21. Juli. Aber trotzdem ist immer keine Zeit
zum Schreiben! Es ist unglaublich, u. Sie hätten wirklich Grund zu
zanken. Aber ein bißchen muß auch die
Aenne davon bekommen, die mich in Anbetracht ihrer
baldigen Abreise ziemlich viel beansprucht. -
Ich war so froh,
daß Ihr letzter lieber Brief von guter Stimmung berichtete. Möchte es
Ihnen doch weiter gut gegangen sein! Nur mit dem Zahn ists noch nicht
in Ordnung gewesen, was ist das nur? Es beunruhigt mich, daß es
wieder Schmerzen gemacht haben könnte. - In Gedanken bin ich immer
bei den Plänen für die Reise. Und so will
[3]
| ich auch heut
möglichst über die noch schwebenden Fragen mit Ihnen verhandeln u.
alles, alles Andre soll warten, bis wir uns
sehen.
Wegen des Zimmers will ich heute mit
Coss reden. Es wäre gewiß ganz
empfehlenswert, nur ist es ein wenig weit vom Bahnhof: bei der
Jesuitenkirche.
- Da, eben wird Ihr
Brief in den Kasten geworfen u. wie sehr erregt er mich! Auch ich
habe die Gedanken an mögliche Veränderungen immer absichtlich bei
Seite geschoben, weil ein Grübeln nichts nützt u. ein Verbohren in
Wünsche u. Hoffnungen nur quält. Es
muß ja
einmal kommen u. da augenblicklich die Verhältnisse erträglich sind,
so war es besser in Ruhe gut warten. Aber wie meine stillen Wünsche
für Ihr Schicksal Sie begleiten,
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| wie heiß ichs ersehne,
daß Erfolg u. Ehre u. äußere Sicherheit Ihnen nun bald, recht bald
sichtbar entgegenkommen möchten - das wissen Sie. Was ich wünschen
soll von all den Möglichkeiten, weiß ich nicht.
Leipzig hat auch so sehr die Schattenseiten des
Großbetriebes u. ich hätte um Ihretwillen lieber gesehen, daß Sie für
kurze Zeit auch einmal die Vorteile einer stillen Kleinstadt genossen
hätten. Aber wie es auch komme, es muß zum Guten sein u. meine
treuen, innigen Segenswünsche geleiten Sie.
Ach, wären wir doch
schon 14 Tage weiter, daß wir reden könnten. Dresden ist doch nicht Universität, was solls denn
dort? -
Ihre Vorschläge wegen Ihres Hierseins sind mir sehr
recht, lassen sich auch je nach Bedarf abändern. Wegen
[5]
| des
Ankommens wäre es am besten, daß Sie am
Karlstor ausstiegen u. wir gleich mit der
Elektrischen schon das Gepäck in Ihre Wohnung brächten, dann
gemeinsam irgendwo zu Abend äßen. (Der Zug hat meist Verspätung!)
Wegen
Speyer ist
Aenne sehr dagegen, das auf dem
Hinweg zu machen. Aber ich finde, wenn es Ihnen lieb ist, tun Sie es
ja! Ich würde
den alten Herrn
gerne kennen lernen, u. vielleicht können wir auf der Fahrt auf den
H. H. dort einige Stunden bleiben u. dann in
Germersheim doch noch den Zug bekommen, der
um 4 Uhr in
Kaltenbach ist. Ich will das
jetzt alles mal mit dem Plan ausrechnen. - Wegen
Ruska werde ich nachforschen,
aber am Tage der Abreise geht das nicht. Wir müßten dann eben erst am
Sonnabend in die
Pfalz fahren. Vielleicht
ists auch
[6]
| besser, dann können wir noch hier einkaufen, was
Sie etwa brauchen. Gepackt habe ich natürlich schon, ehe Sie
kommen.
Mein lieber ordentlicher, außerordentlicher, äußerst
ordentlicher Freund, Sie haben mich wirklich sehr in Aufregung
versetzt mit Ihrem Schreiben! Ich wollte, es käme nun mal auch die
Entscheidung, damit Sie in Ruhe u. doppelt froh unsre Sommerfrische
genießen können. -
Ich hätte mir den Tag hier eigentlich so
gedacht: morgens Schloß u. Sie vor Tisch noch zu
Ruska. Essen bei mir, (
Kümmelbacher sehr schlecht!) dann
Neckartal,
Walkmühle (muß sein!) und abends
Dilsberg. Dann können wir Freitag über
Speyer oben sein. Was meinen Sie dazu?
Bringen Sie ja die Mappe mit, die muß der Sattler machen.
Coss[7]
| reist
Mittwoch [über der Zeile] oder Donnerstag - er wird es wohl selbst
schreiben, denn nach dem Kalender sehe ich, daß seine Angabe nicht
stimmt.
Hoffentlich bewährt sich
das Mädchen, sodaß Sie beruhigt reisen können.
Jedenfalls genügen auch 260 M
reichlich,
ich hatte Sie nur bitten wollen, nicht noch
mehr zurück zu lassen! - Pension auf dem
H. H. ist 3,50 M, aber Getränke!! Immerhin
große Unkosten kann man sich da oben nicht machen. Also dehnen wir
nur die Sache möglichst in die Länge. Ich bin sehr ungeduldig u.
hoffe, daß uns nun nichts mehr dazwischenkommt. Die o's u. a o 's
etc. sollen warten bis Sie wieder in
Berlin
sind!
Ich schreibe Ihnen noch bald genauer, über die
Einzelheiten hier u. für
[8]
| unsre Fahrt in die
Pfalz. Ich möchte Ihnen zu Haus auch allerlei
zeigen können, also eigentlich wäre es wohl besser, wir nähmen uns
gleich vor, erst Sonnabend weiter zu fahren. Es ist sonst eine
schreckliche Hetzerei.
Nachher - um 2 Uhr - gehe ich zur Bahn,
treffe
Aenne,
Frl. Seitz,
Coss u. wir fahren nach
Hirschhorn,
Ersheimer
Kapelle,
Burg, dann Neckarfahrt,
Neckarsteinach Abendbrot. Ich wünschte Sie so
dazu herbei! Aber machen Sie nur, daß Sie recht bald kommen zu
Ihrer
ungeduldigen Schwester.
Und einen extra-ordentlichen Gruß an
den ordentlichen Professor in spe, mit oder ohne Seifenblase - auf
alle Fälle!