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[li. Rand] 3. Brief
Mittwoch, 28. Oktober 36.
In der Straße v.
Malakka
6 Stunden vor Singapore.
[li. Rand] Feder vom Strand in Colombo. Mein
innig Geliebtes!
Falls dies mit Luftpost von
Singapore abgeht, wird es ein paar Tage
früher eintreffen als der
2. Brief, der in
Colombo aufgegeben worden ist. Ich beginne
also mit Colombo, das uns einen starken Eindruck gemacht hat, auch
weil wir es nach unsrem Stil genossen haben. Wir emanzipierten uns,
nahmen ein Taxi und ließen uns durch die Stadt fahren, in der es
alles gibt: Europäer, Hindu, Wedda, Araber (Mohammedaner), vor allem
aber die ganz schwarzen Singalesen. Botanisch ist ebenfalls das
Unglaublichste vorhanden: Palmen, Kokospalmen, Mangroven,
Brotfruchtbäume, Bambusbäume, eigenartige Akazien, Feigen u.s.w.
u.s.w. Entsetzlich ist auch hier die
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| Lungerei der
Eingeborenen. Man kann keinen Schritt tun, ohne einen Führer zu
haben, der vorangeht, und drei, die folgen - was alles honoriert sein
will - besonders, wenn man einen photographiert. Nur der Lenker eines
der malerischen Planwagen (mit Kokosmatten parabelartig überdacht),
die von 2 Kühen mit tief eingesenktem Nacken gezogen werden, hielt
großmütig unaufgefordert gratis an. Die Stadt ist sauber für eine
orientalische Stadt; hat
Elektrische u. Autobusse, einen Fluß mit Wasser und Wiesenufern;
belebte Bazarstraße
[über der Zeile] Bazar <in lat.
Buchstaben>, Hinduviertel mit schrecklichen Tempeln, aber
auch kathol. Kirche, Kloster, Schule, schottische Kirche, Moschee
etc. Am Meer, das recht starke Brandung hatte, eine hochgemauerte
Promenade, mit Bänken, daneben große modernste Regierungsgebäude,
Bungaloos (?)
der Europäer, schöne Kasernen, Residenz des Gouverneurs. Nach der
Fahrt von einer
[3]
| Stunde mit dem Auto, die durch einen
kurzen Weg im Botanischen Garten unterbrochen wurde, nahmen wir den
Lunch im
Hôtel Bristol, von barfüßigen
Singalesen sehr zart und zärtlich bedient. Dann gingen wir noch über
2 Stunden zu Fuß durch die Straßen,¹)
[li. Rand] ¹)
ununterbrochen umlagert v. Rikshas, d. h. 2rädrigen Wagen mit kl.
Sonnendach, für 1 Person, gezogen v. 1 Mann mit Skelettbeinen -
traurig. die wir mit dem Auto durchfahren hatten, bei greller
Sonne, die
Susanne recht
angestrengt hatte, und endeten mit charakteristischen
Bazarerlebnissen.
Abends, unmittelbar nach der Abfahrt, als
gerade der Tanz an Deck beginnen sollte, bekamen wir den ersten Regen
auf dieser Reise, in Gestalt eines kleinen Tropengewitters, das aber
nach unsern Begriffen schon ein Wolkenbruch war. Seitdem ist täglich
etwas Regenneigung, bzw. Regen. Es kamen ein paar monotone Tage,
besonders auch verstimmt durch die dauernde Unergiebigkeit des
Verkehrs mit
v. D., während es
mit
ihr ganz gut geht, wenn man
sich an den Stil gewöhnt hat.
"Fabelhaft - was?" (sie.) "Ach
nein!" (er),
[4]
| als Antwort z. B. auf: "meine kleine Tochter
hat heute Geburtstag."
Ich muß ein bißchen schnell schreiben
- denn draußen ist heut etwas zu sehen, allerdings in Regenwolken,
nachdem wir gestern in
Penang (gegenüber
Georgetown) herrliche südliche Farben gesehen
haben. Die Färbung des Meeres war zum ersten Mal unbeschreiblich
mannigfaltig u. wechselnd. Die Hafeneinfahrt war schwierig. Wir
mußten 250 t. Wasser abgeben, um über eine Barre zu kommen. Das
Schiff hing lange mit 15° Schlagseite, so daß an einer
Durchblickstelle
die Stelle die
See schräg aufwärts zu gehen schien.
Mutter, Kinderwagen und Teeservice kamen in gefährliches Rutschen. -
An Land gehen konnten wir nicht. Wir haben aber 4 Stunden den
Landungsmanövern zugesehen u. dem Ausladen - das mit dem schwarzen
Personal an die "Zauberflöte" erinnerte. Es war ein riesiger
Fährverkehr im Hafen. Bei Sonnenuntergang unaussagbare Farben
[5]
| über den Bergen und Häusern - dann, 15 Minuten später, alles
ein Spiel von Lichtern.
In der Nacht, bei Musik u. Tanz,
saßen wir mit
Schinzinger,
Frau v. D.,
Frau
Wagner
(
Kobe),
Frau
Gerdts (
Tokio),
Herrn u.
Frau Kuhweide (Kobe - cf.
Kurliste
Partenkirchen, Hôtel Gibson) bis 12
Uhr kneipend. In der Zwischenzeit viel Regen, heut, obwohl wir uns
dem Äquator nähern, mit 28° der seit
Port
Said "kühlste Tag." Selbst in der Kabine sind nur 29°, statt
sonst 30°.
Wir werden in
Singapur die
"Potsdam" treffen. Unsre Mannschaft wird mit ihrer Besatzung Fußball
spielen. Leider ist tatsächlich schlechtes Wetter, was man garnicht
mehr für möglich hält. Wir sind bis jetzt, trotz vielen Essens bei
mangelnder Bewegung ganz gesund geblieben, während andere (übermäßige
Eisesser?) Magenstörungen hatten. Die Kinder an Bord sind großenteils
reizend; neulich war auch ein Kinderfest. Mein Liebling ist ein
Chiesisch-deutsches Kind von 4 Monaten, das im Wagen liegt, ein
Riesenkind mit einem Riesenkaninchen
[6]
| in blauem
Ballonstoff. Es sieht einen so aufmerksam aus seinen halbrassigen
Augen an und freut sich immer, wenn ich komme. Sonst beschränkt sich
meine Bekanntschaft auf die Genannten. Alle Instanzen hier lassen
leider den Engländern das Prae im Tun und Reden.
England ist überall, wo man landet. Englisches Geld
wird überall genommen.
Deutschland hört man
bisweilen im Rundfunk sächsisches Eichenlaub flechten.
Kuhweide ist IG Farben, die
hier draußen überhaupt eine große Rolle spielen. Gestern sprachen wir
von
Ludwigshafen und
Oppau.
Wie mag es im Herbst in der neuen
Wohnung gehen? Ist alles ausgepackt? Wie ist Deine Gesundheit? Wie
steht es mit dem Zeichnen?
Innigst Dein
Eduard.
[] Viele Grüße auch v.
Susanne. Nächster Hafen ist
Manila - dann soll es plötzlich kalt
werden.