Marienthal am 2n Heil.
Pfingstfest 1852.
Meine
sehr geschätzte, liebe Minna!
Zuforderst
Ihnen meinen herzlichen Dank
für Ihren lieben Brief und für die
erfreuliche
Nachricht von dem guten Fortgang Ihres
Un-
ternehmens. Es ist mir ein Beweis, daß ein
Werk, welches
mit so vielseitigem Vertrauen,
wie das Ihrige begonnen, dadurch
sichern
Grund und freudige Kraft des Wachsthums
hat; möge
dieser Segen ferner auf ihm ruhn.
Auch von meinem Wirken muß
ich ge-
stehen, daß sich das Vertrauen, mit welchem ich
es
begonnen, nach Innen und Außen bewährt,
nach beiden Seiten hin
steigt das Zutrauen
im Wachsthum, nach Außen die Zahl der
Kin-
dergärten, nach Innen die erforderliche Theil /
[268R]
nahme. So lebt z.B. jetzt die Gattin des Herrn
Dr.
Marquart mit ihren beiden eigenen und
einer Pflegetochter hier,
um sich in ein freies
Kinderleben einzuführen. Nächstens werden
uns noch zwei Mütter, jede mit einem Töch-
terchen auf
längere Zeit besuchen, so wie eben
eine Frau aus Heidelberg
wegen der Theil-
nahme ihrer zwei Nichten bei mir anfragt,
so wie jüngst eine gleiche Anfrage von einer
jungen
Erzieherin aus Riga in Livland an mich
gelangte. Theilen Sie
diese Nachricht gelegent-
lich Herrn Hoffmann, Vater und Sohn,
als ein
kleines Dankeszeichen für das jüngst wieder
der
Sache gebrachte Opfer mit, denn der Fortgang,
der gute Fortgang
der Sache, welcher wir Opfer
bringen, ist ja der schönste Dank
für diese Op-
fer selbst. Darum bitte ich, theilen Sie die
vorstehende kleine Notiz den beiden edeln,
aufopfernden
Männern, Hoffmann, Vater
und Sohn, mit, indem mir in diesem
Au-
genblick das Leben noch nicht gestattet ihnen
selbst
schriftlich meinen tiefgefühlten Dank
auszusprechen. /
[269]
Auch Sie, liebe Minna, sind jüngst gegen mein
Haus, gegen meine Frau und meine Schülerinnen
sehr
freundlich gewesen; ich füge zu deren Dank
gern den meinigen;
aber was würden Sie sagen,
wenn ich nun auch noch selbst mit
einer Bitte
zu Ihnen komme. Am 9. Juni ist der Jahrestag
unserer Verheirathung, da möchte ich meiner
Frau gern eine
Freude mit einem modernen
Kleide, am Besten wohl
Woll-Mousseline, je-
doch mittleren Preises, machen. Nun wünscht
meine Frau eine Farbe, zu welcher sie
blaue Kragen-
bänder, deren sie
verschiedene besitzt – tragen kann,
sie mir dazu welche mit
brauner Grundfarbe oder
Hauptton
vorgeschlagen, könnte ich mir nun wohl durch Ihre
Güte mit einer
der nächsten Post um einige Proben
entsprechender Zeuge
ausbitten? – umgehend würde
ich Ihnen mit Übersendung des Betrags
die ge-
troffene Wahl anzeigen und mir dagegen das Kleid
ausbitten. – Seien Sie mir ja nicht bös, liebe Min-
na, daß
ich mit meiner Bitte so spät komme;
seit Wochen trage ich solche
in mir, aber das Le-
ben wollte nicht gestatten, d.h. mir nicht
Zeit /
[269R]
gewähren, solche Ihnen auszusprechen.
Als Festbesuch erfreuen wir uns noch der Fräu-
lein
Marie Krämer aus
Philippsthal.
Zu den obigen Nachrichten will ich noch
fügen; daß Fräulein
Emma
Habicht aus Schmal-
kalden einen Kindergarten in Freyberg,
im sächsischen Erzgebirge übernehmen wird.
Nun Ihnen und
Ihrer werthen Frau Mut-
ter meine herzlichsten Grüße. Meine Frau
ist mit den Schülerinnen und Gästen auf ei-
nem
Festspaziergang.
Mit den theilnehmendsten Gesinnungen
Ihr
väterlicher
Freund
Friedrich
Fröbel.