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Heidelberg. 5. Dez.
26.
Mein geliebtes Herz,
siehst Du, so bin ich mal wieder. Aber Du wirst es vielleicht
garnichts Besonderes finden? Die Hauptsache, weshalb ich am Sonnabend
schrieb, vergaß ich richtig, nämlich den Dank für Deine liebe, treue
Sendung, die am Donnerstag ankam; den Postabschnitt wollte ich erst
dem Boten als Wechselgeld zurückgeben, dann erklärte ich mirs als
einen Irrtum der Bank. Deine liebe Karte nahm mir dann die später
auch auftauchenden Combinationen, daß Du etwa krank sein könntest u.
jemand mit der Besorgung beauftragt hättest. - Mit meinem Fieber geht
es täglich etwas zurück, nur haben sich heute nacht recht unangenehme
Ohrenschmerzen eingestellt. Doch scheint
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| die Sache nicht
schlimmer zu werden.
Aenne u.
Bertha versorgen mich sehr
schön u. ich liege nun schon den 4. Tag u. habe noch keinen
Aufstehwunsch, abgesehen davon, daß mich die Arbeitsversäumnis
kränkt. Es ist ja nun einmal bei Grippe ratsam, das Fieber
abzuwarten, sonst dauert's doppelt lange. -
Es ist zum Glück
noch nicht sehr kalt, sodaß Du Dir hoffentlich auf Deiner Reise nicht
schadest. Wie lebhaft denke ich an jenen Tag im Kriege, als ich Dich
in Erfurt traf von Cassel aus. Gern würde ich Stadt u. Kirchen jetzt
noch einmal mit Dir sehen, denn damals war uns das Menschliche u.
Unmittelbare des Lebens zu nahe, als daß der Sinn für ästhetische
Eindrücke offen gewesen wäre.
Heute nun nimm mit diesem Zettel
vorlieb, der Dir sagt, wie ich Dir danke u. wie meine sorgenden
Gedanken u. treuen Wünsche Dich begleiten.