Marienthal nächst Bad Liebenstein
b. Eisenach
am 30. Apr. 51.
Meine liebe Emilie.
Ich habe mich
recht gefreut und auch nicht minder
Frl. Levin, wieder einmal etwas von Ihnen zu hören,
zwar nicht, wie wir gehofft hatten, unmittelbar von Ihnen, doch von /
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Ihrer Freundin der
Anna Hesse aus Berlin. Wir hatten aber unmittelbar
Nachricht persönlich von Ihnen erwartet, weil Sie in Ihrem jüngsten
lieben Briefe schrieben, dass die Wahl zwischen mehreren Ihnen
gewordenen Anträgen noch schwankend sey und so hoffe ich von einer
Zeit zur andern Nachricht von Ihnen zu erhalten, für welche Stelle
das Schicksal entschieden habe, denn, dass Sie einen Ihren Wünschen
entsprechenden Wirkungskreis gefunden hätten, glaubten wir
bestimmt.
Nun schreibt mir aber Ihre genannte Freundin auf
ihrer Durchreise durch Berlin, dass wie sich Ihre Wünsche noch nicht
erfüllt hätten, Sie eine Ihnen entsprechende Wirksamkeit ersehnten.
In Beziehung darauf komme ich nun mit nachstehender Mitteilung und
Anfrage zu Ihnen: - Ein gewisser
Herr
Eicke, Lehrer in Posen, Grossherzogthum Posen, welcher bisher
eine Spielschule von ohnefähr 25-30 Kindern hatte, sieht sich durch
die Wünsche der Eltern derselben und durch die Fortschritte der Zeit
veranlasst seine "Spielschule" zu einem
"Kindergarten" zu erheben und er hat in dieser
Beziehung sich an mich gewendet, ihm dazu eine genügende und tüchtige
Kindergärtnerin nachzuweisen. Er bietet - da die Unternehmung erst im
Entstehen ist, für das erste Jahr Thr. 50 pr. Crt. Gehalt bei ganz
freier Station und ein eigenes Stübchen im Hause. Dazu noch, da seine
Gattin eine geborene französische Schweizerin und Lehrerin der
französischen Sprache in Posen ist, die Gelegenheit zum
unentgeltlichen Lernen und
Sprechen der
französischen Sprache; - ausserdem aber auch noch die Gelegenheit,
sich zu einer
Lehrerin, wenigstens für die
ersten
Schul- und Unterrichtsjahre
auszubilden, indem er von diesem Monate ab einen
Fortbildungskursus für erwachsene Töchter bis
zur Ausbildung als Lehrerin giebt.
Auch diesen Unterricht soll
die Kindergärtnerin, soweit es deren Freizeit erlaubt unentgeltlich
benutzen dürfen. Als Ersatz für die Reisekosten bietet derselbe
Thr. 12 pr. Crt.
Diess alles sind nemlich zugleich auch
Bestimmungen auf welche schon eine andere Kindergärtnerin eingegangen
war, deren Rücktritt aber durch einen unerwarteten Todesfall
herbeigeführt wurde.
Es war nun jüngst ein gewisser Herr
Kühnert, jetzt Hauslehrer und Erzieher in
der Familie des Herrn Bürgermeisters in Posen, bei mir, bei
Gelegenheit eines Besuches welchen er seinen Eltern, welche bei
Meiningen wohnen, gemacht hatte. Dieser sagte sehr viel Gutes von der
Familie des Herrn Eicke aus, besonders, dass Ordnung, Eintracht und
Humanität in derselben herrsche. Zwar sagte er, dass auch in Posen
die Kindergärten noch ihre Gegner hätten, dass aber viele, namentlich
die Eltern, welche ihre Kinder Hr. Eicke sendeten, ihnen gewogen
seyen. /
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Entscheiden Sie nun in Einklang mit
Ihrer l. Familie was Sie zu thun willens sind. Da
Hr. Eicke baldigen Abschluss des Ganzen
wünscht, so halte ich für das Gerathenste wenn Sie oder Ihr Herr
Vater unmittelbar nach Posen schreiben. Ich habe nemlich soeben einen
Brief dahin abgesandt, Sie l. Emilie darin als Kindergärtnerin
vorgeschlagen, auch gesagt, dass ich Sie aufgefordert habe sich
unmittelbar selbst an Herrn
Eicke zu
wenden. Jedenfalls bitte ich nach der
Einen
oder nach der
Andern Seite um baldigste
Antwort.
Ich wünschte, dass Sie uns für den jetzigen
Sommerbildungscursus, wozu sich schon mehrere gemeldet haben,
wenigstens noch eine Schülerin - eine tüchtige - zusenden könnten, denn diese werden
sehr gesucht und für die sich immer mehr hervorbildenden
Kindergärten, sind noch lang nicht Gärtnerinnen genug.- Frl. Levin
grüsst Sie, wie auch ich.-
Auch bitte ich Sie die werthen
Glieder ihrer Familie achtend zu grüssen von Ihrem treugesinnten
Friedrich
Fröbel.
Die Adresse des Herrn Eicke ist
Posen
Friedrichs-Strasse No. 31.
Nachschrift am 1. May. Wie ich Ihnen liebe
Emilie im Vorstehenden schrieb war schon eine andere der Ihnen
unbekannten Colleginnen für diese Stelle bestimmt, deren Rücktritt
aber ein unerwarteter Todesfall herbeiführte. In Beziehung nun auf
diess frühere Verhältniss schreibt mir nun
Herr Eicke in seinem jüngsten
Briefe vom 15. April.- "Ich wünsche dass es der
eintretenden Kindergärtnerin gefallen möge, schon in der ersten
Hälfte des Monats May hier einzutreffen, weil diess die günstigste
Zeit für neuen Zuwachs ist. Die gestellten (Ihnen obenen genannten)
Bedingungen genehmige ich
alle recht gern,
und bin überzeugt, das Fräulein .... sich bei uns gefallen wird. Eine
Kündigungsfrist liegt in beiderseitigem Interesse, und darum bitte
ich eine solche von drei Monaten verabreden zu wollen. Jedenfalls
wird Fräulein .... mir den Tag ihrer Ankunft anzeigen, ich werde aber
schon jetzt dafür sorgen, dass ihre Stube recht freundlich wird. Den
Gehalt (50 rtlr. jährl.) zahle ich monatlich, wenn Frl. .... es nicht
etwa anders wünscht. Ich hoffe übrigens Frl. .... wird sich hier so
gefallen, dass sie Jahre lang bei uns bleiben wird. Zu den
Reisekosten verstehe ich mich ebenfalls, ich hatte sie übrigens in
meinem späteren Schreiben an Herrn
Kühnert
bereits genehmigt." Auch auf die von mir als das Zweckmässigste
vorgeschlagenen 3 Spiel- und Beschäftigungstunden /
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am Vormittage und 2 am Nachmittage, geht Herr
Eicke ein, und hängt die weitere
dessfallsige Bestimmung von der Kindergärtnerin ab.
Ich habe
meine l. Emilie alles diess so weitläuftig und selbst buchstablich
mitgetheilt, damit alle Umstände zur Berathung mit den lieben Ihrigen
und zur schnellen Entscheidung vorliegt;
welche ich wo möglich gleichzeitig Herrn Eicke und mir, jedoch
jedenfalls ersterem zuerst auszusprechen bitte. An Ihrer Stelle würde
ich unbedingt die Stelle annehmen. Ein Halbjahr ist ja keine Ewigkeit
und Hr. E. wird mir als ein achtungswerter Mann von gedachtem Herrn
Kühnert geschildert.