solchen Pädagogen in
unserer Volksbil-
"dungsangelegenheit, trotz der gemachten
Erfahrung zu behaupten trachtet[.]"
(Nun Empfehlung
deutscher, englischer u amerikanischer Bücher über Armenerzieh[.]
(Unterzeichnet) Em[.]
Fellenberg
(Auch den neuerwählten Schullehrerseminarn
Director Rickli
greift Fellenberg in diesem Aufsatze schon
an.-)- /
[2]
Freytags am 22 May. Gestern Abends theilte mir
Luise Frankenberg mehreres
von Ihres Verlobten Herrn
Schäfers (:jetzt Kollaborator in Ülzen im
Hannöverisch[en]:)
Verhältnissen mit; dabey kam auch die Rede
auf dessen Familie (wie
ihr wißt lebend in Goslar[)] und sie
erzählte mir da wie dessen jüngste
jetzt 14 jährige Schwester,
am jüngsten Osterfest confirmirt, seit langem
vorzügliche
Neigung zum Erziehungs[-], und Lehrwesen habe, und wie er sie,
wenn er hierher gereiset wäre mitgebracht haben würde, um wo
mög[-]
lich durch die hiesigen Gesammtverhältnisse für deren
Ausbildung als Er[-]
zieherin zu sorgen, noch sagte sie mir daß
das Mädchen Anlage zum Sing[en]
und Clavierspielen auch zum
Zeichnen habe, ja irre nicht im Clavier[-]
spielen schon gute
Fertigkeit besitze und sonst ein Mädchen sehr lob[ens]wer[-]
then
Charakters sey. Da wir nun für erziehende häusliche Hülfe und
besonders für erziehend und lehrend wirkende
ha weibliche Unterstützung
oder
vielmehr wirkliche Mitarbeitung sehr in Verlegenheit sind, daß
Bedürf[-]
niß derselben aber in Zukunft noch steigen wird, so kam
mir sogleich der Ge[-]
danke, des Mädchens Neigung für diesen
Beruf nach Möglichkeit zu unterstützen.
Ich sprach darum
sogleich mit Luisen über diesen Gegenstand. Sie sagte mir nun
daß man schon längst für die Ausbildung
dieses des Mädchens zu diesem Berufe
Sor[ge]
getragen haben würde müßte man nicht große Kosten
deßhalb scheuen
weil den Eltern diese zu tragen nicht möglich
wäre: Ich hielt es nun do[ch]
für gut Euch meine Ansicht darüber
zu schreiben im Fall sich Herr Schäfer in
dieser Sache an Euch
wenden sollte indem (ich meyne man sollte nach Mög[-]
lichkeit
die Ausbildung dieses Mädchens (-
wenn sie das
ist was sie seyn soll [-)]
für
erziehende Häuslichkeit befördern.-
----------
Am 23
en May Mittags nach ein
Uihr [sc.: Uhr]. Zur Hälfte ist die Prüfung vorüber. [Der]
Vormittag war größtentheils der Sprache gewidmet. Ich bin mit
dem Ergebniß
dieser Prüfung
sehr
zufrieden meine Schullehrer waren bestimmt
klar, schnell
reich in Antworten der
vorzulegenden Ergebnisse besonders in der Sprachdarstel[lun]g
viel. Die Examinatoren
scheinen
zufrieden. So ruhig habe ich noch nie geprüft[.]
Ich kann mich
nie vorbereiten; da ich aber immer in dem Gegenstand lebte, so war
ich auch in den einleitenden Worten wie ich meyne einfach, ruhig
erschöpfend u klar.
Langethal kann darüber Euch Relation abstatten für
heut genug; allso Nun sage
ich noch daß es mir sehr leid thut
die Arbeiten der wackern Arbeiter Euch
nicht zeigen zu können
sie sind zum Theil vorzüglich besonders die von einem
ge[-]
wissen Benedict Loder. Im Zeichnen hat dieser der vorher
nie zeichnete Treffliches
und Schönes geleistet
gar mit einem Worte alles vereint. So
freue ich mich still
der factischen Ergebnisse unbekümmert des
formellen und amtlichen Urtheils
erstere wirken sicher wenn auch
langsam.
Ich danke Dir lieber Barop für Deinen Brief vom 15
n May. Er traf
zu richtiger Zeit ein. Lieb ist
es mir daß alles nun endlich entschieden ist.
Der so
unentschiedene und doch so erregende Zustand wirkte so nachtheilig
auf
mich daß ich vor einigen Tagen nach wiederkehrender
heft[i]ger Erkältung ernstlich krank
zu Bett geworfen wurde. Ich
fürchtete entzündliche den Tod unvermeidlich mit
sich führende
Folgen, doch die baldige Erfassu[n]g des Übels u.s.w. unsers Herr[n]
Dr
Barth Sorgfalt u.s.w. stellte mich bald wieder her.- Nun
hat mein
Gemüth und Geist schon wieder einmal die Empfindu[n]g
des Todes in sich
v erlebt
und
verarbeitet ich war sehr ruhig. Bey Veranlassu[n]g mehr
hierüber.-
In Burgdorf ist Friede u Freude u Krieg u Kampf wie
in jedem neuen Ver-
hältniß. Meine Frau ist Gott sey Dank sehr
ruhig u so gesund als sie immer
seyn kann. Sie schreibt mir:
- ..... und des (des Gesagten) bin ich froh!-
"Die
schöne Wohnung und die freundlich herrliche Umgegend lassen nichts zu
"wünschen übrig." Aber wir
bedürfen auch dieser lieblichen Himmelsgaben
"zu unsers Lebens
Ermuthigung --."
Jetzt gehts wieder zur Prüfung. Heute
schrieb wieder einer aus Aigle bey
Lausanne u fordert mein Werk über Menschenerziehung und
trägt einen 20-21
jährigen Zögl[.] an. Lebet, Lebet alle recht
wohl im schönen Frühling
Euer treuer
FriedrichFröbel
Den nächsten Brief
aus u[n]d von Euch
nach Burgdorf. /
[2R]
[Adresse:]
Herrn JohannesArnoldBarop
in
Keilhau
bey
Rudolstadt.