Im hohen und festen Vertrauen auf
Ihre menschheitlichen und volkliche[n]
Gesinnungen und
Bestrebungen komme ich heut mit einer eigentümlich[en]
Anfrage
und einem solchen Gedanken zu Ihnen, welche beyde Ihnen zur
Prüfung vorzulegen mindestens als daseyend Ihnen mitzutheilen
mir [in]
mehrfacher Beziehung gerad zu als Pflicht erscheint,
denn Harmonie ist in der
Natur, Einklang im Leben als Ganzes und
Einheit im Fühlen und Denken als solchem
nur muß sie nach meiner
Überzeugung, und dieß ist die wahre Forderung und
Aufgabe an die
Menschheit und die Völker in der Zeit zur Erkenntniß und Eins[icht]
gebracht und mit Bewußtseyn im erscheinenden wirklichen Leben
zur Anwen[dung]
und Ausübung gebracht werden. Doch, ohne weitere
Einleitung zur Sache selb[st.]
Ein Brief welchen ich gestern
wieder aus Ungarn von der Ihnen vielleicht noch [in]
der
Erinnerung bekannten Fräulein
Nanette
Pivany, empfangen habe zeigt [mir]
wieder das
regeste vaterländische Bestreben für frühe und entsprechende
Kindheit[-]
und Kinderbeachtungs-Pflege und Führung und von
einem bestimmten Kreise da-
selbst, an dessen Spitze die schon
mehrgenannte Gräfin
Theresia
Brunswick zu stehen scheint, spricht mir dieser
Brief zugleich den lebvollsten Antheil an meinen
Kindheit
pflegenden Bestrebungen, und den Wunsch aus, sich recht gründlich und
allseitig für unmittelbare Anwendung damit bekannt zu machen.
Überdieß
scheint der Kreis oder Verein den Plan zu haben wie im
Lande umher eine Mehr[-]
heit von Kinderpfleganstalten so in
Pesth, der Hauptstadt des Landes auch eine
Hauptanstalt der Art zu errichten. Dieß alles vereint rief in
mir sogleich ei-
nen Gedanken hervor, welchen ich nun
Vertrauensvoll Ihnen zur Prüfung vor-
zulegen komme. Er hat die
vielseitigsten Beziehungen zum Leben in der Man-
nigfaltigkeit
seiner jetzigen Strebungen die ich vielleicht hier gar nicht einmal
alle auch nur andeuten kann.
Reges Interesse für die
Angelegenheiten der Menschheit, des Volkes und Vater-
landes muß
meines Erachtens auf das sorgsamste gepflegt werden gleichgelte /
[111R]
wo, in welchem Lande es sich nur zeigt die Düfte
der Blüthen, die Früchte und Seegnungen
davon kommen am Ende
jedem Volke und zuletzt selbst jedem Einzelnen zu gute.
Nun läßt
aber ächte Begeisterung die sich unmittelbar auf Anwendung,
Einführung
und Ausübung im Leben bezieht, schwerlich durchs
Wort, namentlich in Beziehung
namentlich auf die Form, Gestalt und das
eigenthümliche Leben dieser Anwendung,
nähren u leiten, meinem
Wesen ist aber solche unmittelbare Wirksamkeit im Geiste
der
Einheit und bey Allseitigkeit der Richtungen Bedürfniß, ja ich muß
sie als meinen
Lebens Beruf erkennen; daher kam mir gleich bey
Lesung des Briefes der Frl.
Pivany der Gedanke: -
Entweder sollten sie aus Ungarn einige fähige, ihr Vertrauen
verdienende
junge Leute und Männer zu mir nach Blkbrg senden um
ihnen den Geist und die Ge-
wandtheit dieser Kinderpflege und
Beschäftigung mitzutheilen; allein das weit und
überwiegend
Bessere, weniger Kostspielige und doch über allem Vergleich
Wirksame-
re wäre mich zu veranlassen nach Pesth zu reisen, oder
vielmehr mich gerad zu
dahin zu rufen um dort eine
Musterkinderpfleganstalt nach der Idee des
deutschen
Kindergartens als einen Kindergarten Ungarns auszuführen, und um
damit zugleich einige Vorbereitungs- und Begründungsschulen in
Verbindung zu
bringen, dann soll das Leben das Ganze, Einige
werden wozu es von dem in sich einigen
Gotte der einzigen Quelle
alles Lebens in die Erscheinung, ins Daseyn gerufen ist, soll
Einklang, gegenseitiges Verständniß und Anerkenntniß, soll
wechselseitige förderliche
Mitwirkung und liebevolle
Hülfleistung und zum Ziel und Zweck führende Unterstützung
ins
Leben, in die Wirksamkeit im Leben kommen; so muß ganz vor allem
Einheit
Einklang, sich gegenseitige Erklärung Förderung und
Hebung gleich in die allerfrühe-
ste und erste Kindheit- und
Kinder- Menschheit- u Menschenerziehung kommen. – Gott
selbst
zeigt, sagt und offenbart uns dieß im Leben und durch das Leben, denn
welche
Menschen welcher Bildungsstufe sie sonst angehören mögen
– verstehen sich am
Leichtesten und Besten? – diejenigen welche
in gewisser Beziehung (d.h. in großer Allge-
meinheit genommen)
eine gleichartige Erziehung, einen gleichartigen Unterricht
ge-
nossen haben, ich meyne ganz vor alle dem, der Lebens- der
Selbsterziehung und Erfahrung.
Dieß ist meines Erachtens der
Grund, der Ausgangs- der Quell-
und Keimpunkt aller ächten
Menschheitserziehung: - man suche dem Menschen
frühe durch
Selbstthätigkeit in der innersten Einheit des Menschen und des Lebens
ge- /
[112]
gründete Selbsterfahrungen zu verschaffen, so
dünkt es mich, kann die Einheit und der
Einklang des Lebens auch
nicht ausbleiben. Eine solche Erziehung scheint mir
nun vor
allem das deutsche Wesen, der deutsche Charakter zu fordern. Daran
nun hinzudeuten und es zu beweisen habe ich nun schon seit fast
¼ Jahrhundert
gesprochen; allein es scheint ein eigener
Schicksalsschluß auf den Deutschen zu
ruhen – welcher von irgend
einer Seite her auch seine Auflösung finden wird -
daß erst
alles nach Außen, nach der Fremde hin gehen, gleichsam erst für die
Heym[ath]
das Vaterland sterben und dann von dort in einem
fremden Kleid – fast scheint
es nun thatsächlich erst zu
beweisen daß die Idee, der Gedanke sich auch einen Rock
verdienen und verschaffen könne – zurück kehren müsse um im
Vaterland An-
erkennung zu finden. Nun so will ich denn auch
herzlich gern, wenn es nun einmal
die unumgängliche Bedingung
wäre um ächte Kindheitpflege,
und
Kinderführung u
Unterricht in Deutschland allgemein und zur
Volkssache zu machen, für einige Zeit
wieder für Deutschland
ste für meine Heymath sterben. Es
fragt sich nun nur wie
in Ungarn der oben ausgesprochene Gedanke
zu wecken wäre der Gedanke unter
meiner Mitwirkung in Ungarns
Hauptstadt nicht nur eine Musteranstalt für
Kindheitpflege bis
zum schulfähigen Alter nebst Vorbildungs- und
Begründungs-
schule, sondern auch eine Bildungsanstalt für
Kinder- und Kindheitpfleger u Pflegerinnen
und für Lehrer in den
Vorbildungs- und Begründungsschulen [einzurichten]. Da dachte ich
denn, ob
vielleicht durch Ihre Geschäftsfreunde in Pesth ein
solcher Gedanke dort anzuregen
wäre; diesen Gedanken Ihnen nun
zur Prüfung vorzulegen ist der eigentliche und nur
einzige Zweck
dieses Briefes. Er lag als eine ganz einfache Frage mir vor als
ich mich entschloß den Brief zu schreiben, allein während des
Schreibens selbst
drängten sich mir so viele andere verwandte
Gedanken auf, daß ich derselben
kaum Herr werden konnte darum
die Weitschweifigkeit des Briefs um welcher
willen ich Sie um
Verzeihung bitte.
Einen Gedanken muß ich mir aber doch noch
erlauben Ihnen mitzutheilen; es ist der.
Würde für die
Erwachseneren, schon Erfahrenen wie Bewußteren, deren Aus- und
Fortbildung
besonders durch Ihre so umfassen[den] und
durchgreifenden Bestrebungen gewirkt [wird], würde in
Einklang
damit zunächst mit aller Kraft auf die frühe Kinderpflege als
Volks- und Na-
tionalsache gewirkt, so
dünkt mich müßte es möglich seyn die Völker auch als Massen
fortzubilden; und die Kindheit und das Kindesspiel ist zum Heil
der Menschheit der Diplomatik noch zu klein [bricht ab]