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Marienburg, den 16. April
1924.
Mein innig Geliebtes!
Nur einen kurzen Bericht, soweit es die hier sehr besetzte Zeit
gestattet. Ich bin von den Tagen hier sehr befriedigt. Sie sind für
mich lehrreich, für die Teilnehmer fruchtbar, außerdem heiter und
harmonisch. Der Eifer der ca 40 Mitglieder ist
groß, das Niveau etwas höher als in der Studiengemeinschaft, und
einige hoffnungsvolle Leute. Ich selbst habe 2 Vorträge extemporiert,
die Hauptsache aber ist die Leitung der Diskussion, wenigstens die
ideelle Leitung. Man scheint mit mir zufrieden. Ich gewinne Eindrücke
aus der Praxis und sehe, daß mein Standpunkt für sie fruchtbar werden
kann. Also ehrliche Arbeit u. gutes, frisches Leben, denen nur die
Preuß. Lehrerzeitung in einem Warnungsartikel hinterhältige Motive
unterzulegen vermochte.
Wir essen alle zusammen Mittag und
Abendbrot; auch des Abends bleiben wir meistens noch zusammen. Der
Tag dehnt sich so von 8-11 aus. Heut erwarte ich
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Litt, der aber nicht mit nach
Königsberg kommt. Ich fahre morgen nach
Elbing, bleibe dort die Nacht; bei passablem
Wetter gehe ich noch 2 Tage nach
Rauschen, am
Ostersonntag nach Königsberg, am 24.IV zurück. Bitte erwarte von der
Reise jetzt keine Nachricht mehr. Ich muß die freien Stunden endlich
einmal wieder etwas
lesen.
Die
Marienburg ist weit über alle Erwartungen
bedeutsam - ein kleines Kompendium deutscher Baugeschichte und
Kunstgeschichte und Geistesgeschichte übpht. Leider kann man sie
nicht mehr vom anderen Flußufer sehen; denn dort ist - Ausland! Der
Freistaat Danzig. Die Stadt, soweit sie alt
ist, d.h. 2 längere Straßen u. 4 Gassen, die Hauptstraße auf beiden
Seiten ganz mit Bauten, ist eigenartig in diesen ihren Teilen, ja
fast gemütlich; sonst aber über alle Maßen unorganisch und
schauerlich geschmacklos. Auch Umgegend fehlt.
Ich werde mir
erlauben, Dich unter
Riehls
Gratulanten zu setzen und 10 M für Dich einzuzahlen. Die Adresse habe
ich formuliert.
Propp war schon
vor 14 Tagen fleißig bei der Arbeit. Am 24. Abends kehre ich erst
zurück. Hoffentlich ist das für die Vorbereitung der Feier nicht zu
spät. Ich bin neugierig, ob
H.
Maier die kleine Funktion, die ich ihm zugewiesen habe,
wirklich erfüllt. Sei innigst gegrüßt,
auch
auf 1100 km. Entfernung und verlebe das Osterfest, wie ich, im
Gedanken an unsre Gemeinsamkeit. Hier ist noch kaum ein
<linker Rand> grünes Spitzchen. Grüße auch
unsre Freundin - malgré tout.
Dein Eduard.
[re. Rand]
Susanne ist nicht abgebaut u.
hat ihre Reise angetreten: Sonnabend - Sonntag
<Kopf> ist sie in Würzburg.
Heidelberg steht nicht auf ihrem
Programm.