wie
erwartet, ist Dein Brief wie immer pünktlich eingetroffen, und ebenso
wie üblich, kommt meiner erst verspätet. Habe vielen Dank, daß Du
trotz Deiner Müdigkeit schriebst, aber eigentlich sollte ich sagen,
in solchem Falle möchtest Du lieber etwas ausruhen, denn wenn ich
auch stets über eine Nachricht erfreut bin, so warte ich
selbstverständlich gern in Deinem Interesse. – Aber es freut mich gar
nicht, daß Du Dich nicht recht wohl fühlst, und ich tröste mich nur
mit der Vorstellung, daß es eben die übliche Frühlingsmüdigkeit ist.
Und die russischen Cigarren hebe lieber für kräftigere Tage auf. –
Sind denn nun jetzt noch einige Tage wirklicher Ferien? Oder hast Du
wieder etwas Anderes gefunden, für das Du Dich noch einsetzen mußt?
Es wäre hübsch, wenn irgend ein erfreuendes Ereignis Deine
Gemütsstimmung recht fühlbar aufbesserte, das würde Dir über diese
Flaute leichter hinweg helfen. Kann nicht die schöne Sonne in Eurer
lichten Wohnung ein wenig dazu helfen? Eben bin ich im Begriff,
[2]
| nach
Ziegelhausen zu fahren, wo mich
Frau Dr. Frobenius sehr
liebenswürdig zum Essen einlud. Und Osterkuchen habe ich auch
bekommen, was mich doppelt freut, da ich selber garnicht gebacken
habe. Ich war zu lahm, irgend einen Entschluß zu fassen. – Inzwischen
war ich noch ein zweites Mal wegen
M.
Dorer an der Bahn und traf sie diesmal. So konnte ich sie auch
nach
Brosius fragen, der noch
in
Marburg sein soll, aber Aussicht hat, nach
Weilburg zu kommen. M. D. will Dir selbst
davon schreiben. –
Paul
Matussek hat mir sein nun erschienenes Buch geschenkt, und ich
arbeite ebenso mühsam daran, wie an dem
Diesel. Ist es mein schwacher
Verstand, oder sagen die Leute so oft immer
wieder dasselbe von neuem? Ich bin nun einmal Deine klar
fortschreitende, präzise und gehaltvolle Sprache gewöhnt. – (Fragen
wollte ich noch ob ich vielleicht die Korrektur von der
Jugendpsychologie mit lesen könnte?) – Bei der Abhandlung von M.
fällt mir besonders auf, wie auf allen Gebieten die geistige Bewegung
jetzt die gleiche Wendung im Großen nimmt: vom Realen zum
Metaphysischen, vom Wissen zum Glauben, vom Bewußten zum
Unterbewußten – vom Begreifen zum Unbegreiflichen.
[3]
| Jetzt
sieht man herab, auf die Zeit, die die Kleinarbeit schaffte, und ist
erhaben über sie.
Über die Sache mit
Jaspers gibt Dir die Zeitung
einige Auskunft. Im Allgemeinen wird weniger die Tatsache kritisiert,
als die Art und Weise. Der
Belzner schreibt viel in unsre Zeitung, ist mir
aber nicht sehr sympathisch. Auch
M. sprach von dem Widerspruch bei J. zwischen Lehre
und Leben.