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Charlottenburg, den 30.XII.13.
Liebe
Freundin!
Es ist mir nicht möglich, das alte
Jahr mit einer Unklarheit zwischen uns zu beschließen. Den Anlaß dazu
gibt der beiliegende Brief, den ich eigentlich erst an
die Tante mit der Bitte um
Auskunft senden wollte. Aber wozu diese Vermittlung?
Zum
zweiten Mal werde ich auf dieselbe Sachlage hingewiesen. Ich habe
keine Veranlassung, eine andres als freundshaftliches Motiv dafür zu
suchen, und bin für diesen Brief deshalb dankbar. Im folgenden gehe ich von der
Hypothese aus, daß der darin geschilderte Tatbestand zutrifft. Ich
brauche nicht zu sagen, mit welcher Aufregung, ja ernsten Verstimmung
mich das erfüllt hat.
Was Sie da tun ist ein Unrecht
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gegen Sich un gegen mich. Sie fehlen gegen Grundsätze, die niemand
unablässiger <ein Wort
unleserlich> als Sie; und Sie tun es, ohne die mindeste
Notwendigkeit. Denn vorausgesetzt, daß Sie
so sparen müßten, so hatte ich das Recht, daß
Sie mir dies schon früher sagten, als wir dasselbe Thema behandelten.
Da nun diese
offene und
selbstverständliche Erklärung gefehlt hat,
so habe ich den Schmerz, Sie auf einem Wege zu finden, der, wie Sie
wissen, die Beziehungen zwischen
meinem Vater und mir Jahrelang schwer getrübt hat.
Sie werfen mich außerdem in einen Kreis von Sorgen zurück, von denen
frei zu sein für mich deshalb Lebensbedingung ist, weil alles
Kleinliche das Wertvollere hindert. Es bleiben
begründete Sorgen genug.
Ich möchte Sie
herzlich bitten, Ihren Zorn nicht wieder gegen die Schreiberei des
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| Briefes zu wenden, sondern sich ernstlich zu prüfen, ob
dieser Brief recht hat. Ich verpflichte Sie, über die Mitteilung des
Briefes gegen
Frl. Knaps zu
schweigen.
Der Tante können Sie
ihn zeigen. Für mich gibt es hier nur zweierlei: entweder tiefe
Dankbarkeit gegen die Schreiberin, die mich - jene Hypothese
vorausgesetzt - auf etwas aufmerksam macht, was mich innerlich mehr
erregt, als Sie ahnen, - oder aber künftigen Abbruch der Beziehungen,
falls die Hypothese nicht zutrifft, wegen unerhörter, fahrlässige
Einmischung in
unsre Kreise.
Ihre
Antwort, die mir erst wieder Ruhe bringen wird, erbitte ich umgehend
per Eilbrief. Um so mehr, als das ganze
Schicksal der
Casseler Tage davon abhängt.
Beschönigen Sie nichts. Ist es so, wie der Brief sagt, dann soll die
Diskussion darüber mündlich nicht wieder aufgenommen
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werden. Ich darf denn aber erwarten, daß Sie sich der Form fügen, wie
ich diese Mißstände regle.
Sie erwarten vielleicht, daß ich
über diesen Fall in weniger erregtem Ton zu Ihnen spreche. Aber
überlegen Sie selbst, ob ich das alles nicht so empfinden muß. Ich
habe keine Zeit abzuwarten, bis ich ruhiger werde.
Ein Wort zu
Neujahr daran zu knüpfen, paßt nicht, wo sich so andersartige Gefühle
momentan vorgedrängt haben. Daß aber die alten dahinter liegen und
daß auch dieser Brief nur aus diesen
erwächst, das überlasse ich Ihnen zu fühlen. Sie werden es.
In herzlicher Liebe wie stets
Eduard.
Den Brief bitte zurück.