Biologie der Leidenschaft.
Manchmal nehm'
ich ein Buch, von Menschendingen zu lesen,
Freue der Kämpfe
mich still, die in den Herzen getobt.
Aber dann werf' ich es
fort von plötzlicher Fremdheit ergriffen,
Denn die erkaltete
Schrift, hilft sie dem Lebenden fort?
In mir liegen die Rätsel, die Kämpfe, die Wünsche, die
Leiden;
Ach, mein eigenstes Sein deutet ein andrer nur
nie!
Und wie beklag' ich es oft, daß die Natur mir, die
reiche,
Keine Gabe der Kunst unter den Gaben verlieh.
Hin dann stellt' ich das bunte, noch lebenwarme
Gewimmel,
Spräche mit innigster Kraft: Sieh, wie unendlich es
ist!
Unergründbar dem Wort, dem Begriff, der gleißenden
Schlange,
die als Götze Verstand uns um das Beste betrügt.
Aber nun gab sie ein andres und wohl ein seltnes
Vermögen
Mir in den Schoß und sprach: "Damit erkämpfe den
Weg!
Sieh dem Menschen hinein in den labyrinthischen Busen
Greife mit mutiger Hand scheidend, entwirrend hinein.
Immer tiefer begehre, "das Menschliche" rein zu
durchdringen,
Aber in seiner Gestalt laß es mir
unangerührt!
Kein Symbol, kein Gleichnis vernichte den
blutwarmen Atem:
So nur geb ich es dir; wahrlich ich gebe dir
viel.
Denn wer "das Menschliche" kennt, dem treten
des Lebens Bahnen
Immer klarer heraus in das besonnene
Licht.
An das verehrungswerte, das uranfängliche Dunkel
Taste nicht; denn in ihm schweigt der verborgene Gott."
So nun that ich, und heiters Glück verblühte mir manchmal,
Schwang ich hoch mich empor über der Irrenden Schar.
Aber
die Leidenschaft, der Dämon des menschlichen Herzens, -
Ihr
gehorcht ich wie sie, ihr entwand ich kein Wort.
Sehnsucht, Zorn und der Liebe so qualvoll gesteigerte Formen
Brausten in mir: kein Licht hellte den Abgrund nur auf.
Niederwärts, aufwärts warfen sie mich wie ein schimmernder
Springquell:
Das war mein einsamstes Leid, das war mein
jubelndstes Glück.