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Heidelberg. 20. April
1941.
Mein liebes Herz!
Seit
Tagen steht bei uns die Welt in Blüte und es ist, als wäre immerzu
Sonntag gewesen. Das hat mich leichtsinnig gemacht, und ich war
täglich irgendwie in schöner Natur, einmal sogar mit
dem Vorstand, allerdings in
bescheidenem Maße und Tempo. - Ob jetzt auch bei Euch endlich etwas
sogenannte Ferien begonnen haben? Denn zunächst ist doch die Arbeit
ununterbrochen weiter gegangen. Und so pausenlos sind ja auch alle
sonstigen Vorgänge fortgeschritten. Man kommt nicht mehr dazwischen
zum Atmen. - - -
Von
Heinz hörte ich sehr lange nichts. Wie geht es mit
Euren Sorgenkindern? -
Adeles
Enkel
Wolfgang Henning hat
jetzt im Erwin-Baur Institut seinen Dr. sehr gut gemacht und ist auch
bereits wieder an der Front.
Der
Vorstand hat garkeine persönlichen Sorgen und ist daher
restlos glücklich. Aber ihr Befinden läßt doch recht zu wünschen und
sie fängt an, öfter darüber zu klagen, was
sonst ihre Art nicht ist. -
Als
Marie Rabl auf der Rückreise von
Saarbrücken, wo sie zur
Einsegnung ihres und
Meineckes
Enkelkindes[2]
| war, hier wieder bei
Adele Station machte, kam die
Nachricht, daß
Hanna Virchow
eine größere Operation durchmachen mußte. Bis jetzt scheint es gut zu
verlaufen. Sie liegt im Lazaruskrankenhaus. Hanna ist außer
Lili Scheibe die Einzige die
noch aus meinem Berliner Jugendkreis lebt. -
Ist wohl
inzwischen das Päckchen angekommen, das ich am 15. abschickte?
Inzwischen sammle ich sachte weiter. Es ist gut, solch wohlwollende
Quelle zu haben. Wie war denn die kleine Nummer? Die Preise sind ja
nicht mehr klein!
Am Freitag hatte ich mit
Schoepffers eine sehr hübsche Wanderung zur
Strahlenburg. Es ist aber immer noch
ungewöhnlich kühl, wenn man auch an sonnigen Tagen gut ohne Heizung
auskommt. Sie haben eine berufstätige
Nichte aus
Berlin hier, die
allerlei Einzelheiten zu berichten wußte, die allerdings nicht zu der
sonnigen Welt um uns paßten.
Das Buch von
Bainville ist je länger, je
fesselnder, und man bewundert seine prophetische Einsicht. Die
Boveri gibt mehr allgemeine
Überblicke über Vergangenes, was aber für mich sehr nützlich zu lesen
ist. - Im Übrigen bin ich ganz stumpfsinnig.
Aber ich denke
Dein wie immer und habe Verlangen nach einer Woche auf der
Reichenau. Sei mit
Susanne herzlich gegrüßt
von