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Dampfer "Potsdam"
26. Oktober abends
Meine innig
Geliebtes!
Dieses Blatt kommt vielleicht noch
vor dem Brief aus Kobe (16.X.) und dem Gruß aus Hongkong an. Wir sind jetzt schon 9 Tage bei
schönstem Wetter unterwegs, hatten in Hongkong und Manila Hafenaufenthalte, denen allerdings der Reiz
der ersten Sicht fehlte, und steuern eben bei angenehm milder
Abendluft auf Singapore zu. In der Kabine
sind allerdings konstant 30° und die Laune manchmal entsprechend.
Anfangs habe ich noch Stöße von Dankbriefen etc. geschrieben.
Jetzt wird das schwerer möglich. Wir haben einige
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Radiotelegramme erhalten, - so noch heute früh vor 7 - vom
japanischen Viceaußenminister mit
anerkennender Danksagung.
Gesellschaft auf dem Schiff ist
taliter qualiter, wie immer. Darunter ein amüsanter
alter General und viel
Diplomatiedamen. Man wird in Ruhe gelassen und geht um solche
Getränke, die zu viel Alkohol enthalten (wie
Gilka,
Kümmel u. dgl.) herum. Der
Sohn Haushofer ist auch auf dem
Schiff.
Wir bringen hunderte von bunten australischen Vögeln
in engen Käfigen mit. Jeden Abend entkommen ein paar. Sie fliegen
dann um das Schiff. Wenn sie es verlieren, sind sie rettungslos
verloren. Ihre Daseinsmöglichkeit
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| ist also an die Heimat
gebunden, auch wenn sie ein Käfig ist.
Wir werden diesmal
eine Autofahrt ins Innere von Sumatra machen
(von Belawan aus). Die Ankunft in
Genua wird jetzt auf den 13. November
angegeben. Aber wir werden wohl 1 Tag in Genua bleiben oder sonst die
Fahrt retardieren. Mit dem Übergang in das andere Klima muß man
vorsichtig sein. Ich habe von Tokyo her eine
Erkältung, die immer noch nicht fort ist. In meinem Telegramm v.
Basel oder Luzern
wird die Treffzeit angegeben sein. Wenn wir Mitternacht in
Heidelberg ankommen, dann erst am nächsten
Morgen 10 Uhr im Europäischen Hof; sonst an
der Bahn. Man soll sich aber nicht in erschöpftem Zustand zuerst
begegnen.
Aus der 1. Gefahrenzone sind wir heraus. Wir sind
nur einmal vor
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Hongkong von
japanischem Kriegsschiff mit Scheinwerfer beleuchtet worden. Der
Schiffsverkehr scheint geringer als im vorigen Jahr.
Shanghai, der wichtigste Hafen, fällt eben immer
noch aus. Uns ist es immer doch noch merkwürdig, so im
Chinesischen Meer oder der
Straße von Malacca zu schwimmen, - oder am Land nun
wirklich unter Palmen zu wandeln.
Manila hat
wunderbare Alleen und Villenviertel.
Morgen früh um 6
Singapore. Dort ist der Botanische Garten obligatorisch mit den
Affenfamilien, die einen so üblen Charakter haben.
Du siehst:
viel Stoff zum Schreiben ist nicht, es sei denn, daß man auf
Welttelegramme käme. "Aber das ist ein weites Feld" Innigste
Wünsche und Grüße.
Dein sich täglich wieder
nähernder
Eduard
[li. Rand] Wegen der
Cholera in Hongkong mußten wir vor
Manila in eine stille Bucht zur Quarantaine
einlaufen. Das war wunderschön farbig und
sonnig.