Meine Tage sind in friedlichem Gleichmaß abgerollt und es ist
eigentlich nichts davon zu erzählen. Die große Welt liegt fern, nur
die Kämpfe in
Abessinien beschäftigen die
Zeitung und - wir leben der täglichen Arbeit. Könnte ich doch mal bei
Euch hereingucken! Es ist ein merkwürdiger Gegensatz zwischen meinem
Aufenthalt hier und bei Euch. Dort braust das Leben und hier fließt
es still. Dafür braust hier der Sturm umso stärker "vom Meer aufs
Land, vom Land aufs Meer" und wie es scheint, macht diese kraftvolle
Natur den Menschen umso stiller. Wo sich einmal ein Strudel an die
Öberfläche wagt, versteht
Hermann sofort glättendes Öl darüber zu gießen. In
den praktischen Einzelheiten des Berufs ist er - wie immer -
neuerungsfreundlich, aber nicht unkritisch. Seine Schule ist in allen
Hilfsmitteln glänzend ausgestattet und seine Verwaltungsarbeit ist
sehr groß und vorzüglich geleitet. Gerade heute sprach mir die
Oberin Gerda bewundernd darüber. -
Aber ich empfinde förmlich körperlich beengend den Mangel
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an Aussprache, an Eindrücken.-
Hedwig ist hingenommen von ihren kirchlichen
Interessen, die mir in ihrer starren Buchstabengläubigkeit fremd
sind. Die Kinder sind alle mehr oder weniger vorschriftsmäßig
eingestellt, und andre Menschen bekomme ich kaum zu sehen. - Wenn Du
doch mal schreiben wolltest! Wie steht denn
Louvaris zum Umschwung in
Griechenland? Ich habe damals nur von fern
einzelne Andeutungen aufgeschnappt. Fördern die neuen Verhältnisse
seine Pläne?
Daß
der
Vorstand krank aus
Ludwigshafen
zurückkam, schrieb ich wohl schon. Sie hat zu viel Vergnügen dort
mitgemacht. - Ich hatte gestern das Vergnügen, mit
Hermann im hiesigen kleinen
Theater ein Volksstück recht gut aufgeführt zu sehen. Das Spiel war
nämlich so gut, daß man über das schwache Machwerk hinwegkam: Bauer,
Gott und Teufel von
Konrad
Beste. Es ist moderne Tendenz im naturalistischen Gewand einer
Bauernkomödie. - Unsre Familie ist eben sehr klein; nur
Dieter und
Helga sind zu Haus. Dieter
musiziert viel und Helga läßt sich Märchen vorlesen. - - -
Verzeih den inhaltlosen Brief, mein Herz, er soll Dir nur viele
viele Grüße bringen und fragen, wie es Dir geht? Warst Du beim
Arzt?