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Heidelberg. 27. Sept.
1927
Mein Liebstes,
heute
morgen schon bekam ich Deine lieben Zeilen aus der Bahn, vom 26.
datiert mit unerkennbarem Poststempel. Habe Dank für die liebe
Nachricht, die mich mit der verlockenden Aussicht auf die
"Abwechslung" sehr beglückte, wenn nicht gleichzeitig der Bericht von
dem üblen Befinden darin gestanden hätte. Das scheint eine
Herzschwäche gewesen zu sein, u. wäre wohl kein Wunder nach all den
Strapazen, die Du aushieltest. Sorge Dir doch für ätherischen
Baldrian, um einen solchen Zustand nicht wieder aufkommen zu lassen.
Oder war der Katarrh schuld, der im Anzuge war? Du bringst jetzt
öfter von dieser Gegend so etwas mit.
Ich möchte Dir heute nur
sagen, wie mich die Aussicht auf Dein Kommen freut - wie auch immer
die Fortsetzung in
München sich gestaltet.
Das
[2]
| Befinden
des
Vorstandes scheint mir kein Hindernis. Sie ist ja nicht
eigentlich "pflegebedürftig", nur Ruhe muß sie halten, u. hat sich
jetzt notgedrungen daran gewöhnt,
Bertha selbständiger gewähren zu lassen, was sehr
gut gedeiht. Ich habe augenblicklich Arbeit im Pathologischen, was
wohl mit dieser Woche beendet sein wird. Und bei Aenne ist die
Schwägerin Anna, die ihr sehr
angenehm ist. Nur abends bin ich unten.
Seit heute ist ein
Gerüst am Haus, es wird sehr fein von außen
sein wenn Du kommst, innen umso verwahrloster.
Ach, wie ich
mich nach Dir sehne! Es ist doch immer wieder eine neue Sorge mit Dir, Du Unermüdlicher! Du
hattest sicher in den 2 Regentagen garzu viel gearbeitet.
(Das
Buch von
Frl. Silber ist das
von
Paula Modersohn-Becker -
sehr schön!) Der Neckar flutet dahin wie
ein mächtiger Strom u. führt allerlei Schwemmgut mit sich. Ob das
Wasser so weiter zunimmt?
Dich grüßt in Liebe Deine
Käthe.