[1]
|
Dahlem, den
14.X.41.
Mein innig Geliebtes!
Es ist zwar schon spät. Wir sind vor 2 Stunden aus
Freienwalde zurückgekehrt, wo wir einen
fünfstündigen Aufenthalt mit über 15 M Fahrgeld erkaufen mußten. Aber
es war lohnend. Die Herbstfärbung ist zwar noch nicht ganz auf der
Höhe. Aber der Weg zu dem ganz einsamen
Baasee - hin und zurück reichlich 3 Stunden - hat
doch den Leib durchgerüttelt und ein Bild vom Frieden in die Seele
gesenkt, auf den wir anderwärts noch verzichten müssen. Trotz der
verdienten Bettruhe will ich noch schnell, dem Drang gehorchend, für
die Herbstzeitlosen danken, die nach 4 Tagen Fahrt ganz gut erhalten
waren.
So spät hast Du mir dieses lieb
gewordene Zeichen nie geschickt. Um so symbolischer, daß Du sie noch
gefunden hast - die "Zeitlosen."! Von den Äpfeln hatten wir einige
mitgenommen. Sie erfreuen mich nur, wenn ich annehmen darf, daß für
Dich selbst mindestens
[2]
| der gleiche Vorrat nach
Rohrbach gegangen ist. Du darfst mich in
diesem Sinne niemals
übervorteilen!
Die Hausfrau wird selbst danken!
Sonntag bei
Kayßlers Goethevorlesungen
vereinten sich mindestens 400 dankbare Seelen. Ich habe über
Petersen ein paar Worte gesagt,
die mindestens durch Zitate aus
Goethe und
Schiller schön waren. Daß ich den Schauspieler, um
nicht unter den Stil des Ganzen herunterzusinken, mit einem selbst
verfaßten Sonett begrüßt habe, hat mindestens er nicht bemerkt u. von
den anderen nur wenige. Das Ganze war im schönsten Sinne
erhebend.
Der
Schwager
Heß und
Willy Landgraf
mit
Frau kamen am gleichen
Tage. Erinnerung an Jugendgemeinschaft, auch wenn sie nicht tief war,
tut in späteren Jahren immer wohl. Der
"neue" Schwager greift auch nicht ins Letzte. Aber
man ist dankbar, Menschen zu sehen, die zu einem gehören. Morgen
folgt nun der erste schwere Besuch bei
Frau Petersen. Am 6.XI. soll ich bei der Beisetzung
der Urne die Hauptrede halten. Schön, schmerzlich und schwer. Das
Semester legt schon seine Hand auf meine Arbeiten. Aber ich bin in
dem Berlin-Manuskript auch ein gutes Stück vorwärts gekommen. Es
empfängt, obwohl historisch, mehr und mehr ein aktuelles Gewicht,
worüber sich so kurz
<li. Rand> nicht schreiben
läßt. Unsere Religionsfrage, die ich fruchtbar mit
Radbruch diskutiert habe,
spiegelt sich in jenen Zeiten bedeutsam. -
Bremen klingt gut nach.
Leipzig (2.XI.) ist nun das Nächste. Ich hatte auch
einen Brief von der
Witwe
<re. Rand> von
Driesch †. Überhaupt ist die Post wieder einmal
enorm, und manches darin liest sich erfreulich. So habe ich jetzt
eine
16jährige reizende
Korrespondentin in
Darmstadt. Nun bin
ich ziemlich müde. Hoffen wir, daß die Engländer immer noch "in den
Ferien" sind.
<Kopf>Innigst
Dein Eduard.