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Dahlem, den 6. Februar
1943
Mein innig Geliebtes!
Seit gestern stehe ich vorm. u.
nachmittags ein paar Stunden auf. Das Fieber ist seit mehreren Tagen
fort, der objektive Befund in Ordnung, die lokalen Empfindungen sind
minimal. Der Appetit ist lebhaft, Schlaf mäßig. Die allgemeine
Schwäche ist erstaunlich; ich bin auch - aus Respekt vor
dieser Sache - sehr ängstlich. Aber der
Frosch raucht nun wieder und ich sehe wieder auf das Nachbardach mit
seinen merklichen Flakschäden.
Kurzrock hat wieder sehr sicher erkannt und mit den
4 Medikamenten vorzüglich gearbeitet. Er war 5 oder gar 6 mal da,
niemals eilig. Gestern brach auch noch
Sauerbruch ein, der zufrieden war, wofür er nächste
Woche der
Frau Henning den
Kropf wegnimmt.
Ich habe die blauen Stunden noch im
Fieberzustand mit Wohlgefallen wie kleine Pillen zu mir genommen (mit
Dank zurück.)
[Fuß] Wer ist Verfasser? Seine Frau
Heidelbergerin? und danke
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| auch herzlich für
Hafermark und Dextropur. Da keine Diät mehr vorgeschrieben ist (ich
vermeide natürlich Gewürztes), so fehlt hier kein Artikel und ich
wüßte beim besten Willen nicht, worum ich Dich schädigen sollte. Ein
Liebesgabenpacket von unsrem
Gesandten
Wagner in
Hsinking mit Reis und etwas
Kaffee kam sehr erwünscht. Die Student(inn)en haben Marken gesammelt,
viele Blumen geschickt, selbst Zigarren sind von verschiedenen Seiten
gekommen.
Deiner liebevollen Pflege bedarf es nach der
jetzigen Lage nicht. Wir wollen sehen, ob sie anhält. Ich wiederhole
die dringende Bitte, daß Du Dich pflegst.
Denn wir sind in eine neue Epoche eingetreten, von der man bei
äußerstem Optimismus dichten
kann, daß man doch noch einmal einige Zeit miteinander
leben kann, was besser ist als miteinander
quienen. Ich halte mich an den Gedanken Reichenau.
Vielleicht kann ich das Seminar
noch am 19.II., spätestens 26.II. fortsetzen. Viele
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| werden
dann fort sein (nach neuen Gesetz.) Es ist ja allgemeine
Panikstimmung. Zu achten wird jetzt sein auf
Spanien u.
Türkei. Ich habe
aus der Gegend
Lüneburg so ein Blatt, wie es
in
Hofheim gefunden wurde, mit vielen
Wahrheiten.
Die Korrekturen zum "
Goethe" habe ich im Bett
erledigen können. Aber ob das nun fertig wird?
Frau Meinecke hat mich besucht;
ihm geht es auch nicht
prima.
"Vor dem Sturm" lese ich anscheinend anders als Du. Du
bist wohl noch nicht am Ende. Aber
F. will eigentlich sagen: das sind doch lauter
klägliche Unternehmen, und die Haupttriebfeder ist der persönliche
Ehrgeiz. Andre träumen in Romantik. So paßt es auch zu F., der, im
Gegensatz zu heute, jedes
falsche
Heroisieren ablehnt. Militärische
Könner
haben es damals gemacht, nicht Stürmer.
Wenn Du morgen nach
Dielbach fährst und es dort ist wie hier, so
hast Du
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| das übliche schlechte Wetter.
Für heute
wüßte ich nichts mehr als immer wieder Dank und die
dringende Bitte, für Dich zu sorgen. Dies
ist mir zentral wichtig, und so solltest Du es auch nehmen.
Herzliche Grüße von
Susanne. Ich bin in täglichem innigem
Gedenken
Dein Eduard.