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Dahlem, den 2. November
1940.
Mein innig Geliebtes!
Heute, bzw. gestern um 21.10 war man zum ersten Mal so unhöflich,
vor meiner Vorlesung zu kommen. Anscheinend hat man auch einer
Vorortstrecke die Verbindung abgeschnitten; denn es fehlten zum
ersten Mal wohl 30-40. Dunkel war es weder beim ersten noch beim
zweiten Besuch; in einer Himmelsgegend schien man sogar extra etwas
angesteckt zu haben. Nahe bei der U. Brücke zwischen hier u.
Thielplatz ist ein Blindgänger der Flak
gefallen.
Es war im ganzen ein anstrengender Tag, da ich um 2
schon wieder in der
Tiergartenstr. sein
mußte, zur Nachfeier des 80. Geburtstages von
Exc. Lewald. Etwa 30 aus der
alten Zeit versammelten sich zu diesem Zweck bei einem mir sonst
unbekannten
Geheimrat Albert,
z. B.
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Schmidt-Ott,
Eckener,
Schacht,
Herzog Adolf Friedrich v.
Mecklenburg,
v. Stauß,
Bumm (Expräsident des
Reichsgesundheitsamtes),
Frau v.
Grimm (Tochter v.
Posadowski),
v.
Zahn-Harnack (er) u.s.w. Besonders Eckener und Lewald sprachen
sehr hübsch.
Meine Frau
die Ilsebill wünscht sich etwas, das man um die Schultern legen kann,
aber keinen Fuchs, sondern etwas "Besseres". Ich bin nicht sehr
geneigt, dafür 500 oder 1000 M zu zahlen. Das tut man nur, wenn man
jung heiratet. Aber vielleicht findet man etwas "per Gelegenheit",
und dies wollte ich Deiner freundlichen Mitaufmerksamkeit empfohlen
haben.
Es wäre natürlich reine Zufallssache.
Am Montag
hat uns
Nohl besucht. Am
Donnerstag
Flitner, morgen
kommen
Frankes, am Dienstag
Fr. Schneider aus
Köln u. so geht es fort. Am Mittwoch 5 Uhr
war Mittwochsgesellschaft bei
Jessen, wo
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| ich mit der mehrfach
erwähnten Hauptperson sehr gut reden konnte und
Popitz mir die besondere
Zufriedenheit
seiner Tochter
mit m. Vorlesung aussprach.
Man "liegt mir an", die
"Weltfrömmigkeit" durchaus drucken zu lassen. Dazu wäre manche
Umformung und mancher Zusatz erforderlich. Der
Verleger Klotz redet zu, ich
warte noch
Wenkes "weltkluge"
Stimme ab.
Inzwischen habe ich schon den Filmaufsatz
geschrieben und bin jetzt bei dem Hamburger
Goethevortrag, der unvermutete
Reize entfaltet.
Es ist 20¼. Wollen mal sehn, ob noch jemand
kommt. Für heute Gute Nacht.
3.XI.
In der Nacht kam zwar Alarm. Wir haben
aber nur die Entwarnung gehört. Heute, vor ¼ Stunde, kam Dein lieber
Brief - also zur beabsichtigten Zeit.
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| Es tut mir leid, daß
Du Dir in
Dielbach einen so heftigen Katarrh
geholt hast. Aber eigentlich solltest Du in dieser Jahreszeit nicht
auf solche windigen Höhen gehn. - Was Du andeutest, haben wir durch
die
Nachbarin H. auch gehört.
Es ist ganz gut, daß man immer wieder erinnert wird, mit wem wir es
zu tun haben.
Das mit den Wertpapieren ist gut so. Es soll
nicht alles an einer Stelle sein, war Dein eigenes Prinzip. Mit
Seidel wird es nun dies Jahr
wohl nichts mehr werden. Denn es ist ja jetzt höchstens 6 Stunden am
Tage notdürftig hell.
Wir hatten erst Schnee und minus 2°,
seit gestern +7°, Sturm u. viel Regen. Auf mein Befinden wirkt das
nicht sehr gut.
Viele innige
Grüßen. Wir beide wünschen Dir gute
u. schnelle Besserung.
Dein
Eduard.