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Heidelberg. 12. Sept.
1941.
Mein geliebtes Herz!
Als ich am Dienstag nach Haus kam, - ich hatte in der Stadt einen
Brief für Dich eingesteckt - fand ich Deine lieben Zeilen vom 8. mit
dem kleinen Brief von
Prof.
Bolza, den ich kürzlich beim
Vorstand persönlich sah. Ich war sehr dankbar, zu
hören, daß Euer Stadtviertel und besonders Euer Haus unverletzt
blieb, und es war sehr lieb von Dir, mir diese beruhigende Nachricht
zu geben. Denn die Zeitungsberichte gibt es doch nur, wenn die Sache
recht ernst war, und über die Gegend, die getroffen wurde, erfährt
man nichts. Bei uns war inzwischen merkwürdig oft nächtliche Ruhe und
man fragt sich: was ist in Vorbereitung?
Da ich zuweilen in
schweren Zeiten dunkle Vorgefühle hatte, und diesmal beim Abschied
nichts derart sich ankündigte, so halte ich
das tröstliche Gefühl fest, daß wir uns wiedersehen werden. - - Eure
vielfachen Ermahnungen haben mich übrigens recht materiell gemacht
und ich verwende auf meine Ernährung eine eigentlich
unverhältnismäßige Aufmerksamkeit. Auch war ich in dieser Woche recht
nahrhaft eingeladen, sowohl zum Mittagessen, als zweimal zu Kaffee
und gutem Kuchen. Und was man dabei so erfährt, bereichert das
Totalbild, freilich oft in kaum erträglicher Weise, und es klingt
einem die Überschrift des Inferno im Ohr.
Abends bin ich dann
mit den Gedanken bei Dir, bei
[2]
| Deinem
Schilleraufsatz, bei
Wilh. v. Humboldt, bei
Goethe. Mit Genuß las ich
wieder die Rezension von Goethes 2. römischen Aufenthalt. Es ist eine wunderbare Gabe
der Einfühlung bei diesem Wilhelm v. H.! Nur manchmal liest er sich
schwer wegen zu arg verschachtelter Sätze.
Bei
Schoepffers gab es neulich einen kleinen
Aufsatz über
Napoleon in den
"Weißen Blättern", ich glaube von einem
v. Falkenburg oder -au. Ein
Gegenstück zu der
Goetheschen
Betrachtung über
Egmont in
Dichtung und Wahrheit, nur daß das Dämonische näher als bestimmte
"Lebensform" genannt war. - -
Bärbel Kohler hat mal wieder etwas Nettes
geliefert. Im Kindergarten dort ist von Partei wegen ein Rundfunk
aufgestellt, damit die Kinder den Heeresbericht - mit Erläuterung! -
hören können.
Otto wollte mal
sehen, was das Kind denn davon behält und fragt sie: Wo ist der
Hitler denn daheim? "Auf dem
Zuckerberg", war die prompte Antwort, denn Salz schien ihr offenbar
für diesen Zweck nicht gut genug. - Übrigens aber ist nach dem
Bericht von
Rösel die zweite
Tochter, die
Traude, wirklich
dauernd krank und vermutlich auch nicht heilbar. Sie hat hier ganz
unstreitig epileptische Anfälle gehabt. Ich glaube,
Kohlers möchten es immer wieder in Zweifel
ziehen, um weiter auf Besserung zu hoffen. Es tut mir sehr leid.
An den Bauernhäusern im Dorf hängen jetzt die Ketten der
Tabaksblätter zum Trocknen und verheißen einen "echten" Zuschuß zum
deutschen Wald. Unsre Zeitung füllt ihre dürftigen Spalten mit
Erntevoraussagen und dergl. Beifolgendes wird Dich amüsieren. Und dem
Pfarrer
Schmelzer werden auch die
vorsintflutlichen Tiere angehängt, für die doch die Gegend am Main
das Vorbild liefern wollte. - - Für heut nur diesen kurzen Gruß und
viel Liebes in treuem Gedenken. Laßt es Euch gut gehen.
<li. Rand> Wie immer
Deine
Käthe.