nur ein ungewöhnlicher Anlaß läßt
mich heute schon wieder schreiben. Denke Dir, am 10. Januar ist
Tante Hedwig Eggert plötzlich
gestorben. Zwei sehr liebe Briefe hatte ich in den letzten Wochen von
ihr, sodaß ich an ein so rasches Ende garnicht dachte. Sie ist im 80.
Lebensjahr u. hat viel, viel Leid getragen, jetzt war ihr Alter
einsam u. die Sorgen hörten nicht auf - so ist ihr wohl die Ruhe zu
gönnen. Aber was wird nun mit
Tante
Grete, die entschieden nicht mehr allein bleiben kann? - Und
vor allem ist mein Gedanke der, ob vielleicht die Wohnung frei wird
u. für Dich brauchbar wäre? Es sind 6 Zimmer, etwa so verteilt, wie
ich aufgezeichnet habe, die Größenverhältnisse stimmen aber nicht
genau. - Ob nun Tante Grete allein da bleibt, ob die Untermieter los
zu werden sind - ich weiß garnichts, hatte nur eben ganz überraschend
die Todesanzeige. Wenn Du nun glaubst, daß es in deinem Interesse
wünschenswert ist, daß ich an Ort u. Stelle bin u. eventuell für Dich
die Wohnung zu erlangen suche, dann mache ich es möglich zu kommen.
Ich möchte natürlich nicht allzu lange hier fort sein wegen der
einträglichen Arbeit, also die Sache nur so einrichten,
wie es für Dich am nützlichsten ist. Bitte,
laß nun mal nicht unnötige Zurückhaltung u. Rücksicht walten, sondern
lediglich die klare Erwägung der Zweckmäßigkeit, u. antworte mir
geschwind, was Du denkst. An Tante Grete schrieb ich, daß ich am
liebsten zu ihr käme, aber nicht gut fortkönnte (um Zeit zu
gewinnen). Denn daß mein Kommen für sie sehr nötig wäre, glaube ich
wohl. - An
Tante Hedwigs Tochter
werde ich schreiben, daß sie mir gleich Nachricht geben möchte, falls
die Wohnung frei wird. So hoffe ich,
[2]
| versäumen wir nichts.
Jedenfalls wäre es ja noch Zeit, wenn ich Ende des Monats käme -
wegen der Erhöhung am 1. Februar. - Nun - wir werden sehen! Im März
reist auch mein "
Arbeitgeber".
Über meine Tätigkeit im Labor möchte ich Dir gern auch noch
die Beruhigung geben, daß es ein erfreulicher Verdienst ist u. mich
im übrigen ganz u. garnicht berührt. Ich bin ja keine Untergebene;
der Dr. braucht meine Hilfe, denn er kann das nicht machen, was doch
für sein Buch notwendig ist. Er vermittelt mir also diese
einträgliche Arbeit u. was er im übrigen für ein Mensch ist, geht
mich nichts an. Wir verkehren nur sachlich mit einander u. meistens
ist er überhaupt abwesend während meiner Arbeitsstunden.
Die Laborantin hat einen
Verkehrston mit ihm, der mir unsympathisch ist, aber mit mir nimmt
die Distanz bei längerer Bekanntschaft nur zu. -
Dann taucht
auch die Sache mit dem
Leipziger
Doktoranden wieder auf.
Lili
Scheibe schreibt, er würde nun ohne Frau kommen, aber ich weiß
noch nicht:
wann? Wenn es nicht mit unsern
Plänen kollidiert, würde ich sehr gern etwas Miete dabei verdienen,
denn die Kosten für die Wohnung steigen unheimlich. Also lauter
Tauben auf dem Dache! Der einzige Sperling in der Hand ist die
Zeichnerei. - Auch mit der Bank hatte ich wieder zu verhandeln. Die
Darmstädter Bank gibt neue Aktien aus u. ich habe mein Bezugsrecht
geltend gemacht. Gebe der Himmel, daß wir nicht dabei verlieren. Denn
natürlich möchte ich dann mit Gewinn von den alten Aktien verkaufen.
Ich bedaure nur, daß ich nicht damals noch mehr in Obligationen
umsetzte, es wäre klüger gewesen. - So das wäre ein richtiger
Geschäftsbrief. Hoffentlich trifft er Dich so erfolgreich
schnapfend, wie mir Deine
liebe
<Kopf> inhaltreiche Karte
meldet. Am Mittwoch wäre ich brennend gern dabei gewesen. - Für heute
ade, mein Lieb. Laß mich wissen, ob Du überhaupt Wert auf die Wohnung
legen würdest u. sei viel tausendmal gegrüßt von Deiner Käthe.