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Heidelberg, 17. Januar
1950
Mein liebes Herz!
Du
hast mich mit der lieben Karte vom 14.I. herzlich erfreut. Denn so
wurde ich vor einem ungeduldigen Warten und unnötigem Grillenfangen
bewahrt. Habe Dank! Nur das ist leider fraglich, ob ich dann, nach
dem 21., noch etwas über die Köngener und über
Boll erfahren werde, was mich doch auch
interessiert. Hier spricht man von einem Universitätsunternehmen in
Mainz, zu dem Du auch aufgefordert seist,
aber abgelehnt habest. Ich glaube, es ist ein Versuch, mit der
Ostzone zu vermitteln? – Im Übrigen sind die
Zeitungen (die hiesigen!) voll von Carneval und Spielbankplänen! Es
wäre mir sehr enttäuschend, wenn
Heidelberg
so herunter käme, ein Spielkasino zuzulassen! Aber die Tonart ist
genauso, wie s. Z. vor den häufigen Schloßfesten; es wird auf den
Fremdenverkehr, die wirtschaftlichen Vorteile
usw. hingewiesen, und jetzt sogar auf das Geld zum
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"Wohnungsbau für Flüchtlinge" dabei spekuliert. Und ich weiß noch
genau, was die Vergnügungssucht damals für eine Kehrseite
entwickelte. Glücklicherweise sind jetzt auch Gegenstimmen
vorhanden.
Durch Zufall kam ich darauf, das kleine Buch der
Lebenserinnerungen von
Luden
mal wieder zur Hand zu nehmen und habe, auch durch die Vermittlung
dieser biederen Seele hindurch, mit innerer Freude wieder etwas von
der Atmosphäre des
Goetheschen
Kreises gespürt. Es ist seltsam, mit welch formloser Offenheit dieser
brave und tüchtige Mensch sich durch seine Berichte und Kritik selbst
charakterisiert. Sein Wesen erinnerte mich mehrfach an
meinen Bruder.
Mit
meinen Briefschulden bin ich noch nicht durchgekommen. Ich kann nur
staunen, daß Du bei solcher Unzahl von Postsendungen überhaupt noch
weißt, wer der Betreffende ist!
Bei
meinem Versuch,
Frl. zur Nieden
mal wieder zu besuchen, traf ich sie leider nicht an,
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| sie
war im Nachbarhaus. Aber ich erfuhr von der
Conradschen Tochter, daß
Frau von Braunbehrens noch
immer im Mannheimer Krankenhaus liegt, und daß die Besserung sehr,
sehr langsame Fortschritte macht. Da denkt man unwillkürlich,
Sabine und
ihr Mann hatten es besser! –
Daß
Susanne in
Alpirsbach war, hat sie sicherlich sehr gefreut.
Ich würde auch so gern meine – von Dir so mißgeschätzte – liebe
Schwester Aenne mal wieder
sehen. Aber wer weiß, ob es im Leben dazu mal wieder kommt.
19.I. – Denn nach Berlin möchte ich ja nicht wieder, oder vielmehr:
mein Berlin ist nicht mehr.
Nun ist doch wieder mehr als ein
Tag vergangen, ehe ich weiter schreibe. Heut, am Donnerstag waren
Frau Buttmi und
Frau Prof. Bleßken zum Kaffee
bei mir zu einem gut geratenen Kuchen, netter Unterhaltung,
Betrachtung der Klosterbilder und als Krönung der Stunde las ich
ihnen den Aufsatz in der Neuen Zürcher mit fühlbarer Wirkung. –
Nächste Woche
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| denke ich die
Schwestern Mathy und
Frau Mehner bei mir zu haben.
Aber das wird eine andre Grundstimung sein. Wenn ich nicht manchmal
auch ein wenig gastlich bin, werde ich doch immer mehr
isoliert, da ich
allmälig weniger gern ausgehe,
und die Leute ungebeten nicht so leicht nach
Rohrbach fahren, aus Sorge mich nicht anzutreffen.
– – Am Mittwoch war diesmal nur der
jüngere Bruder M. hier, der von
den Plänen
seines Bruders in
München erzählte. Es würde mich freuen,
wenn es ihm glückte, wenn ich auch sein Fortgehen bedauern würde.
Die Rückkehr des
Herrn Moser
ist für mich insofern unbequem, als
die gute Frau jetzt all ihre Kunden uns einen Tag
vorverlegt, um den Sonnabend für die eigne Wirtschaft frei zu haben.
So ist aber bei mir die schöne Reinlichkeit vom
Donnerstag bis Sonntag schon wieder etwas
mitgenommen. Aber das ist ja bekanntlich nur "äußerlich".
Und
übermorgen ist nun der 21. an dem die
Rede für
Stadelmann sein soll.
Ich denke mit innerlicher Freudigkeit daran, wie Du dem Verstorbenen
mit echter Würdigung und warmem Verständnis ein lebensvolles
Gedächtnis erwecken wirst.
<li. Rand>
Sei mir innig gegrüßt und grüße auch die beiden
andern.
<Kopf>Wie immer
Deine
Käthe.