Marienthal am
Vorabend des heiligen Auferstehungsfestes.
1852
Meine innig geliebte
Luise
Wir haben und besonders ich Deine
Tausend Grüße welche Du mir
und uns noch vor Deiner Abfahrt von
Eisenach vom Bahnhof aus
gesendet hast durch Deine
telegraphischen Freundinnen alle unver-
kürzt erhalten; wir, und
besonders ich erwiedere Dir dieselben durch
die telegraphische
Feder in der ganz gleichen Weise, jedoch mit dem Zu[-]
satz vor
Allem des Deine liebe Mutter und all
unsere lieben Verwand-
ten in Osterode in gleicher Weise recht
herzlich von mir zu grüßen.
Mannichfache Briefe sind gleich
nach Deiner Abreise, noch an dem-
selben Abend angekommen, so von
Frau Dr. Lütkens
mit Bestätigung
der
Lina als Nachfolgerin von
Louisen. Sie erhält Ersatz der Reisekosten
III. Classe auf der Eisenbahn und 64 Rth. pr. Ct. Jahrgehalt.
Auch hat
Fr
Lütkens an Herrn
Auditor
Schmid geschrieben, worüber derselbe ganz
glücklich ist.-
Uns schreibt
Fr. Lütkens, daß der Eintritt einer ihrer
Schülerin[nen] für den Gesammtbetrag von Rth. 130.- für Alles in
Allem nun
entschieden ist, und daß sie rechtzeitig eintreffen
wird.-
Ein anderer freundlicher Brief war von
Middendorff, er schreibt mir
wegen des Fortgangs des Rudolstädter Kindergartens.
Albertine ist
noch in
Hamburg wo er sie Pfingsten besuchen wird.
Frau
v. M.[s] Betten sind angekommen, so wie am gleichen Tage ein Brief
von ihr. Sie wünscht für ihre Schwägerin in
Wien
für 2 Kinder eine Er-
zieherin aus dem Kreise meiner
Schülerinnen. Ich werde Ihr [sc.: ihr]
Henriette
Bothmann
vorschlagen. Ferner sind Briefe eingegangen von
Lina
Kishly aus
Fürth wo sie Unterricht in weibl.
Arbeiten giebt; von
Marie
Krämer mit Zurücksendung der Bücher, Zufriedenheit
mit den Kindergärten und
Unzufrieden mit den Wirkungen ihrer
redlichen Bestrebungen bei ihrem Pflegling.
- Weiter ein Brief
von einer gewissen
Ottilie
Opitz, Frau
Opitz['] Schwägerin, aus
Annaberg, welche sich als Kindergärtnerin empfiehlt.
Der Brief von der Fr. v. M. ist voll von Hoffnungen günstiger
Ent-
wickelungen in
Berlin. So viel ist gewiß daß
diese Frau uner[-]
müdlich ist, sie gleicht in dieser Regsamkeit
Dr. Georgens.
Der Trauergottesdienst für Fr:
Herzogin Ida war am Char-
freitag, also gestern,
Nachmittags 1 Uhr, die Rede von D. R
war trocknes leeres
Wortwerk; alle fühlten es.-
So bin ich nun aber mit den
Begegnissen von Außen ganz zu Ende. /
[157R]
Im Hause
selbst geht alles seinen stetigen ruhigen Gang: die
Köchinnen
befolgen genau Deinen Küchenzettel und Speisen kom-
men bis jetzt
stets schmackhaft auf den Tisch. Aber Deine Rand-
bemerkungen bei
Deinen vorsorglichen Bestimmungen im frei-
en Thee und Bier zu
trinken wollten sich nun nicht verwirklichen
lassen, denn es
wehte in diesen Tagen der schneidend kälteste
Nordwind wie wir
den[n] gestern auch recht dichtes und anhaltendes
Schneegestöber
hatten. Anstatt des Biertrinkens im freien
wo es z.B[.] an dem
Wasserfall Eis gefroren haben wir uns eine
wohlbereitete
Bierkalteschale in der gemüthlichen Stube mit
Deinem angenehmen
Brezelgeschenk recht gut schmecken lassen.
Auch die Kuchen
sind gut gerathen und wir haben uns heut Abend
Deiner
vorsorglichen Bestimmung gemäß den trocknen Kuchen
beim Kaffe[e]
recht gut schmecken lassen.
Wo es das Wetter etwas erlaubte
sind auch unsere kleinen Schwei[-]
naerinnen einmal wieder hier
gewesen, und denke dir wie früher
einmal zwei Kinder jedes ein
Ei den Spielführerinnen brachte (oder
doch bringen wollte, denn
eines verunglückte auf dem Wege, so brachte
vorgestern
ein Mädchen denselben sechs Eier. Mir ist diese Erkenntlich[-]
keit recht rührend.
Nun bin ich aber auch mit all meinen
Nachrichten ganz zu Ende.
Gott sey Dank sind es bis jetzt lauter
gute und was mich ganz be[-]
sonders erfreut lauter
friedliche.
Wenn ich nun bedenke, daß heut schon das erste
Drittel Deiner
ganzen Abwesenheit verflossen ist und Du erst
heut Abend bei
unsern l. Verw. angekommen bist, und Du sie heut
in 8 Tagen
schon wieder verlassen sollst, so thut mir es
wirklich um Deiner
und besonders um der lieben Verwandten willen
recht leid; da
meine ich denn Du solltest ihnen noch den
Sonnabend u Sonntag
schenken, das Lebensfest einte uns dann so
G. w. [sc.: geliebtes Weib ?] doch wieder, und
warum willst Du
gerad Sonntags in Eisenach seyn? - um die Er[-]
sparung eines
Thalers willen?- Überlege Dir also das Ganze nach
den
obwaltenden Verhältnissen nochmals; Deine Entscheidung trifft hier
noch rechtzeitig ein. Mißverstehe mich aber in meiner
Bereitwilligkeit
Deine Abwesenheit zu verlangen ja nicht, sie
geht aus dem reinsten Herzen
aus der innigsten Liebe zu Dir und
den Deinen hervor. Übrigens freue ich
mich zunächst recht sehr
auf Deinen l. Brief. Mit inniger Liebe u. Treue
im Herzen und im Leben der Deine
Friedrich -
Den besprochenen Ankauf des Thürbret[t]es
lasse nur; ich finde ihn nicht mehr nöthig. /
[158]
[leer] /
[158R]
[Adresse:]
An
Frau Luise
Fröbel geb. Levin.
in
frei!
Osterode
am
Harz.