Mittwoch. 17. Aug.
Ob Sie wohl inzwischen mit
sich zu den gleichen Resultaten kommen? Ob Sie von mir anderes zu
hören wünschten? Ich kann es nicht wissen u. kann auf jeden Fall nur
schreiben, wie ich denke. Es quält mich das Bewußtsein, daß nun, nach
einer so wirklich ungetrübten Zeit seelischer Ruhe doch Ihre Nerven
so empfindlich sind. Lassen Sie es nicht anwachsen, mein kleiner
Bruder, man übt sich auch im Widerstand dagegen, ich weiß es. Sie
brauchen doch im Grund nur irgendwie einen Standpunkt
darüber zu suchen. Ich kenne so gut das
Gefühl der Freiheit u. innerer Unabhängigkeit, das man sich solchen
Widerwärtigkeiten gegenüber erkämpfen kann. Nur solange man
druntersteht, haben sie Macht über das Gemüt. Wir sind uns im
Temperament sehr ähnlich, u. ich staune oft, wie bis ins Kleinste
hinein mir Ihr Wesen u. Tun durchsichtig sind. Lassen Sie mich doch
auch aus der Ferne ein wenig mithelfen, die Unebenheiten zu
überwinden - wie es uns im frohen Zusammenleben so selbstverständlich
war. Ja - man hat gut, Ruhe zu predigen. Ich will ja aber auch das
Meinige dabei tun u. ein gutes Beispiel geben. Das ist nicht immer
ganz leicht, u. die guten Vorsätze kippen manchmal um.
Aenne ist doch noch ziemlich
angegriffen u. sehr ungleich im Wesen. Bald intensiv u. eindringlich
teilnehend - fast an der Grenze dessen, was mein
Freiheitsgefühl ertragen kann, und dann wieder gekränkt, sowie sie
meint, daß meine Gedanken ihr unzugänglich seien. Es ist dies, wie
Sie wissen, der Grundton unsrer Beziehung seit Jahren, u. ich weiß
nicht, wie ich darüber fortkommen soll. Wenn ich nicht atmete, ohne
ihr davon Rechenschaft zu geben, wäre
vielleicht alles gut. Aber das kann ich nicht
ertragen u.
will einfach nicht. Aus diesem
Grund kommen aber laufend leise Verstimmungen, die sich dann in recht
ungeeigneten Äußerlichkeiten entladen. Es ist ein Elend. Was haben
Sie zu meinem Konterfei gesagt? Es mag ja ähnlich sein, aber es
scheint mir doch recht wenig günstig. Es gibt doch wohl auch mal
einen vorteilhafteren Moment. - Von den andern Aufnahmen schicke ich
Ihnen hier die Abzüge, die sich leider nicht halten werden, da das
Papier nichts taugte. Diejenigen, die Ihnen davon gefallen, bekommen
Sie dann nochmal in guter Ausführung. Dies ist halt mal zur Ansicht,
denn Sie werden doch auch neugierig sein. Die 3. Aufnahme der Mühle
ist ganz minderwertig.
Daß sich die Rechnungen wiederfanden,
schrieb ich schon. Es war mir halt ein greulicher Gedanke, wer sie
gefunden haben könnte. Geordnet habe ich die Sache noch nicht, u. es
wird ja auch in diesen acht Tagen hier noch Zeit dazu sein.
Vielleicht bleibe ich sogar noch etwas länger, allein. Ich wollte
aber,
Aenne bekäme auch
Nachurlaub, daß sie sich gründlich erholen könnte. Sie braucht es so
dringend.
Mir gehts recht gut. Es ist auch ein unglaublich
materielles Leben.
Auch die Haare hören auf auszugehen, also - was will man mehr.
Aenne behauptet, ich hätte
schrecklich viel weiße bekommen, während ich fort war. Das werden
halt die Sorgen sein um meinen lieben Jungen. Ich bin froh, daß der
Schrank nun in Ordnung ist u. hoffe, so soll sich alles mit der Zeit
ordnen. Lassen Sie sichs nicht mehr anfechten, als dringend nötig
ist, u. nehmen Sie die Sachen möglichst äußerlich, - als Dinge, die
die Seele nicht berühren sollen. Wenn man so nach Freiheit strebt wie
wir, dann sollte man auch von allem Kleinlichen immer unabhängiger
werden u. sich nicht so leicht verstimmen lassen! Jetzt sind wir
schon wieder über eine Woche getrennt. Die Zeit ist lang seitdem, u.
doch ist mirs auch wieder, als hätten wir erst eben Abschied
genommen. Grüßen Sie
Ihren
Vater herzlich. Hoffentlich geht es ihm gut? Verständigen Sie
sich gut mit ihm? - Aenne grüßt vielmals. Und ich? O, Sie wissen ohne
Worte, mein Liebster, wie ich Ihrer gedenke.