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Die
erste dieses Jahres,
gefunden schon
vor 14 Tagen.
<eingeklebt: Herbstzeitlose>
Partenkirchen, den 29.8.20.
Mein
geliebtes und einziges Herz!
Unsre zeitlose
Gemeinsamkeit hat zeitlich den 17. Jahrestag erreicht, und ich grüße
Dich dazu viel tausendmal mit tiefem Dank gegen das Geschick, das
Dich mir sandte. Ohne Dich wäre ich nicht geworden, was ich bin. Wir
sind so eins, daß wir eigentlich immer gemeinsam zeichnen müßten! Vor
7 Jahren feierten wir den Tag durch ein Festessen in
Alpirsbach. Diesmal geht es nur durch ein stilles
Gedenken. Vielleicht ist es gerade für Deine Familie ein festlicher
Tag. Ihr mögt dann das Kleine
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| Käthe oder mit einem
überzähligen Vornamen Eduard nennen.
Hier verlaufen die Tage
gleichförmig. Von Dienstag bis Freitag hat es geregnet. Jetzt ist es
noch ganz bezogen, kühl und unbeständig. Ich kann m. Balkon nicht
benutzen und habe das Quantum Sonne noch nicht, das ich brauche. Aber
m. Arbeit schreitet um so ungehinderter fort. Ich habe (s. die
unverbindliche Übersicht!) gestern den ökonomischen Menschen
vollendet, beginne morgen den ästhetischen u. habe bisher ca 175
Quartseiten. Die Mitte des Ganzen wird wohl mit dem politischen
Menschen erreicht sein.
Das Haus leert sich schon; es ist für
mich angenehm still. Am Dienstag reist
D. Th., deren Gesamteindruck mir nicht recht
gefällt. Dabei soll sie jetzt Frau Direktorin werden. Heut vor 8
Tagen habe ich sie in den letzten Sonnenstrahlen, die wir hatten, 2
Stunden spazieren gefahren. Das Buch ist angekommen. Ich danke Dir
vielmals für die freundliche Bemühung. Einen Dank von Ihr habe ich
wohl überhört. Sie äußerte aber den Wunsch, Dich zu sehen. Ich sagte,
Du könntest
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| Dich nicht gut freimachen.
Frl. Guttmann ist auch zu
allgemeinem Staunen der beiden Orte hier eingetroffen. Ich erzählte
ihr, daß Du
das Mädchen immer
angetroffen hättest. Dienstag Nachm. (leider!) werde ich sie in ihrer
Pension Baltia in Garmisch abholen u. mit ihr
nach
Ruine Werdenfels u.
Farchant gehen, falls das Wetter besser ist.
Überhaupt will ich nun ein paar anregende Ausflüge machen. Wegen
Maul- und Klauenseuche sind freilich ein paar der schönsten Wege
gesperrt.
Mir geht etwas im Kopf herum, das ich Dir doch mit
allen Hypothesen u. Vorbehalten mitteilen möchte. Es geschähe viel
hoffnungsvoller, wenn ich das Zimmer in der
Pestalozzistr. schon vermietet hätte. Aber
eigentlich muß ich mich nun wohl darum kümmern. Wäre dies nicht, so
hätte ich eigentlich keinen Anlaß in das unruhige u. teure
Berlin zurückzukehren, ehe die unmittelbaren
Semester- u. Seminararbeiten beginnen. Und wenn Du nun wolltest und
könntest, dann - hypothetisch - käme ich Ende September (so um den
21.) noch 14 Tage nach
Heidelberg. Bedingung
wäre natürlich 1) daß Du da bist 2) daß
der Vorstand mich - gegen eine
Pension von 16-18 M
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| aufzunehmen geneigt wäre 3) daß ich
Eure Wintervorräte nicht vorzeitig verbrauche. 4) Daß Du in Deiner
Tätigkeit nicht gestört wirst. Solltest Du diese noch
nicht aufnehmen - aus andern Gründen - so
würde ich Dich bitten, mir bei meiner Arbeit zu helfen. Ich hoffe
nämlich, hier bis zum Schluß von Teil III zu kommen (was freilich das
Maximum wäre) und würde dann in Heidelberg den 1. u. wichtigsten Teil
noch einmal ganz umarbeiten, so daß er druckfertig u. eine ganz genau
passende Einleitung wird. Ich würde also jeden Tag von 9-1 arbeiten.
Nachmittags könnten wie an den Neckar oder in den Wald; abends würde
ich Dir die fertigen Teile zur Begutachtung vorlegen; für das
Petroleum würde ich aufkommen. Das sind so meine Träume. Denn ich
weiß nicht, der bevorstehende Winter ist mir unheimlich, u. wer kann
sagen, wann man sich wiedersieht. Durch Eure Güte würde ich in H.
nicht teurer leben als in Berlin.
Hier habe
ich bereits eine Rechnung von 800 M. 1 Buch
Bogen kostet 5 M!
Es wäre schön, wenn Du, ohne Deine
Besuche bei
Frau Labes einzuschränken,
Frau Paulsen noch besuchen
könntest. Frage aber tel., ob sie nicht verreist ist. Für den
Schieberorden habe ich Dir noch nicht gedankt. Mit den beiden
Schirmen hast Du Dir unsterbliche Verdienste erworben. Ich grüße Dich
viel tausendmal u. lasse mir die Jahre noch einmal vorüberziehen.
Welcher Reichtum, u. wie jung sind wir für
<li.
Rand> einander geblieben, wenn ich auch heut nicht auf den
weißen Stein käme. Auch den Deinen viel Liebes.
<Kopf> Ewig in Liebe Dein
Eduard
[re. Rand] Post hier Gottlob sehr
mäßig.[re. Rand S. 1] Zu jedem Typus lese ich
etwas zur Einstimmung: so Kants
Leben, Soll u. Haben, Kaufm. v. Venedig, <Name
unleserlich> u.s.w.