Herrn Carl
Klotz, Wohlgeboren in Frankfurt
a/m.
Keilhau b.
Rudolstadt am 22 Mai
1845.
Hochgeehrtester
Herr
Klotz,
Hochgeschätzter
Herr.
Was werden Sie, Ihre hochgeachtete
Frau Gema[h]lin und lieben Fräulein Töchter von
mir denken, seit
der langen Zeit meiner Abreise von Frankfurt auch noch nicht
eine
Zeile Nachricht, nicht einmal ein Wort des Dankes für das
mir bezeigte besondere
Vertrauen, für das viele von Ihnen und
Ihrem ganzen geehrten Hause empfangene
gütige Wohlwollen von mir
erhalten zu haben?- Werden Sie nun dieses mein
Handeln von Außen
nur angesehen haben, so wird unbedingt der Stab der
Verur-
theilung schon über mich gebrochen seyn, doch ich hoffe,
daß Ihnen die von mir bekan[nt]
gewordene Art meines Wirkens, die
gänzliche Hingabe mit welcher ich mich zu gewi[s-]
sen Zeiten
bestimmten Lebensaufgaben und deren Lösung widmen muß, die
Überze[u-]
gung gegeben haben wird, wie ich zu gewissen Zeiten
gar nicht mir, sondern nur einz[ig]
dem mir gewordenen Berufe
leben darf. Eine solche Zeit habe ich nun, ich möchte
<s[agen]>
von dem Augenblicke, zum Theil noch in Frankfurt
verlebt, als ich mich der Fortdauer
Ihrer geneigten Gewogenheit
empfohlen hatte, nochmehr aber seit meiner Rückkeh[r]
in die
Heimat; und so hoffe ich denn, voll Vertrauen auf Ihrer Aller mir so
viel-
fach bekannt gewordene Güte, wegen meines so langen
Stillschweigens freundlich[e]
Nachsicht von Ihnen Allen, sobald
ich Ihnen eine kurze Skizze meines Lebens und W[ir-]
kens, seit
ich die Ehre hatte Sie zum letzterenmale zu sehen, gegeben haben
wer[de.]
Doch vorher erlauben Sie mir, Hochgeschätzter Herr
Klotz, Ihnen auszuspre[chen]
daß, seit ich Frankfurt verlassen
habe, fast kein Tag verflossen ist, wo ich nicht a[uf]
das
innigste dankbar Ihres und Ihres hochachtbaren Hauses mir bewiesenen
vertr[au-]
enden, ja freundschaftlichen Wohlwollens gedacht
hätte. Was bleibt mir in dies[er]
Beziehung noch zu sagen übrig,
wenn ich Ihnen ausspreche, daß meine mir durch
das Vertrauen
gewordene schöne, sich so freudig fortentwickelnde Wirksamkeit /
[1R]
Ihrem lieblichen NIngelheim und die sich daran
anknüpfenden Freundschaftsbeweise Ihrer
Aller, mir zu einer der
schönsten B[l]üthen meines Lebens gehört, und mich darum das
dankbare
Andenken daran, im duftigen Kranze mit all dem im Leben
empfangenen Schönen, bis zu
den letzten Tagen meines Lebens
begleiten wird.
Nun eine kurze Vorführung meines jüngsten
Wirkens.
Schon in Frankfurt wurde mir, gegen das Ende meines
Aufenthaltes daselbst,
die Überzeugung klar, daß eigentlich nur
dann eine gründliche, die Eltern und die Zöglinge
wie die
Erzieher und Lehrer, sowohl im Beginne, als in dem späteren Erfolge
und so den
Menschen durch sein ganzes Leben hindurch ganz
befriedigende Erziehung nur dann
zu erreichen möglich sey, wenn sich in jedem Orte, wenigstens
eine Mehrheit der
achtbarsten bei der Erziehung der Ihrigen und
der Jugend überhaupt betheiligten Männer
und Väter für tüchtige
Durchführung derselben derselben
vereinigen würden. Dieser
Gedanke; dessen Ausführung mich
besonders in der letzten Zeit meines Aufenthaltes
in Frankfurt,
eben auch in Beziehung auf Frankfurt beschäftigte, nahm
während
dieser mich deßhalb auch ganz in Anspruch; doch gelang es
mir dort blos, einige acht-
bare Männer für die Ausführung, für
die Pflege desselben zu gewinnen, indem es mich
zu stark nach
Keilhau zurück zog, als daß ich der mehrfach an mich ergangenen
Forderung:
Frankfurt nicht eher zu verlassen, ehe bis ein solcher
Verein daselbst wirklich gegründet
sey, nachkommen konnte. Wie
aber der Gedanke dieser Vereine zuerst in Frankfurt
geboren
worden war, so erschien auch dort zuerst in der Didaskalia der Aufruf
zur Aus-
führung derselben, und ich darf wohl annehmen, daß er
von Ihnen bemerkt worden ist.-
Schon auf meiner Rundreise
zeigte sich mir rege Theilnahme für solche Vereine, wie
aber auch
für mein kinderpflegendes Wirken; so übertrug mir z.B. in Gotha ein
ge-
wisser Herr
Drescher, Bankbuchhalter, die Ausbildung
seiner Nichte zur Führerin
eines Kindergartens für seine
ansehnliche Familie, und die seiner Freunde, welche
nun seit
jener Zeit hier unter meiner Leitung ihrer Bildung dafür lebt. In
Keilhau
fand ich Mädchen mit gleicher Bestimmung vor, und so
wurde denn sogleich wieder ein
Bildungscursus für frühe
Kinderpflege und Beschäftigung von mir begonnen.
Nächst dieser
Wirksamkeit war es aber ganz besonders die Ausführung der /
[2]
Erziehungsvereine, welche mich beschäftigte, und so wurde
schon am 14 Februar ein solcher
in unserm aus 10 Dörfern
bestehenden Pfarrspiele
Eichfeld gebildet,
und wenige Wochen
darauf, am 2' März ein zweiter in dem
benachbarten Pfarrspiele
Schwarza. Nach
mehre-
ren Punkten hin wurde nun, wie der Aufruf in mehreren
öffentlichen Blättern erschien,
Saame zur Ausführung solcher
Vereine ausgestreut; so entstand einen Monat darauf ein
dritter
derselben in der benachbarten waimarischen Stadt
Neustadt an der Orla; wo
außer Anderen besonders ein
junger ausübender Arzt dafür thätig war und ist. G[an]ze
Familien
traten hier zu dem Vereine, und die Frauen waren und sind es nicht
minder
wie die Männer durch welche derselbe bis jetzt in reger
Thätigkeit erhalten wurde.
Durch dieß so vielfach angeregte
Interesse an diesem Gegenstande, durch die so be-
wirkte
Besprechung desselben in öffentlichen Blättern, durch die mehrfach
gewünschten
Nachrichten darüber und durch den dadurch
hervorgerufenen Briefwechsel wurde mei[ne]
Zeit vielfach in
Anspruch genommen. In dieser mehrfachen Thätigkeit kam die
Mess[e]
der Buchhändler herbei, welche mich in der Mitte des
vorigen Monats nach Leipzig rief, von
wo aus mich der Wunsch
unseres langjährigen Freundes, des Vorstehers des
Dresdner
Kindergartens; nach Dresden führte um an seinem
Geburtsfeste zugleich auch Zeuge seiner
frohen Hochzeitsfeier zu
seyn. Dieses schöne Familienfest führte mich durch die liebliche
Thei[l-]
nahme seiner Pfleglinge theils, theils durch die
Einweihung eines neuen, sehr günstigen <Bo[dens]>
für den
Kindergarten recht in die frohe und glückliche Kinderwelt ein, in
welcher sich be-
sonders auch des Vorstehers junge Gattin als
dessen künftige Gehülfin so glücklich fühlte.
Daß solche günstige
Zeit nicht verfließen konnte ohne wenigstens zu einem neuen
Kinder-
garten den Grund zu legen und ohne weiter Männer für
Erziehung zu vereinen, da[s]
werden Sie ganz in der Ordnung
finden, und so geschahe [sc.: geschah] aus es auch, kinderliebende Väter
in
dem Plauenschen Grunde traten zur Ausführung des ersten zusammen, und
einig[e]
edle Männer verbanden sich in Dresden um einen
Erziehungsverein daselbst ins Lebens zu ru[fen.]
So verließ
ich nach 14tägigem Aufenthalt, unter der frohen Erwartung baldiger
leb[ens-]
frischer Entwickelungen Dresden, von wo ich nach Halle
und bis nahe Magdeburg
b ging
um
auch dort in gleichem Geiste für Kinderpflege und für
Erziehungsvereine zu wirk[en.]
Nun ging es über Gera nach Keilhau
zurück. In Gera hatte ich die Freude, daß e[ine] /
[2R]
eine vielgebildete erziehende Frau, welche früher aus reinen
[sc.: reinem] kinderliebenden Sinn einen
Kindergarten um sich
versammelt hatte, jetzt die Oberleitung und Führung einer
da-
selbst neu errichteten Kinderpflegeanstalt übernahm, wodurch
ich hoffen kann, daß
sich diese Anstalt in der von mir
angestrebten Weise, zu einer bestimmten Muster-
haftigkeit
ausbilden wird.
Nach fast vierwöchentlicher Abwesenheit kehrte
ich von diesem größeren Aus-
fluge, auf welchem ich Gelegenheit
gehabt hatte früher Begründetes zu pflegen,
Neues zu pflanzen und
frischen Saamen zu junger Saat auszustreuen, nach Keil-
hau
zurück, wo ich nun seit beinahe 14 Tagen wieder angekommen bin. Hier
fand ich
gute Nachricht von dem lieben Main und Neckar vor. In
Homburg vor der Höhe erfreut
sich nemlich der dortige
Kindergarten, so schreibt mir dessen treffliche Pflegerin die
Frau
Hofräthin Müller, des herrlichsten Gedeihens.
Ebenso erfreuend lauten auch die Nach-
richten aus Darmstadt, wo
die von hier dorthin gerufene Kinderführerin zu
bleibender,
steigender Zufriedenheit wirkt; und so sagen Briefe
aus Heidelberg daß unser, für alles
Gute und dessen Verbreitung
unermüdliche
Leonhardi mit Freunden geeint auf
das
kräftigste für die immer vollkommnere Ausführung des daselbst
während meiner An-
wesenheit
daselbst im Kleinen begonnenen
Kindergartens, so wie auch für Ausführung
eines
Erziehungsvereines wirksam ist.
Dieß alles drängt mich nun
aber auch Ihnen, Hochgeschätzter Herr Klotz und
Ihren
hochgeachteten Lieben in dankbarer Erinnerung an die fried-
und freudvollen Wochen,
welche mir Ihr Vertrauen und Ihr aller
Wohlwollen im vorigen Jahre bereitete, endlich
Nachricht von mir
zu geben. Möchte Ihrer Theilnahme deren Inhalt doch auch einige
Freude
machen. Möchte er im Stande seyn die Mißstimmung zu
verscheuchen, welche, wie ich
fürchten muß,
welche mein so langes Stillschweigen
in Ihrem mir doch so werthen Fami-
lienkreise gegen mich
hervorgerufen haben wird, und ich so auch die Freude haben,
daß
Ihre Güte in diesem Falle nicht Gleiches mit Gleichem
vergilt, sondern daß ich mich,
was ich freilich keinesweges
erwarten darf, recht bald mit einigen Zeilen froher
Nachricht von
Ihnen Allen beschenkt sähe. Ich sehne mich wirklich recht sehr
darnach
besonders um zu hören, daß wenn auch der so lang
andauernde harte Winter und das /
[Text bricht ab]