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Dahlem, den 2. Januar
1946.
Nr. 8.
erhalten am
1.I.
Deine Nr. 2 vom
24.XII. Meine einzige
Freundin!
Deinen lieben Brief vom Heiligen
Abend habe ich ungewöhnlich schnell erhalten. (Stempel v. 26.XII.)
Ich hoffe, daß Du inzwischen endlich meinen mit der notgedrungenen
Stellungnahme zu dem Jugenheimer Plan erhalten hast und mir zugeben
wirst, daß ich trotz der verlockenden Nebenumstände nicht auf das
liebenswürdige Angebot eingehen konnte.
Besonderen Wert aber lege ich darauf, daß Du Nr. 6 erhalten hast,
denn dieser Brief war 32 Seiten lang.
Die Berichte über Dein
Befinden kann ich nie ohne Beunruhigung lesen. Wenn es bei Dir nun
auch ein wenig wärmer ist, wäre doch viel mehr nötig. Du brauchtest
Pflege statt der anstrengenden Besorgungen. Daß
Matussek ein wenig hilft, höre
ich gern. Er ist überhaupt ein Mensch, wie man ihn selten findet.
Jetzt ist auch
Delekat (zur
Vertretung an der Universität) in
Heidelberg,
Leopoldstr. 48, ebenfalls ein guter alter Freund. Daß Du in
der Augenklinik wieder anfängst, befriedigt mich nur halb. Die Wege!
etwa bei Glatteis oder in der Dunkelheit! Bitte nicht ohne Stock
ausgehen! Möge die Besserung bei
v.
Schoepffers anhalten!
Wir haben seit 8 Tagen
Zentralheizung. Ein
Heer v. Handwerkern hat
das Haus 3 Wochen lang
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| repariert, natürlich nicht für uns,
sondern für die Amerikaner. Es ist demnächst mit starker Belegung zu
rechnen.
Ich habe sehr viel zu tun gehabt, auch mit Briefen
über Briefen, vor allem aber mit der
Pestalozzirede für
Hamburg,
die nun unter vielen Mühen fertig geworden ist. Ich hoffe, jedoch mit
vielen Fragezeichen, dank einer Quäkervermittlung mit dem Auto
hinzukommen. Ob aber auch rechtzeitig zurück?? Es könnte dadurch auch
eine Briefpause entstehen.
Eben hat mir
Susanne einen Brief aus
Alpirsbach vorgelesen. Es ist ganz sonderbar,
nun 4 Verwandte dort zu haben, wo wir so rüstig wanderten.
Deine Familie ist mannigfach betroffen; aber Mediziner und
junge Leute kommen immer wieder empor; nur
für die Kriegerwitwen ist es schwer.
Zu denen, die verloren
zu geben sind, gehört einer meiner Besten:
Dr.
Copei, Kollege von
Drechsler, der ja auch noch fern ist; vermutlich
auch
Oelrich (
Frau aus
Tennenbronn
i. Schwarzwald) – Von
Meineckes
wären die Nachrichten gut, wenn
sie sich nicht schwer verbrüht hätte.
Die Saarbrücker sind wieder bei einander. –
Lore Ludwig ist in der
Tschechei mit dem
Kind interniert, galt schon als verloren.
Erika ist in
Geislingen,
Lotte
Geppert als Frauenschullehrerin wieder in
München;
Dessoirs
dauernd in
Königstein. Über das friedliche,
aber trockene Leben in
Heidelberg berichtete
neulich der "Tagesspiegel", eine unserer bedeutendsten Zeitungen, für
die ich schreibe. Gestern hatten wir Besuch von
Redslob (früher
Reichskunstwart) – In der Hauptbeziehung hier
keine Fortschritte, aber sehr stark das
Gegenteil.
Klara Rauhut
mit Lungenentzündung im Krankenhaus – so ist es überall trübe und
schwer.
<li. Rand> Die Verpflegung für
mich ist jetzt völlig ausreichend, ob auch
für
Suse und
Ida?? Aber das Minus gleicht
sich nicht so schnell aus. Alkohol fehlt
ganz u. die
Pfeifen
müssen sehr
<re. Rand> rationiert werden.
Hoffentlich kannst Du meine
[über der Zeile] kleine
Schrift noch lesen. Vergiß nicht das, was immer zwischen den Zeilen
steht! Viel Herzliches von uns beiden! Dein
<Kopf>
Eduard.
[li. Rand S. 1] Hans Adelesohn hat sich für hier
gemeldet. Jetzt passende Höhenlage.