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Dahlem, den 26.
November 44.
Nr.
5. Mein innige
Geliebtes!
Unsre Postverbindung ist z. Z. ganz
elend. Bisher habe ich von Dir nur eine kurze Nachricht erhalten,
datiert vom 20. gestempelt 22., eingetroffen 24. Es ist leider zu
fürchten, daß diese Postverhältnisse noch schlimmer werden. Da es
aber selbst mit dem Rheinland noch besser
geht, ist wohl auch etwas badische Saumseligkeit dabei.
Mein
Befinden hat günstige Fortschritte gemacht. Ich weiß nicht, ob ich
schon geschrieben habe, daß
Munk bei der Herzuntersuchung auch nichts gefunden
hat und über den Blutdruck das selbe sagte wie
Kurzrock. Am 24.XI. habe ich
das Seminar begonnen, mit 30 Teilnehmern. Gestern, bei Eröffnung der
Vorlesung, ereignete sich etwas Aufregendes. In der Nacht war
unmittelbar vor der Universität eine schwere Bombe gefallen. Die
Vorlesung müßte weit weg, ins Hygien. Institut, verlegt werden. Ich
hatte anschreiben lassen, daß keinerlei Begrüßung stattfinde; Blumen
wurden beseitigt.
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| Trotzdem wurde ich bei Betreten des
vollbesetzten Hauses mit einer wirklichen Sympathiekundgebung
begrüßt. Kaum hatte ich 5 Sätze gesprochen, als ein SS-Mann den
Hörsaal betrat und – mich herausbat. Einiges Mißfallen wurde laut. Es
handelte sich dann nur darum, daß die versammelten Hörer zu
Aufräumungsarbeiten in der Un. verpflichtet werden sollten, was in
rigoroser Form geschah, während ich unverrichteter Sache wieder
abzog. Aus der Vorlesung kann nun nichts Gescheites mehr werden.
Viele Freundschaftsbeweise erhalte ich, und entsprechend ist
maßlos viel zu schreiben. Auch viele Besuche.
Dein
Lehrer Dettmann ist im 80. Jahr
gestorben.
Das im Hause jetzt 3 Zimmer belegt sind, hast Du
wohl von
Susanne gehört. Unten
haben wir nur eines. Angenehm ist das nicht, aber es gibt
Schlimmeres.
Schreibe doch, solange es noch möglich ist,
recht off eine Karte über Dein Ergehen. Der Fall Straßburgs macht mich natürlich besorgt. Sollte es
wider Erhoffen schlecht gehen, so wird Heidelberg gewiß kein Knotenpunkt der Ereignisse.
Aber Du mußt immer sehr vorsichtig sein, in jeder Beziehung, und
<li. Rand> schon jetzt!
Innigste Grüße von uns beiden!
Dein
Eduard.