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11. Dezember
1950
Mein liebes Herz!
Wie
sehr hatte ich mich gefreut, als so überraschend Dein lieber Brief
vom 6.XII. kam. Hattest Du doch eine längere Pause angekündigt und so
suchten Dich am Mittwoch meine Gedanken abends in
Herrenberg, das ich mir nördlich von
Entringen denke. Inzwischen aber war schon
Dein Brief unterwegs. Leider hatte er eigentlich eine sehr betrübende
Veranlassung und ich spüre sehr, wie Dich die ungewisse Lage
bedrückt. Mein kurzer Brief an
Susanne nahm nur Bezug auf ihr eigenes Schreiben,
das von der Armverletzung berichtet hatte, also nicht auf Deine
näheren Angaben. Aber ich hatte doch den Wunsch ihr zu sagen, wie ich
Anteil nehme. – Wie seltsam, daß Du gerade auch
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davon schriebst, wie schwer es ihr war, die Schwester dort allein
zurück zu lassen. Die schwierige Lage jetzt, auch für Dich, ist mir
sehr lebhaft gegenwärtig. Möge es sich gnädig lösen lassen. –
Sind die Besuche am Wochenende erfreulich verlaufen? Vielleicht
waren sie als Arbeitsunterbrechung doch ein wenig Ersatz für die
fehlende Möglichkeit zu Spaziergängen. Auch hier ist durchschnittlich
sehr unerfreuliches Wetter. Aber in diesem lieben Nest sind doch hie
und da ganz unvermutet plötzlich reizvolle Beleuchtungen oder
Nebelstimmungen, die einen auf Einkaufswegen überraschen.
Hat
sich eigentlich überhaupt irgend etwas in Deiner Amtstätigkeit
vermindert? Dann wäre die vorgesetzte Behörde wirklich verpflichtet,
die Emeritierung offiziell zu widerrufen. – Daß Du den Konflikt mit
Herre nun definitiv
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abgeschüttelt hast, ist mir eine rechte Befriedigung. Ich hatte an
ihn gerade in diesen Tagen gedacht und zwar im Zusammenhang mit
Matussek, : "Ich habe nicht
zugeraten." – Aber ich mochte Dirs nicht schreiben, weil ich
besorgte, es könne Dir eine
unangenehme Erinnerung sein. Was er mit dem lateinischen Wort meint,
kann ich Analphabet nicht verstehen.
Recht leid ist es mir,
daß ich mich vergeblich auf das Thema Deiner Vorlesung besinne. Ich
sollte es wohl von Rechts wegen wissen, aber mein Kopf ist so
schrecklich vergeßlich und so muß ich Dich bitten, mirs zu schreiben.
Es liegt mir doch viel daran.
Von meinem Eindruck des Buches
von
Carossa hatte ich Dir auch
noch schreiben wollen. Es ist so wohltuend, wie alles sich in seiner
Hand zum Ganzen schließt – aber darüber mußte man mal reden
können.
Hier stehen wir eben im Zeichen von
Wiechert, den
Frau Buttmi ganz besonders
liebt. Sie
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| selbst hat soeben recht
schweren Erlebnisse in der
weiteren Familie und hat es gern, wenn ich abends zu ihr komme, da
Gunhild und
ihr Mann öfters nicht zu Haus
sind. So liest sie mir dann nach und nach die Missa sine nomine vor,
während ich handarbeite. Das ist ein seltsames Buch, ein wunderbares
Gemisch von sichtbarer und unsichtbarer Welt.
Für
die kleine Held fand ich bei
meinen Büchern "Katzenbergers Badereise". Ob das gerade sehr geeignet
ist, zweifle ich. Ich kann
Jean
Paul nicht lesen, er liegt mir nicht. – Mit der Patientin habe
ich ganz unbefangen über ihren "schlechten Appetit" gesprochen. Sie
meinte, manchen Tag ginge es besser, aber dann auch wieder nicht. Sie
hätte das Gefühl, daß ihr wohler sei, wenn sie weniger äße. Für die
Schokolade war sie aber zugänglich. Es ist mir eine wirkliche Freude,
das liebe Mädel zu sehen, und ich glaube, sie freut sich auch. Da ist
wirklich kein Grund, mir zu danken.
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| Sonst gehen meine Tage
in nüchterner Nützlichkeit dahin. Ich habe eine große Strickarbeit
endlich fertig und jetzt müssen noch Handschuhe dran kommen, da die
alten völlig zerrissen sind. – Heute war
eine Witwe, Mutter von zwei
erwachsenen Kindern, bei
mir,
deren Mann in
Mannheim Schauspieler war. Sie ist völlig
ausgebombt, und näht in bekannten Familien. Ich kenne sie durch
Schoepffers, und auch bei
Rösel Hecht hilft sie aus. Mit
hat sie den sehr mitgenommenen Wintermantel wieder in Ordnung
gebracht. So bin ich doch allmälig für den Winter eingerichtet. Auch
mit der Heizung habe ich die besten Absichten, aber der Kohlenhändler
ist weniger bereit. Noch habe ich etwas Vorrat, aber längst nicht wie
früher. Es wäre auch garnicht Platz dafür im Keller. Ich finde es
übrigens eine ungünstige Folge der guten Heizung, daß ich viel
empfindlicher gegen Temperaturunterschiede bin, als früher, als ich
gewöhnt war zu frieren.
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12.12.
Ich will den Brief mit in die Stadt nehmen, wo ich mehrere
Besorgungen machen muß. Darum kann ich nicht noch mehr erzählen. Es
ist ja auch nicht wichtig.
Aber ich möchte Dir doch noch
einmal sagen, daß ich Eure Sorge mittrage und dankbar wäre, wenn Du
mir bald etwas Besseres melden könntest. – Der trübe Himmel paßt zum
Übrigen!
Herzliche Grüße an
Susanne und Dir alles Liebe wie
immer
Deine
Käthe.