Dem Oheim
Ihres, wie ich weiß, von Ihnen sehr geschätzten
lieben Schwagers
des He.
Pfarrer Müller zu
Döllstedt, werden
Sie, auch ohne Ihnen persönlich bekannt zu
seyn, es gewiß erlauben,
Sie so freundschaftlich und vertrauend
anreden zu dürfen, wenn
nicht auch ohne diese Familienverknüpfung
schon ein geistiger Verband
durch einen gemeinsamen Lebensberuf:
Kindheit-, Jugendpflege
und Menschenerziehung zwischen uns Statt
fände[.]
Dieses letztere nun, noch erhoben und gestärkt durch
Ihr
Mutterverhältniß, wenn auch geleitet von ersterm, macht
mich
so frey, in Sache der Kindheit in einer Sache des
Frauengemüthes
und Lebens, in der
Angelegenheit der Kindheitpflege,
besonders
von der frühesten Zeit bis zur
Schulfäht Schulfähigkeit, mich an Sie
zu
wenden. Ich weiß zwar nicht, ob ich voraussetzen darf,
daß
das was bisher von mir dafür geschehen, Ihnen auf irgend
einem
Wege bekannt geworden ist. Allein dieß thut auch nichts zur
Sache.
Genug dieser Gegenstand hat sich jetzt zu einem solchen
Punkte
entwickelt, daß ich es wagen darf, nicht allein die
Gesammtheit
der deutschen Mütter, sondern auch die gesammte
deutsche Frauen-
und Jungfrauenwelt dafür zu interessiren und zur
Beförderung des- /
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selben einzuladen. Hierzu hat
insbesondere die Feyer der nun
herannahenden 400jährigen
Jubelzeit zuletzt Veranlassung
gegeben, indem ich überzeugt bin,
daß auch die Frauen und
Mütter in dem, was ihnen und namentlich
den Kindern da-
durch gereicht worden ist, sich zu einer
Dankestheilnahme aufge-
fordert und verpflichtet fühlen müssen.
Einen Vorschlag dafür
und eine Einladung an alle deutsche Frauen
und Jungfrauen enthält
die Anlage. Möchten auch Sie sich
veranlaßt finden, durch Ihren
Beytritt dieselbe zu fördern, und
nicht allein Sie, sondern durch
Sie und Ihre Vermittelung, alle
weit verbreiteten Glieder
des Salzmannischen Hauses und die Ihnen
und demselben nahe ste-
henden Frauen und Jungfrauen des ganzen
Salzmannschen Wir-
kungskreises, welcher, wie es mich dünkt dem
Erfinder u der Erfin-
dung der Buchdruckerkunst sich besonders
dankbar zu fühlen Ursache
hat, da durch dieselbe so viele
Seegnungen des alten Salzmannschen Wir-
kens nach allen
Richtungen, Ständen u Altern des menschlichen Lebens
geflossen
sind. Ihrem hochgeehrten lieben Gatten, dem gesammten
schätzbaren
Familie und Hause empfehle ich mich auf das achtungs-
vollste. In
der freudigen Hoffnung, daß zwey deutsche Erziehungs-
anstalten
und namentlich die Frauen derselben zur Ausführung eines
solchen
Unternehmens für Kindheitpflege sich gegenseitig förderlich
die
Hand reichen, unterzeichne ich mich mit besonders
freundschaftlicher
Gesinnung, verehrteste Muhme.