Frankfurt a/m am
18. Novbr: Im Hause
Kosels,
1844.
(Briefe aber bleibend
unter der Adresse an Herrn
K. Schneider.)
Liebe,
treue Männer und Freunde Middendorff u Barop.
Eure beiden recht erquickenden Briefe vom 6. u. 7. d. Monats habe
ich
gestern am Tage der Absendung des meinigen von Darmstadt
aus
und durch Vermittlung von Schneider erhalten. Ich hoffe daß
Ihr nun
auch meinen ausführlichen Brief vom 16. u. 17 Novbr[.]
empfangen haben
werdet, welcher Euch wenigstens übersichtlich
einen kurzen Abriß meiner
Bestrebungen und Arbeiten von Anfang
Septbrs[.] an und deren Ergeb-
nissen gegeben haben wird. Da es
mir bei jenem Brief hauptsächlich um
Darlegung des
Wolfeschen Projectes und Eure baldige
Ansicht von dem-
selben zu thun war, so mußte ich gar vieles,
vieles an die Seite setzen
was zum Voraus Eure lieben, Freundes
Briefes und Worte beantwortet
haben würde. Ich hatte mir schon
wie Ihr aus dem Schluß meines Briefes
ersehen haben werdet, fest
vorgesetzt Euch heut die weiteren Thatsachen
meiner Bestrebungen
mitzutheilen, und ich beeile mich meinen dort aus-
gesprochenen
Vorsatz und mein gegebenes Versprechen zu erfüllen, und dieß
um
somehr als Eure lieben herzlichen und Freundes Brief[e] auch die
letzte
leise Fessel von meinem zusammengeschnürt gewesenen
Gemüthe nehmen.
Du mein treuer, fester Barop schriebst: -
"schreib alles frisch von der Leber
weg." Glaube mir einen
anderen Vorsatz und Willen habe ich nie ge-
habt, aber ich möchte
sagen man muß auch erst ein Leben haben ehe man
es kann.- Alles
was Du l. Barop von mir forderst habe ich gewollt und
erstrebt
ehe ich Keilhau und Blankenburg verließ und war Zweck und
Ziel
meiner Reise. Du schreibst mir mein lieber, geliebter Barop:
- "
Du
hast einen strengen Widerwillen gegen
äußere Ordnung und rechtliche
Verhältnisse." Eben darin
liegt das wirklich Schreckliche meiner Lage,
daß ich
äußerlich so
scheinen muß, während ich in mir ganz
anders gesinnt bin /
[1R]
ein ganz anderes Streben
in mir habe, als sich
äußerlich, wie man sagt
und mir
vorwirft
unzweideutig und
unleugbar als
Thatsache ausspricht.
Glaubst Du, glaubt
Ihr, daß ich dieß nicht weiß, nicht fühle, und doch bei
dem
besten Wollen und Willen nicht anders handeln kann als ich
gehandelt
habe.- Ich weiß: - "Des Mannes Wort ist seine
That" und ich habe dieß vor
wohl
30 Jahren eben so klar dort an ein mir befreundetes Wesen
ausgesprochen;
ich weiß habe es oft gehört und habe es mit den
alles einsetzenden Lebens-
kampf zu verwirklichen gesucht: - "Der
Mensch, der Mann kann was er
will, denn der edle, wahre Mann will
eben nichts anders als was
er eben auch kann."- Allein eben darin
liegt das Furchtbare,: -
wer hat den Menschen ein Maaß, wer hat
der Menschheit dessen Glied
und Knospe doch jeder einzelne Mensch
[ist] ein Maaß gegeben, dessen was
er kann?- Woher kommt, wer
giebt und wer bestimmt den einzelnen
Menschen das Gefühl, die
Überzeugung und den Maaßstab dessen was er
kann und darum auch dessen was er
soll, ja was er ohne alles
Wider-
streben, ja mit aller Selbstaufopferung
muß. Geliebte, geliebte,
denkend
u prüfend, auf das allerstrengste und ohne alle bestehende[n]
persönliche[n]
Rücksichten critisch eingehende Freunde, darin
liegt es: -
Ich trage in mir die größte <Schau[u]ng> und
Anerkennung der
kleinsten,
ja
der allerkleinsten
mikroskopischen
äußeren Lebens- und ganz
vor
allem der
Rechts-verhältnisse und
Forderungen, deren Darstellung und
Erfüllung ja eben mir mein
Leben giebt, ich gehe augenblicklich für ihre
Anerkennung und
Bewahrheitung in den Tod - und - und - dennoch
kann ich nicht anders handeln
als ich handelte und wenn man heut meinen
Namen an den
Schandpfahl hängt und mich im Bilde an den Galgen
hängt.- Man
spricht von
menschlicher, wenigstens von
innerer moralischer, von
intellectueller
Freiheit, wenn ein Menschen
diese[s]
Problem in Übereinstimmung mit den
gegebenen Verhältnissen zu /
[2]
lösen
gesucht hat, so bin ich es gewesen, meine brüderlichen Freunde!
ich
kann im Feuerofen der innersten und äußersten
Lebenserfahrungen
mit dem critischsten Geistesauge nichts anders
als menschliche als
allgemeine Geistesfreiheit erkennen als daß
der Mensch, der Geist
das mit Freiheit u Selbstbestimmung nicht
lei
dend, sondern sich selbst lei
tend
das ausführe und darstelle was
das große Lebensgesetz selbst will
und was er als solches
erkennt, was er der Mensch selbst wenn er
von neuem aus sich das
Lebensgesetz erschüfe
nichts anders
wollen
nicht[s] anders erkennen kann.
Man spricht von
Gottvertrauen. Ich bin diesen furchtbaren
Gang
auf Leben und Tod gegangen und von allen Seiten haben mich,
wie
Ihr ja wißt finstere Abgründe zu verschlingen gedroht, ich
kenne das
innere Verzweifeln und das
Verdumpfen des Geistes in solchem
Lebens-
gang beim Hinblick auf die äußeren Erscheinungen und
Ergebnisse der Wirk-
lichkeit.
Die Ergebnisse auf dem Wege
der Durchwandlung des christlich Religiösen
wie ob gleich sie diese
Durchwandlung, diese critische Durchwandlung im Vergleich
mit dem
strengen Denken und den factischen Lebenserfahrungen
eine
Hauptaufgabe der Zeit ist - so will ich diese Ergebnisse als
inneres eingeben
dennoch nicht weiter erwähnen, sondern nur das
Endergebniß des
Ganzen aussprechen: - meinen festen Glauben an
die Wahrheit und den
Sieg der Wahrheit auch noch in dem letzten
Augenblick, wo mich der
Trug und die Unwahrheit zerfleischen
würde.
Wenn nach diesen Mittheilungen von einer Mehrheit von
Einzelnheiten
meinen innern u äußern Gesammtzustand in einem, wie
es mir erscheint ganz er-
fassenden und genügenden Bilde, damit
Ihr auch über
mein bisheriges Gesammthandeln zu einem
Endurtheil kommen könnt;
nachher will
ich auch sogleich bis in das Einzelnste in Alles eingehen
was mir
der Stand der Sache äußerlich zu fordern scheint.- /
[2R]
Meinen bisherigen wirklich schauderhaften Zustand kann ich nicht
anders
und besser vergleichen als einmal mit dem eines im
Starrkrampfe liegenden
Menschen: - Seht
ich war mir des furchtbaren, und gefahrvollen
äußeren Zustandes der Dinge in mir
vollkommen klar bewußt,
dennoch fühlte ich mich nicht nur,
sondern war auch nach Außen hin
so gefesselt, daß ich mich gar
nicht regen konnte, sondern alles mit
mir geschehen lassen mußte,
selbst auf die Gefahr hin eingefangen
zu werden: - Bei innerem
klaren Bewußtseyn und deutlichem Vernehmen
alles dessen was nicht
nur um mich her, sondern selbst mit mir
bis zur Vernichtung -
Einsargung - hin geschehen soll, doch im äußeren
gleichsam wie
durch völlige Erstarrung alles Lebens in den äußeren
Gliedern so
gefesselt zu seyn, daß man sich ganz und gar nicht nach Außen
hin
helfen kann - einen solch' an[g]stvollen Zustand
könnt
Ihr Euch gar nicht denken was bleibt da zu thun übrig als
sich
um Hülfe nur nach den eigenen innern Geist hin und an
denselben
zu wenden - denn dieß muß man endlich als Schicksals
Schluß
und Forderung welche unabweichbar zu erfüllen ist,
erkennen.
und [sc.: Und] so habe ich denn auch, den mich
zunächst umgebenden
äußeren
Verhältnissen gänzlich
genügend
und
hingegeben, der innersten Erfassung
des
Lebens und Geschickes gelebt - und indem ich das innere Ziel
nun erreicht
habe, hoffe ich zu Gott, auch zur Erreichung des
äußeren
- dann läßt sich aber auch zweitens mein bisheriger
Zustand
nicht besser vergleichen als mit dem eines
Schlafwandlers
nur aber mit dem großen Unterschiede, des
schrecklichen
Bewußtseyns dieses
Zustandes: - Ich wußte recht wohl und
weiß es welch gefahrvollen
Weg ich gehe; ich wußte daß
das ganze Leben alles bis jetzt von
mir Errungene zu verlieren
auf dem Spiele, daß gleichsam alles
auf der Spitze stand; allein
ich mußte mich gleichsam für den
warnenden Zuruf: nimm Dich in Acht /
[3]
um vor Schreck
auf den klaren Blick meines gefahrvollen Zu-
standes nicht in das
Bodenlose zu sinken.
Laßt uns Ihr treuen mitstrebenden
Freunde! das Leben im großen
innern Zusammenhange betrachten und
es wird Euch alles so
klar werden, wie Ihr es in der
innern, nothwendigen Wahrheit nicht
nur
erkennen und anerkennen, sondern selbst <nur so> aus
freier
Selbstwahl und Selbstbestimmung und Selbstkraft mit mir
darleben
werdet.
Ihr lieben, theuren, theuren Freunde! Es
handelt sich nicht etwa blos
um die Erkennung, Anerkennung und
Anwendung der Kinderführungs- Spiele und
Beschäftigungsweise
welche wir gemeinsam vertreten
sondern es handelt sich in der
gesammten Lebens- Menschheits- und
Geistesentwicklung um die
Erkennung, Anerkennung und Ausübung
eines überwiegend und
unendlich viel Höherem:
um die Erkennung, Anerkennung und
freie Ausübung
selbst gefundener und empfundener
Geisteseinigung
und einfache Kundmachung derselben als
einer
von reinmenschlichen, vertrauenden (ohne alle
äußere
Verklausulierung,
Verwahrung, ohne alle äußere
scheinbare Gewähr- und Sicherstellung.) durch und in
reine
sprechende That.
Eine solche makellose, ungetrübte reine
menschliche Einigung im Geiste
und durch den Geist im wahren und
höchsten Interesse der Menschheit
als reines Ganzes und jedes
Einzelnen als Glied derselben und
die Darlebung und Darstellung
dieser Einheit von einem frei geeinten gegenseitig vertrauenden
Zusammentritt in Offenheit und schaffenden,
darstellenden
Wirken
ohne alle gegen-
seitige sich
Verpfändung - nur gestützt auf die
innere absolute
Wahrheit ächt menschlichen
Wollens,
Wirkens und
Thuns -
dieß
ist es, was die Menschheit auf ihrer jetzigen ganz neuen
Stufe, welche /
[3R]
welthistorische Entwicklung fordert,
dieß ist es was
wir in
und durch
unsern Verein und unserer Lebenseinigung im Geiste
und der
Wahrheit; im Geiste der Wahrheit ihr geben sollen.
Dieß der Welt
zu geben, diese Einigung darzuleben ist
unser welthistorischer Beruf, dazu muß jeder von uns
mit seiner
sich nicht gegebenen sondern empfangenen erkannten und
anerkannten Individualität
mit Selbstbestimmung und
Hingabe
wirken.
In der Verwirklichung und Darstellung
dieser Darstellung des reinen und
freithä-
tigen Lebenseinigung im Geiste und durch den Geist der
Wahrheit
wird alles erreicht und ist und wird alles, Alles
gegeben
was nur jetzt immer die Zeit fordert bedarf, was sie
ersehnt
und erstrebt. Diese Verwirklichung und Darstellung soll
aus
unserm Kreise und zunächst aus dem, sich durch den Geist
der
Wahrheit geeinten Leben von uns dreien oder vieren
hervor-
gehen, dieß ist die welthistorische Bestimmung zu welcher
wir
berufen sind. Von dieser nun klar erkannten Bestimmung
kann
ich eben so klar und anschaulich Euch die
innere Ursache jeder
äußeren Erscheinungen meines Lebens
und Handeln[s] nachweisen.
Es hängt zunächst nun Alles und Alles
davon ab, ob zunächst
wir drei oder vier diese unsere Bestimmung
und unsern Beruf
frei- und selbstthätig in uns finden, ihn alls
[sc.: als] einen ge-
meinsamen pflegend, alle unsere Thätigkeit
darauf be-
ziehenden, festhalten. Werden wir dieß thun, so
werden
sich bald Hunderte ja Tausende von Geistern ebenso
freithätig
an uns anschließen und in dieser freithätigen
Anschließung
nicht blos nur der höchsten, sondern selbst die
Erfüllung der an sich
höchsten Lebensforderung erkennen, und wir
müssen <diese einige>
Lebenseinigung durch eine
unzweideutig sprechende That beweisen. /
[4]
Barop, lieber, treuer und theurer Du forderst
von mir, ich soll
als ein nun schon so lang das Leben prüfend
Lebender frisch und
frei von der Leber sprechen und tun: so von
Dir, mir und meinem
Innern und von den äußeren
Lebensverhältnissen in völliger
Übereinstimmung und Einklange
dazu aufgefordert will ich es denn auch ohne
allen Rückenhalt
thun.
Einen solchen Beweis, solchen äußern wie die Menschen
meinen,
unzweideutigen Thatbeweis innerer Lebenseinigung, frei
und
selbstthätig zu geben liegt nun an Dir; ich glaube nicht,
daß
Dich nach dem was im Buche des Schicksals darüber steht, Dich
da-
von entbinden kann sollen und wollen wir, willst Du
mit
uns gemeinsam der Welt und Zeit geben was sie
bedarf
willst Du mit uns gemeinsam unsere Welt- und
Zeit-
unsere Welthistorische Bestimmung erfüllen. Wie Du sie zu
erfüllen
hast, wie Du sie erfüllen kannst, das hängt zu
erforschen
von Dir ab.
Wir
geben uns unsere Bestimmung nicht, ebenso
wenig
geben wir
auch uns was wir
sprechen, ob und wie wir sprechen das
mögen wir uns wohl nehmen
und somit dann geben. Ich erkenne
Gottes Stimme in allem was mich
umgiebt, im kleinsten / klarsten> Kinde
und dessen stummen
Äußerung warum sollte ich sie nicht auch in
Euch und Dir
anerkennen, und ich thue es, habe es von
jeher gethan
wie ich durch die geheimsten Gedanken, selbst die
widerstrebenden thun
kann, seht und siehe nun aber auch in mir
keine freche Willkühr;
sondern nur sittliche u religiöse,
menschheitliche Nothwendigkeit in dem
was ich sage, frey von
aller Persönlichkeit, denn was ist mir Per-
sönlichkeit, da ich
für mein Handeln weder Fortdauer nach dem
Tode, noch Belohn[un]g
noch Bestraf[un]g nach demselben bedarf, die Handlung
<nur>
als solche giebt mir Alles was ich bedarf.-
Außer /
[4R]
der
innern Wahrheit und Nothwendigkeit
meines Handelns,
außer der Überzeugung
davon bedarf ich auch Nichts als Triebfeder meines
Handeln, ich
werde so überzeugungsträchtig handeln als ich kann, und
wenn
jetzt mein Leben zu Ende wäre und wenn im Moment
<danach>
es verschwunden aus dem Gedächtniß aller wie
verschwunden wäre
wer der war durch
welchen das Bewirkte, erwirkt sey. Ich
bedarf als
Handlungsantrieb weder Lob der Gegenwart noch Nach-
ruhm; ja aus
meinem eigenen Bewußtseyn mag das Gethanhaben
der Zeit- Ort- und
Sachgemäßen That verschwunden seyn - denn
lebe und daure ich
fort, so soll der nächste Moment wieder ein neues
Bewußtseyn
geben, mindestens das Rechte, Wahre, Gute ja
das Nützliche
erstrebt zu haben.
So will ich also mein geliebter theurer
Barop! nichts für
mich und spreche nichts für mich in
dem was ich nun zu Dir
spreche sondern
rein im Namen der Idee und für sich
spreche
ich in dem was ich sage. Nicht einmal das Negative
Ab-
wenden wollen von Mißverständnissen treibt
mich dazu
an nur einzig das rein
einfache positive Wollen, das
als Nothwendig erkannte Wahre u
Rechte wirklich zu thun.
Du siehst und Ihr seht Freunde u Männer
- ich stehe (wenn es auch
wirklich nur zeitweilig seyn sollte)
nicht mehr im Leben
d.h. von demselben umschlungen und
gefesselt wie <Barkran>
(wie ich
es wirklich thatsächlich bisher war) sondern über dem-
selben,
ich bin jetzt vom Starrkrampfstodte auferstanden
zum Leben um -
es wenigstens in der Lebensansicht zu
beherrschen und über
demselben zu stehen.
Nun zur Sache,- Barop Dir gilt es, Dir
zunächst allein
denn jeder soll sich allein und selbsttäthig zur
Wahl und Aus-
führung des Zeit-
Ort- Sach- und Artrichtigen bestimmen.- /
[5]
Du weißt
Barop! ich habe es Dir zum Öfteren und ich glaube wir haben
es
uns gegenseitig als unsere Überzeugung ausgesprochen: der
mensch-
heitlich friedige und freudige Weltplan zur
Fortentwickelung der Men[sch]-
heit in der Entdeckung von
Amerika scheiderte [sc.: scheiterte]
durch
Columbus dadurch,
daß er nicht
aufhörte bei Königen für sein Unternehmen zu werben,
oder
vielmehr und richtiger, daß er nur glaubte und in sich
einzig nur über-
zeugt war, die Entdeckung der neuen Welt könne u
werde ihm nur ge-
legen, wenn Könige sein Werk unterstützten und
was gaben sie ihm
3 elende Barken, die er wer mag es jetzt
bestimmen doch vielleicht
auf reinen menschlichen Wegen auch
hätte erlangen können; ich glaube
es, dahin durch Selbstkraft und
Selbstmittel die Entdeckung zu erreichen und
auszuführen das
wollte ihm das Schicksal zeigen und lehren, als er so jahre-
lang
an 3 Höfen für sein Unternehmen <solicidirte>.- Was sagen
jetzt
alle Denkenden von
Luthers
Wirken und dem Ergebnisse des westphä-
lischen Friedens - die
Fortschritte welche der Menschheit durch die
Kirchenverbesserung
und durch die Lehrreinigung Luthers bestimmt war[en],
hemmte und
trübte er sie nicht dadurch, daß er sie statt sie als
eine Sache
des Volkes werden und seyn zu lassen sie zu einer Sache
der
Weltherrschaft und Weltmacht, d.h. der weltlichen Herrschaft u
welt-
lichen Macht machte?- Was haben wir uns über den Erfolg
der
französischen Revolution durch den, der sie in seine Zügel
nahm, über den
Erfolg von dem Wirken
Napoleons und dessen Schicksal
ausgespro-
chen - haben wir uns nicht gesagt daß alles dadurch
geschahe und
ihm wurde, daß er der Idee untreu wurde, daß er
einen
alten
Lappen, die <
Legi[ti]mität> durch Gott weiß was, auf das
neue Kleide der Selbstbeherrschung
durch das Bewußtseyn der Selbst- und Menschen-
würde ihren
Rechten, Pflichten, Forderungen und Gaben setzte.
Also die
Wahl zur Ergreifung des Zeit- Ort-
und Sach- Artrichtigen
soll aus
der Erfassung des Wesens und der Forderung der, in der /
[5R]
Zeit zu verwirklichenden die Menschheit fortentwickelnden
Idee
liegen.
Nun meine ich <meine[s]> und somit (als
durch das Leben, das Blut und d[urc]h
den Geist, den Willen und
das Gemüth Geeinte) unser gemeinsames
Schicksal lehrt
uns auch uns, will uns wenigstens
dadurch
so sehr wir uns auch dagegen sträuben durch dasselbe
belehren:
- In und durch Dir selbst Fröbel und in und durch
Euch selbst Ihr durch
den einen Geist für die <der
[sc.: die]> Menschheit in der jetzigen Zeit
wahrhaft
fortentwickelnde Idee der Erziehung durch frühe
Kindheitpflege
einig Geeinte, in und durch Euch selbst sollst Du
und Ihr Mittel
Art u Weg finden diese Idee - als eine von Gott
gegebene, auch
ohne äußere - durch halbes Verständiß und
egoistische, eigen-
nützige Absichten fesselnde Hülfe und
Unterstützung auszuführen;
nur so wenn ihr als Gottgewürdigte
Vertreter der Idee, solche
auch rein und frei von allem
fremdartigen <hassenden>, Trübenden
und Störenden ausführt,
nur so werdet ihr als ein Ganzes
die Wohlthäter, die Freunde u
Beglücker der Menschheit werden
ja ihre zweiten Erlöser die sie
bedarf. Denn das ist die Erlösung
die sie ersehnt u hofft, daß
der Geist der Wahrheit sie frei
mache,
ohne uns auf Etwas sich zu
stützen, gleichsam als Grundlage
sich
zu stützen, welchem wir doch eigentlich keinen
Werth an sich zu erkennen
sei dieß nun
entweder die ere[r]bte Macht und Herrschaft - der
äußere
Reichthum oder die zufälligen Verhältnisse der Geburt. Ist
dieß
nun nicht der schreiendste Widerspruch:- die Zeit in ihrem
freien Strebungen sieht mitleidig
oder wie Du es nennen willst
auf ererbte Macht und Herrschaft
auf zusammengehäufte Schätze und
Geldmittel - auf zufällige
Verhältnisse der Geburt und doch geben
wir durch unser Handeln
und <solicidiren>
zu daß wir Nichts, Nichts können ohne
Handbiethung
vom weltlichen Thron,- ohne die Gabe des Reichen und
die Mitwirkung /
[6]
welcher sein Leben und Verhältniß
ein
Legitimes nennt.
Die Forderung
welche dem Einzelnen gilt, gilt dem Ganzen. Als
Einzelne und als
Glieder des Ganzen haben diese Forderung erfüllt[:]
Mein Bruder -
Middendorff und ich - wir haben ohne <solicidire[n]s>
an
fremde Mittel und Unterstützung durch unsere eigene Kraft
nicht
nur, sondern auch durch die uns vom Schicksal [ge]gebenen
Ver-
hältnisse und Mittel, die Idee aus der tiefen Dunkelheit
und
Verborgenheit ans Licht; aus der Unbestimmtheit zur
Klarheit
und Bestimmtheit entwickelt; aus der Verspottung und
Niedertretung
zur Anerkennung und Würdigung erhoben u.s.w. u.s.w.
Du Barop
hast als Mann mit Manneskraft, Muth und Ausdauer dafür
gewirkt
und hast uns halten helfen als der schwache, scheinbar zu
hoch gestrebte
Bau in sich zusammenzusinken drohte; doch alles
dieß scheint nicht ge-
nug - Du wirst einsehen wirst mindestens
ahnen,
das Leben als
ein
Ganzes hat in mir eine neue
Entwickel[un]gsstufe gewonnen, errungen
wie es so eben auch
äußerlich nun sich eine solche zu gewinnen scheint.
In dieser nun
auch äußerlich vielseitig errungene[n] Klarheit - ja
auch
Wahrheit nach Zweck, Ziel, Weg, Mittel, Art u Weise.
Auf dieser
jetzigen inneren und äußeren Entwicklungsstufe wo sich alles klar
nachweisen,
ja
berechnen und
rechtfertigen läßt, wo
die Dunkelheit,
Ungewißheit u Unbestimmtheit verschwunden ist
kommt nun auch die
Anforderung <an uns zu[r]> Herbeischaffung der
äußeren
Mittel auch an Dich lieber Barop, und ich glaube nicht
daß Dich
nach des Schicksalschluß, wenn Du anders ferner als
ein treuer
Mitvertreter u Verfechter bleiben willst; unter
der
ausgesprochen[en] Bedingung der Klarheit und Wahrheit von der
Er-
haltung dieser Forderung befreien kann.- Als ich vor
42 Jahren
als Jüngling von 20 Jahren in treuer Nachgehung der
höheren Lebensfor-
derungen in eine Lage gekommen war, welche man
vielleicht mit /
[6R]
der jetzigen vergleichen kann,
schrieb ich (von Bamberg aus) an
meinem Oheim dessen
muthmaßlicher Mitbeerber ich war.-
Oheim! ich brauche jetzt
zur Ausführung des als wahr erkannten
Lebensgedankens so und so
viel. Man hat mir gesagt daß
ich einst Dein Mitbeerber sey,
schicke u gieb mir daher jetzt bei
Deinem Leben diese Summe die
mir das Leben <erringen> macht, jetzt
will ich Dir noch bei
Deinem Leben mit dem lebendigsten Danke
dafür danken; was kann es
Dir und mir helfen wenn ich nach
Deinem Tode diese Summe bekomme,
dann ist es zu spät, mein
Dank erreicht Dich nicht, wie Du ihn
auch nicht für eine freie That
in Anspruch nehmen kannst, denn
was ich anfange, empfange ich
dann aus der Hand des Todes, - Und
- und der Oheim sagte:
Neffe Du hast Recht hier ist was Du
erbeten - und nicht nur,
wahr habe ich gesprochen aus jener
Unterstützung zur rechten
Zeit ist nachweislich hervorgegangen,
daß ich jetzt zur
rechten Zeit der Menschheitsentwickelung der
Kindheit leben
kann.
Ist aber der Sohn nicht mehr als der
Neffe?- Ich sprach dort-
mals nur für mich u die Idee, - Du
sprichst als Familienvater
für einen Dir von Gott vertrauten
Kinderkreis für dessen in
der Zeit gesicherte Fortentwickelung Du
in die Zukunft blicken
in der Gegenwart schon die Zukunft schauen
und die Zukunft
begründen und bauen mußt. Ich schrieb dort voll
Jugend
Ahnung und Muth aber in Gott- Selbst- Menschen- und
Mensch-
heitsvertrauen. Du kannst jetzt als erfahrener Mann
mit
schon errungener Einsicht mit klarer streng fortgehender
<Person>
mit durch Erfahrung geläutertem Gottes- Selbst-
Menschen- und
Menschenvertrauen [sc.: Menschheitsvertrauen]
reden.- Morgen die weitere
Ausführung
heut, drängt das Leben. Laßt Meldau nicht
ziehen bis Ihr mich gehört habt.