[1]
|
Dahlem, den 18. Juli
43.
Mein innig Geliebtes!
Es
ist heute so ein Sonntag mit dem "toten Punkt", der immer einmal
kommt und manchmal wohl auch mit einer Infektion zusammenhängt, die
in einem rumort. Ob ich also etwas Gescheites schreiben werde, ist
mir sehr zweifelhaft.
Zunächst: die Sendung Stachelbeeren ist
gut hier angekommen und gleich bearbeitet
worden. Wir danken Dir sehr für Deine liebe Bemühung! Ungefähr am
gleichen Tag brachten wir einige Gemüse- und Salaterträge unsres
Garten einem
griech. Professor in
Schöneiche (bei Woltersdorf), den seine
Pg.-Wirtin hungern läßt und um Karten schädigt. Wir gingen dann mit
ihm nach
Woltersdorfer Schleuße, von wo uns
das übliche Gewitter forttrieb.
Wie ist denn der Grund von
[2]
|
Rösels Verstimmung
zutage gekommen? Ein "Grund" könnte es doch höchstens sein, wenn sie
angenommen hat, Du wolltest ihr absichtlich die Verlegenheit
bereiten. Und da sie dies nicht ernstlich glauben konnte, so ist die
eigentliche Ursache das allgemein verwundete Gemüt. Damit aber soll
man einen Freund nicht allein lassen, auch wenn er Unrecht hatte.
Lilie war lange Zeit der Herausgeber der
"Jungen Kirche", die Du doch auch gehalten hast. Wir sitzen da wieder
zwischen 2 Stühlen: mit den Orthodoxen kann ich nicht mit, und die
Zukunft wird ihnen (auf die Dauer) schwerlich gehören.
Über
unsre Begegnung schon in
Berlin wie über die
etwaige Reise habe ich leider
keine
Meinung. Ich warte einfach ab. Denn das ist wohl sicher, daß
innerhalb der nächsten 4–6 Wochen Entscheidendes vor sich gehen wird.
Jetzt in eine
[3]
| Großstadt zu gehen, ist entschieden falsch.
Du mußt doch auch bedenken, daß es für mich eine Erleichterung ist,
Dich in
relativer Sicherheit zu wissen.
Jeder "Angehörige", um den man mehr in Sorge ist, belastet die schon
so düstere Existenz. Falls diejenigen Recht haben, die glauben, daß
Berlin erst im September an die Reihe kommt,
kannst Du mir
nach dem etwaigen Ruin des
Hauses hier mehr helfen, als
bei dieser
Gelegenheit. Und wenn
wir selbst bei ihr
kaputt gehen, so ist es kein Trost für mich,
Dich selbst in ähnlicher Gefährdung zu wissen.
Aber kurz: hier versagt jedes Raisonnement. Ich habe nur
einen festen Willen, unser Zusammensein in
einer Form, die man verantworten kann, zu verwirklichen.
Bei
Mi.-Ge. aus guter Quelle viel gehört. Nichts günstiges. Über die
Heidelberger Festivität, von der Du nichts erwähnst, hat uns der
neue
[4]
|
Vicepräsident
Absonderliches berichtet. Den eigentlichen
Sinn läßt er im Dunkeln. Aber ist dies nicht
eine vielsagende Schwenkung? (natürlich nach außen!) Ein wichtiger
Name wurde garnicht mehr erwähnt.
Die Vorlesungen gehen
gut, das Seminar schlapp. Ich habe aber
wenig Arbeitslust. Du weißt: Garsfeld,
Gemünden, Würzburg –
Heidelberg. – – Meiner Meinung nach ist
es bald so weit.
Letzten Montag habe ich vor einer
Flakbatterie in
Vehlefanz (bei Velten) über
Japan geredet. Es war ein drückender Tag und
eigentlich lohnte es die Zeit nicht. Der
M.G.-Expertedenkt über Japan
ganz negativ.
Man beschäftigt sich viel
mit dem eigenen Leben, ist aber nicht mehr jung genug, breit darüber
zu schreiben. Dies müßte neuerlich behandelt werden. Viele Fehler
sieht man jetzt deutlich, und man erschrickt, wenn man die Folgerung
zieht: auch jetzt ist das Bestgedachte voller Fehler.
Gestern
nach Jahrzehnten
Ernst Körner in
Potsdam besucht. Es war wohltuend.
Adalbert ist im Osten, also
wohl jetzt
<li. Rand> mitten drin.
Nun
werde ich eine Pille nehmen. Innige Wünsche u. Grüße Dein