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Heidelberg. 6. August
1950.
Mein liebes Herz!
Wie bist Du,
wann
bist Du nach Haus gekommen? Hat Dein Fahrplan-projekt gut
funktioniert? Ich hoffe es dringend, denn der Aufenthalt hier war ja
nur unnötige Strapaze, so ganz anders als ich es geplant hatte! All
meine Vorschläge fanden Deinen Beifall nicht, und meine Absicht,
Deine Bedingungen zu erfüllen, schlug gänzlich fehl. Schreibe mir
doch, bitte, bald mal eine Karte, wie Du die Mühsal hier und die
vorher überstanden hast? Aber danken möchte ich Dir doch noch einmal,
daß Du kamst, wenn es auch leider für Dich mehr Opfer als Freude war.
Von allem, was ich so gern besprochen hätte, ist natürlich nicht die
Rede gewesen, aber es ist doch einiges im Fluge berührt, und
beschäftigt jetzt meine Gedanken – besonders
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| was Du von
Deinen Eindrücken in
Bonn sagtest. Ich
glaube, daß solche Schwankungen im Gefühl der eignen Wirkung nichts
Definitives sind, sondern sich mit der Wellenbewegung des Lebens
wiederholen. Das hängt viel mit der jeweiligen Konstellation
zusammen, ob sie Gelegenheit gab, sich voll einzusetzen, ob man in
Stimmung war u.s.w. Es gibt da Höhepunkte und Zeiten der
Enttäuschung, aber an dem bleibenden Wert ändert das nichts.
Jedenfalls soll man sich nicht davon verstimmen lassen, das lähmt das
berechtigte Selbstgefühl.
Deine Frage nach meinem Verkehr mit
Kohlers hat mich auf ähnliche Gedanken
gebracht. Schließlich ist es wohl das Richtige, aus jeder Situation
das mögliche herauszuholen.
Heut habe ich einen ganz stillen
Sonntag gehabt. Zu meiner Überraschung kam eine ganz nett
erscheinende
Frau in
mittlerem
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| Alter, und bot sich für den Monatsdienst an. Sie
ist Witwe, Schwester meiner Zeitungsfrau und so wollen wir es mit
einander versuchen. Jedenfalls wird es für mich weniger teuer sein,
als mit meiner guten
Frau
Moser. Aber ich werde sie vermissen.
Betrüblich war es
für mich bei meiner Rückkehr nach Deiner Abreise den gedeckten Tisch
in meinem Zimmer vorzufinden. Wieviel gemütlicher ist immer für mich
eine Unterhaltung in den eignen vier Pfählen. Und für Dich wäre es so
viel billiger! Du überlegst Dir jeden Groschen, den Du für Dich
ersparen könntest und bei solcher Gelegenheit gibst Du so viel aus.
Das Essen hier war fix und fertig in der Kochkiste und bei der Fahrt
von 10 Minuten hier heraus wärst Du doch nicht gleich verhungert. Ich
fürchte immer, Du hast eine förmliche Abneigung gegen mein armes
Zimmer. Ich bin nicht geizig, aber das unnötig ausgegebene Geld
kränkt mich. Und das selbstgekochte
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| Essen war sehr gut,
heute für mich und morgen kommt noch
die
Näherin dazu. Also, wie
Kurt zu sagen liebte: "gut und reichlich, und nicht
zu fett!" Jedenfalls hätte sich alles geruhsamer für Dich gestaltet,
und das ist zu meinem Schmerz gerade zum Gegenteil ausgefallen.
Fragen wollte ich noch, ob Du Dich erinnerst, was ich in unsrer
Zeitung nachsehen sollte? Es wäre etwa am 28.VII. darin gestanden,
aber ich kann mich nicht besinnen, was? Verzeih mir mein schlechtes
Gedächtnis.
Und nun laß Dich von ganzem Herzen grüßen, und laß
es Dir möglichst gu gehen. Könnte ich
Dir doch von meiner zunehmenden Ruhe abgeben! Etwas labil bin ich
freilich auch immer noch, und der steinige Weg am Sonnabend ist sogar
meinen guten Schuhen weniger schlecht bekommen als meiner Seele!
Also – trotz allen Mängeln voll treuer
Liebe
Deine
Käthe.