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Tübingen, den 2. November
47.
(vor 48 Jahren erhielt ich die
Berliner
Reformationsmedaille, die Du auch hast.)
Meine einzige Freundin!
Leider kann es wieder nur ein kurzes
Briefchen werden. Meine Erkältung hat 14 Tage angehalten und ist noch
nicht vorbei. Es war immer leichtes Fieber damit verbunden. Trotzdem
habe ich nichts ausfallen lassen. Aber wenn man alle 8 Tage vor 700
Leuten mit voller Stimme reden muß, während ein kalter Luftstrom über
das Katheder hinstreicht, wie soll es da besser werden? Und auch
sonst das viele Reden! Ich habe mehrfach gelegen. Die Folge ist: ein
aufgetürmter Berg, der nun schnell abgetragen werden muß, während
immer Neues kommt.
Wer ist in
München nicht wieder eingestellt worden:
Dieter? Welche Stellung hat er
denn in
Tutzing? Seltsam, daß
Rudi nichts findet. Unsereiner
findet nie einen Privatarzt, wenn er ihm braucht, und der SS. Arzt
Bernhard Runge schlängelte sich
geschickt in eine neue Praxis hinein. Es gibt übrigens auch brave SS.
Ärzte, wie den in
Moabit, dem
Haushofer ein dankbares Sonett
gewidmet hat.
Das Pestalozzidorf
Wahlwies liegt nicht weit von Espasingen. Eine meiner Studentinnen hat es
besucht.
Ist Deine Ofengeschichte nun in Ordnung? Es wird
Zeit. Und wer hilft Dir zu Kartoffeln? Vielleicht die
Gönnerin in
Wiesloch? – Unsre Holzaktion ist gestern glücklich
mit dem Sägen beendet. Wir werden wohl auch 7 Ctr. Kohleartiges
haben.
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Zum ersten Mal hat
Heidelberg etwas für mich getan.
Hellpach hat mir mitgeteilt,
daß mich die Philosophisch-Historische Klasse der Akademie einstimmig
(also mit
Jaspers) zum
Korrespondierenden Mitglied gewählt hat. Wären die Verhältnisse so,
daß ich an den Sitzungen teilnehmen könnte, hätte man mich auch zum
ord. Mitglied gemacht.
Louvaris hat sein Bild geschickt. Von
Alfred angeblich indirekte
Nachricht.
Da ich einmal eine seelische Auffrischung haben
mußte, sind wir gestern um 12 nach Urach
gefahren. Es war warm, aber so nebelig, daß wir auf dem einsamen
Hohen-Urach (700 m) nichts sahen.
Günther Heß ist gestern als
Eleve auf einem Gut in
Lustnau eingetroffen.
Der
Reichskanzler a.D. Luther
hat mich besucht, aber wegen meines Mißbefindens nur
Susanne gesprochen.
Flitner war einen Tag zu
Berufungsverhandlungen hier. Ich hätte reine Freude darüber gehabt,
wenn es mir besser gegangen wäre und es nicht gerade der Dienstag mit
s. 3 Stunden gewesen wäre. Die Wohnungsfrage macht das Gelingen der
Berufung unsicher.
Ich habe bisher sehr
gute Diesvorlesungen gehalten, aber auch mit wahrhaft
mörderlicher Anstrengung. Und so noch 7 Wochen! Nimm mit diesem
Zettel vorlieb, damit die Pause nicht zu groß wird. Du weißt: ich
denke, auch nicht schreibend, immer an Dich. Wir alle <li.
Rand> grüßen. Innigst Dein Eduard, ein fauchendes,
krächzendes, schnaubendes Ungeheuer.
[li. Rand S. 1] Der Pestalozzi ist längst im
Handel und – da 15000 Bestellungen gegen 2400 Exemplare – wieder
heraus.