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<Stempel: Prof.
Eduard Spranger
Berlin-Dahlem=Dorf
Fabeckstr. 13>
28.11.31.
Mein innig
Geliebtes!
Seit
Griechenland bin ich eigentlich noch nicht wieder
zu Atem gekommen. So habe ich es mir gedacht. Genau 8 Tage nach der
Hegelrede (die man übrigens
auch in
London gehört hat), hatte ich schon
wieder einen öffentlichen Vortrag für die Privatschulleute zu halten,
der auch von vielen offiziellen Persönlichkeiten besucht war und bei
dem ich
Johanna Richter mit
Gatten,
Bernhard,
Anni Mohns,
Frau Helfferich und zahllose
andre Leute wiedersah. Das Unglück will, daß wir einen halb
unfähigen, halb undurchsichtigen Dekan haben (
Edler v. Mises, wahrscheinlich
oesterreichisch für Moses) und dazu komplizierte "Fälle". Einer davon
der auch mit
Heidelberg in Zshg steht, hat
nicht weniger als 5 Kommissionssitzungen gekostet. Es ist
begreiflich, daß ich schon ziemlich nervös bin. Deshalb will ich mal
morgen auf ein paar Stunden mit
Susanne nach
Buckow.
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Die Veränderungen, die in Deiner äußeren Existenz
eingetreten sind, haben mich natürlich sehr beschäftigt. Für
den Vorstand scheint es mir so
ganz richtig, so schwer selbst mir der Gedanke fällt, daß sie aus dem
alten Heim heraus soll. Aber das nächste Jahr wird uns ja noch weiter
schwere Notwendigkeiten bringen. Über
Deine
Maßnahmen wollen wir heut noch nicht verhandeln, sondern bei unsrer
hoffentlich glückenden Zusammenkunft nach Weihnachten. Eigentlich
wollte ich diesmal das Zusammensein hier am Heiligen Abend ausfallen
lassen; denn ich habe wenig Lust, mit Leuten Weihnachten zu feiern,
die unter sich alle verkracht sind. Aber wenn ich gleich für länger
fortreise, bleibt hier wieder ein Chaos liegen. Und da
Susanne am Heiligen Abend auch
hier sein wird, mag es in maßvollen Grenzen noch einmal stattfinden.
Nur so viel steht schon fest, daß ich am 7.I. zum Hochschulverband in
Würzburg sein muß. Ein Aufenthalt in
Mittenwald oder
Partenkirchen wird sicher teuer, aber ich muß das
als Ausgabe ansehen, die ich für meine weitere Dienstfähigkeit mache.
Die früheren Jahre sind hier eindeutig Beweise. Arbeiten muß ich
natürlich auch dort.
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Vielen herzlichen Dank für
die schönen Schneerosen. Wenn dabei eine Zeitung gelegen haben soll,
so habe ich sie nicht erhalten.
Frau
Rohde hat ausgepackt: die alte Sache: am besten macht man
alles allein.
Die
Linnert hat also mich, den
Popp, den
Kronfeld (und wen noch)
verklagt. Kronfeld hat mir brieflich aufs neue bestätigt, daß sie
geisteskrank ist. Alle 14 Tage muß ich trotzdem wegen Weiterführung
des Prozesses mit
Adalbert
verhandeln.
Frau Seitz
schreibt glücklich über ihren an Heilung grenzenden Kurerfolg. Am
Montag saß ich neben
Koch-Weser
(der persönlich ganz erträglich ist) an einem Tisch mit
Seeckt u. a. Aus
Griechenland haben bisher nur
Paleologos und gestern
Imbriotis geschrieben.
Louvaris ist wahrscheinlich vom
"Akad. Dtschld" erdrückt worden, dessen nunmehr 5 Bände ich ihm
geschenkt habe. Im Ausw. Amt habe ich mich wieder mal bis zum Platzen
geärgert. Das steht jetzt bei mir "auf der Liste".
In
Partenkirchen ist das erwartete Enkelchen tot
zur Welt gekommen. Dort ist immer alles mit Schatten behaftet.
Klara Rauhut macht im Krankenhaus
allmählich gelingende Gehversuche.
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Frau Gerhard wird morgen
erwartet.
Die politische Spannung ist längst so, daß nur ein
so ruhiges Volk wie das deutsche dabei inaktiv bleibt. Ob es so
bleiben wird? Die Verbindung zwischen Abrüstungskonferenz und
Reparationskonferenz ist höchst nachteilig für uns. Und
Brüning bessert nicht, sondern
bessert notdürftig aus. - Mit der Moral allein kann man es eben auch
nicht schaffen. Das nat. soz. Programm bleibt beschränkt und
weltfern. Nun gar Deutschkirche! Der liebe Gott redet wahrscheinlich
teutsch.
Erdmannsdörffers
Schwester traf ich neulich in der U-Bahn u. erzählte von
Deinem Bericht.
Seltsam - ich bin im verbotenem Besitz von Devisen, und die
Reichsbank nimmt sie mir nicht ab. Ich werde die Reichsbank verklagen
wegen Mitwisserschaft an strafbaren Handlungen.
Es wäre noch
allerhand Kleines zu berichten. Aber ich wollte Dir nur ein
Lebenszeichen gleich nach Ankunft Deines lieben Briefes senden (mit
dem übrigens der 1. Brief von
Frau
W. seit dem 5. Oktober kam). Bitte grüße
den Vorstand und versichere ihn
meines herzlichen Gedenkens.
Innigst Dein
Eduard.
[li. Rand] Ich bin nicht mehr sehr
Schwarzwaldgierig. Aber er käme natürlich ebenso wie Oberbayern in Frage, allerdings nur in einer Höhe
über dem üblichen Tauwetter.