Gestern wurde ich noch spät abends
durch Deinen lieben Brief erfreut. Wir hatten von der Ankunft (um 3)
bis um 9 gesessen; ich war dann, von der Tonart der letzten
Diskussionen angewidert, auf ½ Stunde in Stadt u. Park entflohen und
hatte ganz allein im
Schwarzen Adler
gegessen. Ich war sehr müde, wie ich es jetzt oft bin, aber mehr
"moralisch müde", und so war mir ein Wort von Dir ein großer Trost.
Ich danke Dir dafür wie für den lieben Pfingstbrief? Wo hast Du denn
den schönen
Schleiermacher her?
Ich freue mich darüber sehr. Ein Theologe von Kultur - es bleibt eine
Seltenheit.
Ich kann Dir heut nur ganz kurz schreiben, weil
ich nachher wieder sitzen muß. Zunächst bitte ich Dich, auf Grund des
beiliegenden Briefes von
Oe. einmal
zu
erwägen, ob
Du
an
Georg Weise schreiben
könntest. Ich kenne tatsächlich außer
Kroh niemanden in
Tübingen.
Oe. vermutet bei mir einen Einfluß, den ich nicht habe, übrigens auch
nicht suche. Den Brief erbitte ich bald zurück.
[2]
| Die vorige
Woche war maßlos anstrengend. Es sogen einmal wieder zu viele,
besonders feminina generis, an meiner Sphäre.
Außerdem allerhand Durchreisende. Diskussionsabend verlief ohne
tiefen Ertrag. Frauen behandeln dies Thema entweder
ganz vom persönlichen Erleben her oder
ganz progammatisch. Über das "Eigentliche"
redet - Gott sei Dank - keiner öffentlich. Der
Kronprinzenabend war nur ein
Kronprinzessinenabend. Sie
hatte mir die Berichte über den Fall
Hubertus noch am Tage zuvor schicken lassen. Zu
einem Sichsprechen kam es nicht. Doch ließ sie mich bei Begrüßung und
Abschied ein besonderes Wohlwollen spüren. Bei Tisch hatte
ich ausgerechnet 2 Damen zu führen: die
Hofdame v.
Tschierschky und
Frau Prof. Bier. Der
Zweifrontenkampf war etwas anstrengend. Nachher aber hatte ich mit
Frau Bier ein so angenehmes Gespräch wie lange nicht in einer
Gesellschaft. Wir paßten ein wenig zusammen. Donnerstag war Rekord:
16 Stunden. Über Mittag bewirtete ich
Beermann -
Reval bei
Habel. Freitag war
Freyer freundschaftlich bei
mir. Nachm.
Martha Holl. Davon
blieb ein Lichtstreifen: sie hat ein entzückendes Jungsein. Sonnabend
kam
Joachim Wach, Nachm. war
ich bei
Burdach. (Bibliothek
20000 Bände. 3 Arbeitszimmer.) Sonntag u. Montag habe ich 230 Seiten
Heidegger geschafft.
Eigenartig,
[3]
| höchst eigenartig, aber nur Symptom, nicht
produktiv. Dienstag via
Sternebeck -
Baasee nach
Freienwalde, mit Verlaufen 3 ½ Std.
Am Brunnen diniert. Schon um 6 ging
der Zug. Wir aßen in
Bernau Abendbrot. Das
Wetter war herrlich. Die Regie des Ausflugs nur halb gelungen.
Mittwoch hat der Dienst wieder von 8 - nachts 11 gedauert, einen
Mittagsbesuch des stud
Copei
eingerechnet. Ich habe sozusagen
alles
erledigt, was für Pfingsten vorlag, bin nun aber
selbst erledigt.
Verzeih wenn ich
abbreche, aber es ist höchste Zeit.