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12.II.36.
Mein innig Geliebtes!
Zunächst mal was
Geschäftliches. (Ich schreibe in der Sprechstunde und kann jeden
Augenblick unterbrochen werden, obwohl der Betrieb immer kleiner
wird.) Ich soll eine Privatschule empfehlen für 2 14jährige Mädchen
von den Philippinen, die spanisch, frz.,
engl. aber wohl wenig deutsch können, also doch sehr individuell
behandelt werden müßten. In schöner Gegend, auf dem Lande,
Gelegenheit zum Reiten und Schwimmen. Ich habe eben an
Kattenhorn gedacht und schreibe hin; es ist
ja nicht sicher, ob es noch besteht. Aber Du bist jetzt in
Jena, bald danach in Heidelberg, zwei an sich geeigneten Orten, und
könntest wohl an beiden Stellen einmal nachfragen. So.
Ich
danke für Deinen lieben Brief (auch den Besuch bei
L.) und freue mich,
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daß Du gut aufgehoben bist, obwohl mir die Arbeitszeit ein bißchen
lang scheint. Aus
Heidelberg kam eine
Schreibmaschinendanksagung.
Ich bin nun doch an der üblichen
Nervengrenze des Februar. Seit 10 Tagen bin ich überhaupt nicht mehr
spazierengegangen. Sonnabend Nachm. waren
Wachsmuth mit
Frau, und
Frl. Siemering da, abends
Theater mit den 3 Conradschwestern,
Honig u. s.
Sohn. Natürlich sehr spät. Das Suchen und
Nichtfinden von Papieren macht mich ganz krank. Es hat mir den
Sonntag völlig verdorben, wie es überhaupt immer schlimmer damit
wird.
Frl. Silber fehlt und ist
nicht zu ersetzen. Auch sonst fehlt es ja nicht an Nervenattacken;
das meiste, was vorkommt ist ärgerlich. Nichts funktioniert recht.
Exc. Solf ist gestorben, wie Du
weißt. Auf m. Anfrage wegen des kriegspsycholog. Vortrages kam eine
ganz labbrige Antwort: wird für
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| Interessenten
vervielfältigt, d. h. also hektographiert. (Dies nach 7 Wochen
Wartens!) Die Arbeit häuft sich zum Schluß der Vorlesungen. Ich habe
heut mehrere Briefe geschrieben wegen der Vortragsreise; die ist ja
auch schon nah.
Am Sonntag werden wir bei
Glasenapps sein, die jetzt
Hrn Seitz von
Hamburg abholen. Er hat von der
Goldküste aus geschrieben.
Ich habe in
späten Stunden und kleinen Portionen den "Büffelbrunnen" gelesen. Die
erste Hälfte ist wirklich fabelhaft poetisch. Dann flaut es ganz
ab.
Im Temps steht viel Interessantes. U. a: daß die
kommunistische Akademie der Wiss. aufgehoben ist und in die alte
Petersburger Akademie aufgeht. -
Es kommt gleich jemand.
Hoffentlich hat sich der Stimmritzenkrampf nicht wiederholt. Ist die
Ursache psychisch (z. B. Reisefieber?)
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| Kann man nicht mit
milderen Mitteln vorgehen als dem, das in dem Fläschen ist? Gottlob
tritt ja diese Quälerei nur selten auf. Sie sollte sich aber garnicht
wiederholen.
Ich packe die Zettel schnell ein, um sie heut
noch wegzubringen, und schließe mit herzlichem Gruß wie mit guten
Wünschen für die Rückreise.
Dein
Eduard.
[] Stoy u. Trüper existieren nicht mehr? Aber es gibt
doch wohl Ersatz - ev. auch in Weimar oder
Rudolfstadt.