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Dahlem,
29.XII.38.
Mein innig Geliebtes!
Das natürliche Vermissen in den Festtagen wird ein wenig gemildert
durch die Berichte derer, die gereist sind und in - manchmal
ungeheizten Wagen - auf selbst kurze Strecken 3-5 Stunden Verspätung
hatten. Früher sagte man: Da muß wohl an der Leitung etwas nicht in
Ordnung sein.
Deine liebe Sendung und Dein lieber Brief kamen
am 1. Feiertag. Die Christrosen haben wir nach Anweisung behandelt.
Sie haben sich erholt und haben das kostbare Glas eingeweiht, das ich
mit Dank und Pietät entgegennehme.
Susanne hat sich über ihren Anteil auch sehr
gefreut. Mit der Feder, die bei mir Rekorde leistet, kommt sie
langsamer nach. Schon zu Weihnachten sind ganze Stöße eingetroffen
von Grüßen u. Glückwünschen. Am 1. Feiertag
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| habe ich
gleich 30 erwidert. Aber eben kam wieder Sibirienpost und anderes -
man ist noch nicht vergessen. Wer soll das aber schaffen.
Am
23.XII. das
serbische Ehepaar Najdanowič -
sehr angenehm. Am Heiligen Abend alle Hausgenossen und
Frl. Wingeleit.
[neben der Zeile] } wohltuend, nicht Strasensch Die
kleine Kirche war überfüllt. In der großen fanden wir letzte Plätze.
Stimmung bleiern, niedergeschlagen. In
Dahlem
waren an diesem Abend 4 vollbesuchte Gottesdienste. Am 1. Feiertag
nur
Wenke zu Mittag. Das
Assistentenproblem bleibt immer noch ungelöst u. infolge eines
Fehlers, den
P. gemacht zu
haben scheint, nicht allzu aussichtsreich. Am 2. Feiertag Besuch von
Oger, der mir betr. meiner
drückenden Grundsteuer sehr gut geraten hat. Mittags
Frl. Geppert, belebend wie
immer. Bald nach 4 waren wir in
Potsdam, zu 9
lebenden Menschen.
Honig hat
aus erster Ehe 2 sehr nette Söhne und
der
ältere eine allernetteste
junge
Frau (mit Baby), die zu sehen schon ein Geschenk ist. Am
schneereichen 3.
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| Feiertag kam
Erika mit
Gatten, u. obwohl alles gut
verlief, haben wir da irgend eine nicht ganz deutbare Sorge. Vorher
war zu Mittag ein angenehmer Chinese da, mit dem es sehr interessant
war. (
Wolfgang hat aus
Peking wegen Übersetzungsplänen geschrieben.)
Am 4. Feiertag
Frau Kühne mit
Rudolf, der schon am 24. nach
alter Tradition gekommen war. (Es ist erstaunlich, wie
sie über
Susannes Vorhandensein hinwegzugehen versteht.) Da
ich tagelang fast garnicht an die Luft gekommen war und aus Mangel an
Bewegung nichts als Luft in mir habe, sind wir heute im
Schnee und Winternebel von
Wannsee über
Nikolskoe nach
Potsdam gegangen. In N. hatte ich einen großen
Schreck:
Du in dem Herzchen, das
unmittelbar an der Uhr auf der Kette hing, warst plötzlich weg. Aber
ich hatte wieder Glück: denn das Herzchen war in der Westentasche,
und so habe ich große Trauer vermeiden dürfen.
Du wirst
vielleicht staunen, wenn ich zu diesem Bericht hinzufüge, daß ich vom
27. bis heute in 3 Tagen den einen Vortrag mit 50
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Quartseiten fixiert habe, und die Sache scheint zu
stehen.
Von der Post habe ich 2
Briefe nicht selbst lesen können: den von
Heinz (
Susanne hat berichtet) und den
von
Adelheid, die allerhand
durchgemacht hat. Wir sind nicht dazu da, unser Herz beliebigen
Stößen auszusetzen.
Morgen 30. früh reist unsre ausgezeichnete
Lisbeth in die Heimat, was ich
ihr sehr gönne, und kommt erst am 2.I. abends wieder.
Susanne, die alles
Weihnachtliche (rund 500 M Kosten für
Geschenke!) ausgezeichnet erledigt hat, besitzt
2 ausgleichende Mancos: sie kann nicht sorgfältig Rechnungen
zusammenstellen und sie hat sich seit
diesem Jahr ein so grausliches Schnarchen
angewöhnt, daß wir von Einbrechern allerdings nichts mehr zu fürchten
haben. Sie klagt deshalb sehr über schlechte Behandlung. Im Ethischen
sind wir auf beglückendste Weise eins; nur leidet sie wohl an der
Zeit mehr, als selbst zwischen uns gesagt wird. Denn ihre Stirn wird
tief gefurcht. So soll es auch bei
Felizitas sein, die sich aber ein Privatauto
gekauft hat.
Morgen treffen wir uns mit
Elisabeth "Lüpke" und
Gisela Menzel (ihrer Tochter)
in der Stadt, nachdem wir
<li. Rand> uns bei
I.K.H. u. I.M. eingezeichnet haben werden. Die nächsten Tage werden
hoffentlich etwas ruhiger sein. Ich muß aber unendlich viel, über die
Kräfte viel, beantworten. (auch
Kirmß)
<re. Rand>
Seltsam: für den Hauptanlaß bleibt kaum noch Raum. Aber Du weißt ja:
an der Schwelle des Jahres sind wir noch tiefer vereint. Die
innigsten Wünsche begleiten Dich
<Kopf> nach 1939
hinüber: ins 36. reiche Jahr. Auch von
Susanne.