Du kannst
wirklich bös darüber sey[n] schon
wieder einen Brief von mir zu
erhalten; al[-]
lein so vielen Grund Du auch dazu zu
haben
scheinest, so thue es dennoch nicht, denke
nicht einmal
schief oder zweydeutig da-
rüber, das heißt nimm es ja um
des
Ganzen willen um welches es sich handelt
nicht
persönlich; mich im Gegentheil dünkt
es könnten aber nie in ihrer
Grundbe-
ziehung wichtigere, Lebenswichtigere Zei-
len
geschrieben worden seyn, noch je ge-
schrieben werden als die
Briefe welche
ich in den jüngsten Tagen an Dich schrieb
und
die Zeilen welche Du jetzt von mir
erhältst. Sie bezogen und
beziehen sich et-
wa nicht auf einen einzelnen Menschen
noch
weniger etwa nur auf Dich und mich;
nicht etwa blos auf das
lebende Menschen[-]
geschlecht, oder die Menschheit innerhalb /
[297R]
ihrer Erderscheinung, sondern auf
die
Menschheit in ihrer ganzen ewigen Fort-
entwickelung;
denn es ist ja natürlich
daß die Entwickelung welche die
Menschheit
auf und in ihrer Erdenstufe errringt
nothwendige
Folgen auf die Gesammtheit
ihrer Lebensentwickelung und so
zuletzt
selbst auf ihr Verhältniß zu Gott haben
muß.
Schreibst Du mir doch selbst in
Deinem jüngsten
Briefe daß Dich die Sehnsucht getrieben
habe
zu schreiben; die Sehnsucht mir alles das Lie-
be und
Gute mitzutheilen was Dir das Jahr
d.i[.] der JahresWechsel
gebracht habe und
den widrigen, schmerzlichen, mindestens
et-
wa unangenehmen Eindruck in mir zu ver[-]
treiben welcher
vielleicht Ausdrücke oder
Wendungen in Deinem vorletzteren
Briefe
in mir bewirkt haben könnten. Dieß ist nun
alles bey
mir jetzt nicht der Fall, nicht Liebes
und nicht Trübes will ich
ausgesprochen und
nichts Trübes will ich klären, sondern
<blos>
Dir, dem die Forderungen der Zeit und des
Lebens
zu erforschen Strebenden um ihnen
nachzuleben, nur Dir will ich,
d.h. muß
ich sittlich die Gewalt der
Lebensforderungen
aussprechen und mittheilen wie sie auf
mich
einwirken, denn solltest Du sie min[-]
der klar und bestimmt
kennen lernen wol-
len, solltest Du sie minder männlich
er-
tragen können als ich; solltest Du, wenn /
[298R]
schwach, ich möchte sagen eigenmächtig ge-
nug wäre sie
Dir vorzuenthalten, soll-
test Du mir nicht einst Vorwürfe
machen,
daß ich zu Dir dem Freunde nicht ausgespro-
chen habe
was ich doch in mir als nothwen-
dig erkannt; führst Du ja dieß
selbst als
den Grund an, daß Du mir aussprechen
mußtest von
dem auch Du glauben konntest
daß es mir nicht angenehm wäre.
Also L. L. willst Du der Menschheit durch
Dich und durch die
entsprechendsten äuße-
ren Verhältnisse das Entsprechende
geben
was sie gerad jetzt zu ihrer steigenden
Vollendung
bedarf willst Du ihr Heilbri[n]ger
und ihr Friede u Freudegeber
werden, so
giebt es nur einzig den Weg, den
der
Wiedervereinigung, den der Wiederver-
einigung jetzt u
hier in Deutschland und in Bl[an]-
kenburg.- Gott hat mehrere
Wege um
der Menschheit zu helfen sagst Du!- Wer
zweifelt
daran und schränkt dieß ein
Gott
hat mehrere Wege, allein der
Mensch /
[299]
der Mensch, welcher als Wohlthäter der
Mensch[-]
heit und sey es auch zunächst nur
seines
mitlebenden Geschlechtes wirken will
hat wohl nur
Einen Weg, welchen er mit
Klarheit des Bewußtseyns
erkennen mit
Festigkeit des Willens in und durch
freye
Selbstbestimmung gehen soll.- Siehe Lgthl
prüfe es als
Mann, ich kann nicht anders
erkennen und nicht anders
aussprechen.
Kannst Du Dir einen
Sokrates,
Plato, Jesus
Guttenberg,
Luther,
Herschel,
Kant pp an-
ders handeln u wirkend denken als
sie han-
delten und wirkten? - kannst Du einen an
die Stelle
des anderen setzen?- Nun fordert
die Zeit jetzt ein
Ganzes, ein bestimmtes,
ganz bestimmtes
Erziehungsganze[s]. Sie
fordert es aber darstellen? - nein!
das
kann sie nicht. Es soll ein in sich einiges
un[-]
gestücktes und ungestückeltes
Ganz leben-
diges Ganze in und mit
Freyheit und doch
nicht nur ganz entsprechend der Zeit
im
allgemeinen, sondern auch den einzelnen /
[299R]
Verhältnissen und Bildungs- und Lebensstu[-]
fen in der
Zeit. Kannst Du dieß Langethal
in Deinem Wirken?- Kannst Du es
allein?
Wirst Du es je in der Schweiz im Kanton Bern
und in
Burgdorf mit der Gesammtheit Deiner
Freunde können?- Kann Dein
Wirken in
Burgdorf u als Burgdorfer, in Bern u als
Berner, ja
selbst in der Schweiz und als
Schweizer die Allgemeinheit
bekommen
welche das jetzt geforderte
Erziehungswirken
verlangt, kannst Du es in der
Reinheit
darstellen welche Bedingung ist?- Ich lasse
die
Fragen ganz unbeantwortet; allein
das sage ich Dir ich in
Deutschland,
Midden-
dorff u
ich in Deutschland können es nicht[.]
Warum?- Gebe ich Sachen, so
versteht man sie
nicht zu gebrauchen? Man kann das
Einzelne
nicht verallgemeineren, das Besondere nicht
in
seiner nothwendigen Wehcselwirkung [sc: Wechselwirkung]
und
weiteren Entwickelung sehen!- Das Gesprochene
Mißdeutet
man! - und das Gelehrte hat
man halb aufgefaßt u schief u
einseitig wen- /
[300]
det man es an. Lies den
beyliegenden Brief
von
Jeckel in Frkfurt a/m in
Beziehu[n]g auf
Hoch-
städter, lies ein paar Worte von
Leon-
hardi darüber; Und
sieh vor allem den Plan
den
Frkenbrg in Dresden hat drucken lassen; wo
ist
da Einheit, höhere Idee; alles zusammenge-
würfelt wie es schon
oft genug da war, das
soll dann ein
stetiges Ganze seyn, wenn es
durch ein paar
Schlüsse ver
bunden ist. Du
hast mir einmal Vorwürfe
gemacht, daß
ich Dir dieses
Opus Frankenb: - auf
welches
er überdieß so großen Werth legt, nicht ge[-]
sandt
habe; ich konnte es unmögl. über mich
gewinnen für die
Verbreitung
eines einer
solchen
äußerlichen Auffassung zu wirken. Doch zu
viel
darüber; Du siehest es fordert die
Thatsache, der Hinstellung
eines in sich einigen
Erziehungs
ganzen zunächst für die Stufe
der
(ersten) Kindheit bis zum schulfähig[en]
Alter. Langethal!!- Die
große jetzt als
nothwendig erkannte Thatsache muß
aus[-]
geführt muß jetzt ausgeführt werden; und wer soll, wer
kann /
[300R]
sie ausführen??- Langethal!
Langethal!-
Kein
Angestellter Lehrer u Erzieher
kann
sie so wie es die Menschheit fordert ausfüh-
ren, nur
der kann sie ausführen welcher
nur die geeint können sie
ausführen, wel-
che nur der
Menschheit
gehören. Nun
frage Dich, wer kann sie anders aus[-]
führen
wie wir, wo stehen und finden
sich noch Menschen so wie wir.-
Lgethl
kannst Du die Überzeugung in Dir haben
und sie mir
darlegen daß
Du von
wo es sey das
Erziehungsganze wie aus[-]
gesprochen als eine eine [2x] That
hinstel-
len kannst, Langethal ich will Dir so
eifrig und
hingebend dienen wie Dein
Howald oder Antonen, nur daß
das
Ganze ausgeführt wird; allein ausge-
führt muß das
G[an]ze werden, muß d[urc]h
uns werden sonst laden wir uns
die
Verantwortung auf uns, daß das Men[-]
schengeschlecht
durch uns mindestens
½ Jahrhundert in seiner Entwickelung
zurück
gehalten worden ist. Soll die Morgenröthe
[Text bricht ab]