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Heidelberg. 1. Juni
49.
Mein liebes Herz!
Wenigstens einen Gruß zu Pfingsten möchte ich Dir doch schicken,
wenn ich auch etwas knapp mit der Zeit dran bin. In Gedanken bin ich
schon vorausgeeilt und
beständig bei der Möglichkeit des baldigen Wiedersehens! Deine liebe
Karte hat mich ganz besonders erfreut, denn sie meldete mir ganz das,
was ich in der Stille gehofft hatte – daß Du einfach den Versuch mit
Neckarblick machen würdest. Es ist ja die
"Katze im Sack gekauft", aber ich dacht auch, es könne etwa so etwas sein wie
Haus "Sonnwärts".Wenn es nur keine
Geldschneiderei ist, und das Angebot ohne Preisangabe nur
Ungewandtheit. –
Geld – ja da möchte ich Dir etwas zur
Kenntnisnahme mitteilen, was mir im Augenblick Bedenken macht. Wegen
der Soforthilfe bin ich immerfort auf der Lauer, um den Anschluß
nicht zu versäumen. Da hat man mir nun auf der Bank gesagt,
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| es käme nur in Betracht für Leute, die von der Fürsorge
unterstützt werden. Nun hat
Frl.
Schupp mir neulich sehr ernstlich zugeredet (ohne von dieser
Tatsache zu wissen, die ohnehin nicht erwiesen ist) mich überhaupt um
diese zu bewerben. Es sei ihr von
beamteter
Seite gesagt, sie solle doch nicht "zu den
Dummen gehören, die sich davor scheuen; die Stadt sei doch
verpflichtet für die Alten zu sorgen, die nicht mehr in der Lage
wären, Ihren Unterhalt zu verdienen und die durch die W.R. alles
verloren hätten." Zu denen gehöre ich ja allerdings, und ich wäre in
bitterer Not, wenn Du mir nicht so großzügig helfen würdest. Soll ich
mich nun an die Fürsorge auch wenden?
Denn
einen Ersatz für das viele Geld,
das ich noch auf Bank und Sparkassen hatte, möchte ich doch durch die
Soforthilfe nicht ohne Ersatz lassen. Darüber
möchte ich mit Dir reden, und Du kannst vielleicht über die Lage der
Dinge zuverlässige Auskunft haben. – Denke nicht, daß ich etwa
geldgierig wäre, es wäre mir aber eine Beruhigung, wenn ich Dich auf
diese Weise entlasten könnte. – Frl. Sch.
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| sagte mir, daß
mehrere ihrer Bekannten, darunter eine auch mir bekannte
Generalstochter Unterstützung bekämen. Heute ist auch ohne weiteren Antrag, bereits die
Altersrente von selbst von 37 Mark auf 53 erhöht ausgezahlt. –
–
Das ist nun recht nüchtern, daß ich Dir das als
Pfingstgruß schreibe, wo doch eigentlich in meinem Herzen nur die
Vorfreude auf das verheißene Beisammensein herrscht. Die Sorge um ein
geeignetes Unterkommen für Dich ist ohnehin ein kleiner Schatten auf
dieser hellen Aussicht. Hoffentlich sagt man aus Wimpfen zu und es ist auch das Richtige.
Hier las ich gestern in der Zeitung, daß im Hotel
Post-Reichspost wieder Deutsche wohnen können. Wäre Dir das
für den Fall, daß wir hier bleiben müssten, lieber als die
Rose? Es wäre dann für Dich nicht die
Fahrerei mit der Elektrischen. Aber bestellen kann ich ja nichts, ehe
ich nicht weiß, wie sich die Sache entwickelt. So war es auch mit
Wimpfen, weil Du es unbestimmt gelassen
hattest, ob Du fortkönntest.
Hoffentlich ist das Wetter
einigermaßen.
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| Du wirst aus der Zeitung wissen, welch ein
Wolkenbruch uns heimsuchte. Die
Peterstraße
war ein reißender Bach und in meinem
Kohlenkeller stieg das Wasser etwa ¼ m. Ich
habe noch am Tage danach
eimerweise
ausgeschöpft und der Schlamm ist garnicht zu entfernen, da der Boden
nicht gepflastert ist. Zum Glück haben mir die Mitbewohner die weniger betroffen sind, freundlich
geholfen.
Wie hat sich Eure Ammer bei diesen Güssen benommen?
Sie kommt ja zum Glück nicht bis zu Euch herauf. –
Von
Berlin hatte ich einen freudigen Brief vom
Himmelfahrtstag. Leider konnte ich die Hoffnung auf dauernde
Besserung nicht teilen, aber die augenblickliche Erleichterung freute
mich sehr. Und ebenso erfreulich war mir ein lieber Brief von
Cilli, der gleichzeitig mit
Deiner Karte meinem Herzen wohltat.
Und in dieser Stimmung will ich den festlichen Tagen entgegen
sehen, die für mich an Mittwoch
beginnen sollen. Wie sehne ich sie herbei! Sei innig gegrüßt von
Deiner
Käthe.
[] Herzlichen Gruß
auch den Anderen!