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<Stempel: Prof.
Spranger
(14b) TÜBINGEN
Rümelinstrasse 12>
Geburtstag des
Vorstands
1951.
Meine einzige Freundin!
Es ist wieder der übliche "müde Freitag", an dem ich den langen
Tag mit einem Brief beschließe. Aber in der Woche bin ich immer zu
sehr abgelenkt.
Es hat mich gefreut, daß es wieder einmal
etwas zu zeichnen gab. Denn in der Tat: wenn man garnichts mehr
"muß", wird man ungelenk und unternehmungsscheu. Das Wetter war ja
auch mild und hoffentlich ungefährlich. Nur Eure Elektrische ist mir
immer verdächtig.
Was wählt Ihr denn? Gemeinderat? Ich dachte,
die FDP sei die Intelligenzpartei und habe sie auch gewählt. Aber in
Stuttgart hat sie freiwillig auf das Kultministerium verzichtet, um
das Wirtschaftsministerium zu bekommen. Wir wählen also anscheinend
die "Unternehmer".
Den neuen Zwischenfall in der
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Familie Honig hat Dir
Susanne mitgeteilt. Ich weiß
nicht, wie ausführlich. Um ganz klar zu sehen, müßte man einmal an
Ort und Stelle gewesen sein. Nach den Eindrücken per Brief, auch den
Berichten (3 Briefe) von
Frau
Biermann, stehe ich auf der Seite v.
H. Aber ein solcher Vorgang
ist leider nicht reparierbar. Schon jetzt deutet sich an, daß die
Gegenseite vom Feindseligen ins Dreckige gehen würde. Wenn es zu
einer Klage beim Vormundschaftsgericht kommt, soll "meine große
Autorität" in die Wagschale geworfen werden. Aber der allein
Aktionsberechtigte ist der Gegenvormund
Konrad Honig, der zwar bewiesen
hat, daß er Kinder produzieren kann (bisher 6), aber noch nicht, daß
er sie protegieren kann. Und ich bin von allen Gerichten so gründlich
enttäuscht worden, daß ich weder Vertrauen noch Hoffnung habe.
Am Samstag waren wir bei überraschend sonnigem Wetter wieder in
Eyach, gingen über den Berg durch
Felldorf in unglaublichem Druck nach
Bad Imnau. Dort trafen wir nur
Frau Prof. Bürker. Das Ganze
war eine Abwechslung. Auch
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| waren wir in einem
musikalischen Lustspiel: "Der Mann mit dem Zylinderhut" (
Traute Rose, jetzt
Kassel.)
Wenke hat eine lebendige und inhaltreiche
Antrittsvorlesung gehalten.
Erika Hoffmann wird Leiterin des
Kindergärtnerinnenseminars der Ev. Mission in
Kassel, das in
Wilhelmshöhe
neu bauen wird – ich nehme an: bei der Druseltalbahn.
Es ist
doch gar kein Anhaltspunkt gegeben, daß der
Dr. Recknagel auch für den Fall
Held zuständig ist. Die Sache
der Kleinen hat immer noch nicht einmal einen Namen. Ich habe nur den
Eindruck, daß man in
H. nicht weiter
weiß.
Die Fülle der Fastnachtsfeiern macht sich im Kolleg sehr
bemerkbar, besonders heute früh. Solche Erscheinungen gab es vor 1949
nicht. Die Vorlesung soll nach meiner Intention meine reifste
Leistung sein. Vielleicht ist die Distanz zu groß. Was da ist – auch
Leute aus der Stadt, hört mit intensivster Aufmerksamkeit. Aber es
ist nun einmal
subjektiv anders als
objektiv: ich gebe mit dieser Vorlesung mein akademisches Vermächtnis
– eine philosophische Analyse unsrer ganzen
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| Kultur. Dafür
hatte ich ein stärkeres Echo erhofft. Mein philosophischer
Privatkreis hat nun wenigstens durch 2 Abgesandte um Fortführung der
Zusammenkünfte gebeten. Ich war auch da – als Emeritierter – unsicher
geworden.
Am 9. Februar kommt
Heuß in unsre Universität. (Grund wirst Du in der
Zeitung lesen.) Am 10. Februar kommt
Nikuradse. Am 11. vielleicht
Wachsmuth. Am 12. Soll
Rektorwahl sein. (Der letzte hat sich meinem Herzen entfremdet.)
Ich bin in Deiner Schuld; suche nur nach einem günstigen
technischen Weg.
Für heute muß es genug sein. Ich grüße Dich
innigst. Übrigens empfehle ich, Nötiges bald zu kaufen; die Preise
werden weiter steigen. Es war nur ein flüchtiger Streifen von
Morgenrot.
In stetem
Gedenken
Dein
Eduard.
[Fuß] Die
vollständigen Fahnenkorrekturen von Q u. M. sind
da.[] Der gute Exminister Bäuerle war kurz bei uns.