Wittenberg, den 22. Dezember
1845.
Hochgeehrtester und theuerster
Herr und Freund!
Mit dem innigsten,
tiefwurzelnden Danke für die so vielfach aufopfernd hingegebene
Pflege, welche Sie dem Gedanken der Lebenserneuung der Menschheit und
Christenheit durch entsprechende Beachtung und Behandlung der
Kindheit gebracht haben, ergreife ich die Feder, um Ihnen eine kleine
Notiz eiligst mitzuteilen, welche ich aber lieber als eine Sendung
vom Himmel betrachten möchte, die mir gerade in diesem Augenblicke
gekommen ist; es ist dies der einfache Titel eines noch einfacheren
kleinen Schriftchens, mit welchem mich Herr Prediger M. bekannt
machte. Sie führt den Haupttitel:
"Christliche Kindergärten" als die eigentlichen
Primarschulen der christlichen Republik, von Rudolph Stroß
[sc.: Stooß], deutscher Pfarrer des Münsterthals zu Roche. Bern
1845. 42 Seiten.
Diesem Haupttitel zur Seite steht
ein zweiter, welcher den Beisatz enthält: "Versuch einer Beantwortung
der Fragen aus dem Fache der Volksbildung,
welche die schweizerische gemeinnützige Gesellschaft für das Jahr
1845 ausgeschrieben."
In diesem Schriftchen werden Sie
Alles finden, was Sie in diesem Augenblick
zur Förderung Ihres Vorsatzes und zur Erreichung des sich erkorenen
Zieles und Zweckes und zur Aufführung des neuen Erziehungs-Baues
bedürfen: Axt und Säge, Beil und Hobel, Zange und Hammer, Plan und
Grundriß. Nur ein paar Worte aus dem Vorbericht mögen Ihnen dies
Gesagte bestätigen. Indem der Verfasser die Feder ergreift, den eben
angegebenen bescheidenen Versuch zu machen, kann er nicht umhin, vor
allem der verehrten Direction der schweizerischen gemeinnützigen
Gesellschaft Glück zu wünschen, daß sie einen Gegenstand von der
allergrößten Wichtigkeit, welcher zugleich in das Fach des
Armenwesens tief einschlägt und daher auch von dieser Seite die
sorgfältigste /
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Erwägung und Prüfung verdient, zur
Sprache gebracht. Tief in seinem Herzen überzeugt, daß unsere
Civilisation mit der allgemeinen Einführung "der
Kindergärten" eine neue Epoche beginnt, wagt er
es, die Hoffnung auszusprechen, die schweizerische gemeinnützige
Gesellschaft werde sich von dem Gegenstand nicht trennen, bis die
Wichtigkeit desselben alle Theile des heißgeliebten Vaterlandes so
durchdrungen, wie die überaus ernsten Zeichen und Mahnungen der Zeit
es erfordern. Wenn je, so finde hier der Ruf allgemeine Anwendung:
"Pfleget und bauet, bauet das Vaterland! Säemann, säe früh den Samen!
Baumeister, lege den rechten Grund deines Gebäudes tief!" das gilt
besonders in der vorliegenden Frage.
Genug, Sie finden in
diesem Schriftchen Alles, was Sie wünschen und von einem mir und
Ihnen gleich ganz Unbekannten und aus und in einem fremden Lande und
für ein sogenanntes freies Land ausgesprochen. Es ist die
unparteilichste und kräftigste Stimme des begeisterten Mitarbeiters,
welchen Sie sich, welchen wir uns nur immer wünschen können. Sie
brauchen nun unter das Schriftchen nur zu schreiben: "Ja, so ist es,
ich habe es selbst so empfunden, ich habe es selbst so an Kindern
gesehen und selber an der erwachsenen Jugend - gehet nun hin und
führet so bald aus, als Ihr könnt, was hier vorgeschlagen ist."
Verschreiben Sie sich wenigstens sogleich ½ Dutzend dieser
Schriftchen, Sie können keinen trefflicheren, siegesgewissen
Kampfgenossen und Mitgärtner sich zugesellen, als dieses Schriftchen;
Sie werden sich gewiß bald ein zweites ½ Dutzend oder vielleicht gar
ein Dutzend kommen lassen, und zur raschen, als gründlichen und
ausdauernden Förderung der Sache in N. und der ganzen Umgegend ist
jetzt nichts geeigneter, als diese Schrift, es ist wie ein
Himmelsgeschenk gerade zur rechten Zeit, am rechten Ort und zum
richtigsten, besten Gebrauch der rechten Männer. Kein schöner
Neujahrsgeschenk für alle, welche Sie für die heiligste Sache der
Menschheit beleben wollen, als dieses Schriftchen.
Stets dankbar der Ihrige
Friedrich Fröbel.